Ihren Prototypen schickten die Erfinder vorsorglich in die Wüste. Beim Extrem-Test in der Sahara erhielt das Gerät den letzten Schliff. Vor 75 Jahren, am 19. August 1932, war die Sensation dann perfekt: Europas erstes Autoradio wurde auf der Berliner Funkausstellung präsentiert – ein Produkt des absoluten Luxus. Die Stille am Steuer war fortan vorbei. Der Empfänger holte Musik und Nachrichten endlich auch ins Fahrzeuginnere. Heute, nach einem Dreivierteljahrhundert, können integrierte Navigationssysteme im Autoradio die Fahrer per Satellit zum Ziel führen. Die Tage des guten alten Autoradios sind gezählt – Multimedia wird sie schlucken. Der Schatz von damals liegt heute bei Blaupunkt in Hildesheim hinter Glas. Pressesprecher Joachim Siedler rückt das "Autosuper AS 5" aus der Vitrine. Europas erstes Autoradio ist ein schwarzer Kasten, 15 Kilogramm schwer und weit größer als ein Schuhkarton. Von