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Übernahmen im Teilemarkt: Jetzt spielen die Großen

17.12.2015 11:00 Uhr

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Bigger, better, faster, smarter - größer, besser, schneller und smarter - so lautet der programmatische Slogan von Euro Car Parts, der größte britische Händler für Kfz-Ersatzteile mit über 200 Verkaufsniederlassungen auf der Insel. Vor vier Jahren hat der Gründer und Selfmademan Sukhpal Singh sein Unternehmen nach einer beispiellosen Wachstumsstory für 225 Millionen Pfund (311 Mio. Euro) an den US-amerikanischen Konzern LKQ verkauft. Die Amerikaner machen einen Jahresumsatz von umgerechnet 6,4 Milliarden Euro - fast ausschließlich mit dem Handel von Kfz-Teilen und Kfz-Services in den USA und weltweit.

Konzerne aufs Einkaufstour

Das amerikanische Unternehmen ist nicht der einzige Riese im Independent Aftermarket, der weltweit auf Einkaufstour geht. Die französische Alliance Automotive Group (AAG) mit einem Jahresumsatz von 1,4 Milliarden Euro hat die Liste der in den letzten Jahren übernommenen Unternehmen im Kfz-Aftermarket zuletzt ebenfalls stark erweitert: 2015 übernahm AAG in Großbritannien United Aftermarket Network (UAN) und erreicht damit im Königreich ein Einkaufsvolumen von 415 Millionen Euro. Hinzu kam ein weiterer Kfz-Teilevermarkter in Frankreich. Erst im Oktober hat AAG in Deutschland den mittelständischen Ersatzteilehändler Coler Gmbh mit Sitz in Münster übernommen. Mit einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro gehört das nordrheinwestfälische Unternehmen zu den mittelgroßen Teilehändlern in Deutschland.

Der Kfz-Teilehandel befindet sich hierzulande mitten in einem Konzentrationsprozess und wurde in diesem Jahr vor allem durch eine große innerdeutsche Übernahme erschüttert: Der Teilegroßhändler Wessels & Müller hat einen Kaufvertrag mit Trost geschlossen, der umsatzmäßig in etwa gleichauf liegt ( siehe Kasten S.16). Durch den beabsichtigten Zusammenschluss beider Unternehmen entstünde neben dem Branchenprimus Stahlgruber/PV ein zweites Schwergewicht im deutschen Kfz-Teilemarkt mit bedeutendem Einkaufsvolumen und entsprechender Marktdurchdringung.

Absehbare Ereignisse

"Was jetzt im Markt passiert, war absehbar", sagt Helmut Wolk, Geschäftsführer des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Wolk After Sales Experts. Sein Unternehmen führt jährlich Aftermarket-Analysen in 35 europäischen Ländern im Rahmen von Eigenstudien durch und berät Autohersteller, Teileproduzenten, Händler und Werkstätten. Die Übernahmewelle im Teilehandel kam seiner Meinung nach nicht überraschend und sie hat ihren Zenit noch nicht erreicht ( siehe Interview).

Das Bundeskartellamt hat die beabsichtigte Übernahme von Trost durch WM unter die Lupe genommen und im August nur unter bestimmten Auflagen genehmigt. Die Behörde hat verfügt, dass WM aus der Einkaufsgemeinschaft ATR ausscheiden muss, um eine allzu große Konzentration von Einkaufsmacht zu verhindern und den Wettbewerb im Kfz-Teilemarkt aufrechtzuerhalten. Spätestens bis Jahresende muss WM seine Gesellschafterstellung bei ATR kündigen, wo auch Stahlgruber/PV als Gesellschafter wirkt.

Wächter über den Wettbewerb

Zudem legte das Kartellamt fest, dass WM und Trost in mehreren Regionalmärkten insgesamt neun Niederlassungen veräußern muss, weil der freie Wettbewerb in diesen Regionen andernfalls beeinträchtigt wäre. Durch den Zusammenschluss würde WM in den Regionalmärkten Braunschweig, Darmstadt, Frankfurt, Heilbronn, Magdeburg und Stuttgart mit hohem Abstand zum Wettbewerb Marktführer. Die Marktanteile lägen in diesen Regionen zum Teil weit oberhalb der kritischen Marke für eine vermutete Marktbeherrschung von 40 Prozent, argumentierten die Wettbewerbshüter. Dies sei nicht im Interesse der Kunden, also der freien Werkstätten. "Die Befragung von Wettbewerbern und Kunden sowie unsere Marktanalyse haben ergeben, dass der Wettbewerb zwischen den Großhändlern durch die Übernahme in diesen Regionen erheblich beeinträchtigt worden wäre. Wir mussten der Gefahr vorbeugen, das mit der Marktmacht von Wessels & Müller Nachteile für die freien Werkstätten und ihre Kunden entstehen", begründete der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, die Maßnahmen. Zumindest die zweite Auflage gilt bereits als erfüllt: Alle neun Standorte - sechs Standorte von WM und drei von Trost - wurden im Oktober von der mittelständischen Hennig-Gruppe übernommen. Die Kartellwächter haben dies bereits genehmigt und sehen darin eine positive Entwicklung im Sinne des Wettbewerbs.

Folgen für Werkstätten

WM betreibt in Eigenregie die drei Werkstatt-Systeme Autoteam, Autoteam Plus und seit August AutoPro. Außerdem vermarktet WM in Kooperation mit Bosch die Systeme AutoCrew und Bosch Car Service. Als Gesellschafter betreibt WM zusammen mit der Einkaufskooperation ATR zudem mehrere Systeme wie Meisterhaft, AC Auto Check und AutoPartner. In diesen ATR-Systemen sind alleine insgesamt fast 1.700 Werkstätten gebunden. Die ATR Service GmbH, in der ATR die Werkstatt-Systeme zusammenfasst, gilt damit als einer der größten Konzeptgeber für freie Mehrmarkenwerkstätten in Deutschland.

Händler wollen Einkaufsloyalität

Es bleibt abzuwarten, wie sich jene Werkstätten verhalten, die einem Konzept von ATR angehören und bislang vornehmlich von WM beliefert werden. In der Branche gilt der Grundsatz, dass ein Mindestbezug von Teilen über den Systemgeber erwartet wird - schließlich erkaufen sich die Systemgeber über ihre Werkstatt-Konzepte eine gewisse Einkaufsloyalität. Die Konzepte gelten aus Sicht des Großhandels als wichtigstes Instrument, die Werkstätten und deren Teilegeschäft an sich zu binden. Die Kooperationsverträge enthalten oftmals entsprechende Zielvereinbarungen.

Niemand soll gezwungen werden

Thomas Sülzle, Leiter der Konzeptzentrale ATR Service GmbH, lässt den Betrieben Wahlfreiheit: "Wir werden die Werkstatt-Konzepte AC Auto Check, Meisterhaft und AutoPartner selbstverständlich fortführen und weiter entwickeln. Natürlich gibt es Werkstätten, die durch das Ausscheiden des Großhandelspartners WM aus der ATR betroffen sind. Ob diese Werkstätten in ihrem jeweiligen Konzept bleiben oder sich anderweitig orientieren, ist eine unternehmerische Entscheidung." Sülzle ist optimistisch, dass man für alle Konzeptpartner eine gute Lösung finden werde. Kurzfristig gebe es für diese Werkstätten jedenfalls keinen Grund zu kündigen. "ATR bietet über die Großhandelspartner Matthies, Stahlgruber, PV Automotive und Neimcke weiterhin bundesweit Werkstatt-Konzepte an und es wird auch niemand gezwungen, aus einem Konzept auszuscheiden", verspricht Sülzle. Sein Bestreben sei es, die Werkstätten in den ATR-Systemen zu halten. "Wir setzen darauf, dass unsere Werkstattpartner an ihrem über Jahre hinweg aufgebauten Marktauftritt festhalten", hofft Sülzle.

Wechsel teuer erkauft

Dem Vernehmen nach haben sich bisher über 200 Betriebe für einen Wechsel des Werkstatt-Systems entschieden. Zum Teil, auch das ist im Markt zu hören, ist die Treue zu WM teuer erkauft. Wessels & Müller werbe mit attraktiven Zusatzleistungen wie beispielsweise kostenlose Ersatzfahrzeuge für die eigenen Systeme, ist zu hören. Seit August wirbt WM massiv für das neu aufgelegte Konzept AutoPro, neben Autoteam und Autoteam Plus das dritte WM-Full-Service-System. AutoPro soll wechselwilligen Werkstätten offenstehen. Offiziell bestätigen will das WM freilich nicht. Es ist aber sicher kein Zufall, dass die Farbgebung mit blau und gelb den ATR-Systemen gleicht. Die brandneue Marke kann immerhin schon über 300 Partnerbetriebe vorweisen.

Wettbewerber schlafen nicht

Der Wettbewerb gibt sich abwartend und nutzt eigene Chancen. Andreas Kilian, Systemmanager Werkstattsysteme bei der Teilehandels-Kooperation Select: "Die Auflage des Bundeskartellamtes, dass WM aus der Einkaufsgemeinschaft ATR ausscheiden muss, hat sicherlich etwas Bewegung in den Markt gebracht. Hier bieten sich für uns und andere Marktteilnehmer nun insbesondere auch Chancen, um die entstandene Verunsicherung zu nutzen und sich als Alternative auf Augenhöhe zu präsentieren", erklärt Kilian.

Dirk Appelt, Leiter Bosch Werkstattsysteme, beobachtet die Veränderungen im Markt, fürchtet aber derzeit keine Gefahr: "Wir haben in jüngster Zeit und auch in diesem Jahr gleich mehrere Übernahmen gesehen. Wir beobachten den Markt sehr genau, sehen aber kurzfristig keine negativen Auswirkungen auf unser etabliertes Werkstattgeschäft."

Der internationale Poker um Übernahmen und Beteiligungen im Kfz-Teilemarkt geht auch im nächsten Jahr weiter, da sind sich Experten sicher, sehr wahrscheinlich auch unter Mitwirkung finanzkräftiger internationaler Konzerne. Die Übernahme von Coler durch AAG war wohl erst der Auftakt.

Kurzfassung

Nach der Übernahme von Trost durch den Wettbewerber Wessels & Müller muss sich der Kfz-Teilemarkt neu sortieren. Alles spricht dafür, dass künftig auch internationale Konzerne verstärkt in den deutschen Teilemarkt investieren.

Interview mit Helmut Wolk

asp: Durch die beabsichtigte Übernahme von Trost durch den Großhändler W&M entsteht ein neuer Großhandelsriese. Welche Bedeutung hat die Übernahme auf den Wettbewerb?Man muss das Thema im europäischen Kontext sehen. Die jüngste Übernahme zeigt einmal mehr, dass sich der Markt inmitten eines Konzentrationsprozesses befindet, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Bis 2025 werden wir auf europäischer Ebene noch maximal zehn Händler dieser Größenordnung haben. Auch 2016 wird es mit Sicherheit mindestens noch eine große Akquisition im Teilegroßhandel geben.asp: Was bedeutet das konkret für den deutschen Markt?Der Teilemarkt ist komplex. Auf der einen Seite stehen die Teilehersteller, die die Einkaufskooperationen beliefern. Es gibt dann auch große, mittlere und kleine Händler. Letztere wiederum werden in erheblichem Umfang von den größeren Händlern beliefert. Der Weg wird künftig häufiger direkt zur Werkstatt führen. Wir kriegen, wenn Sie so wollen, damit eine stärkere Professionalisierung in den Markt. Anders gesagt: Die Supply Chain wird kürzer und am Ende auch effizienter und damit rentabler.asp: Haben kleinere regional tätige Teilehändler keine Zukunft?Das wird schon seit Jahren so prophezeit, hat sich aber bis dato im erwarteten Maße noch nicht erfüllt. Es ist festzustellen, dass auch die lokalen Händler am Markt ihre Daseinsberechtigung haben. Der Konzentrationsprozess findet derzeit auf der Ebene der großen und mittleren Teilegroßhändler statt - Große kaufen Große. Dieser Prozess wird begünstigt durch das Engagement von finanzstarken Private-Equity-Unternehmen und Großkonzernen.Wir gehen davon aus, dass bis 2030 etwa 30 bis 40 Prozent der großen und mittleren Teilegroßhändler von Private-Equity-Unternehmen und sonstigen Playern aus dem Finanzmarkt übernommen werden. Weitere 15 bis 20 Prozent der großen und mittleren Teiledistributoren werden von Autoherstellern übernommen werden, welche zukünftig ebenfalls in den freien Teilegroßhandel einsteigen werden.asp: Was ist der Treiber für diese Prozesse?Das hat unter anderem mit der sich verschlechternden Margensituation zu tun. Bis 2025 werden geschätzt 15 Prozent der freien Werkstätten vom Markt verschwunden sein. Einerseits wegen der akuten Nachfolgeproblematik, andererseits weil es immer schwieriger wird, mit der rasanten Entwicklung neuer Technologien Schritt zu halten. Wir werden dann weniger, dafür größere und besser qualifizierte Werkstätten haben. Das hat Folgen für die Distribution. Hinzu kommt, dass auch die Autohersteller über ihr OE-Teilegeschäft in immer stärkerem Maße an die freien Werkstätten herantreten und diese mit Teilen beliefern wollen. Nicht zuletzt spielt die gezielte Schadensteuerung durch Versicherer wie z.B. der HUK eine Rolle, welche neben dem Unfallreparaturgeschäft künftig auch in das Autoservice-Geschäft einsteigen will.asp: Warum sollte sich ein Automobilhersteller an einem Teilegroßhändler beteiligen?Wenn beim Autohersteller der Partsbereich neben dem Finanzgeschäft bisher die Cashcow war, dann stellt sich automatisch die Frage, ob man nicht mit Ersatzteilen auch in den IAM Markt einsteigen sollte.

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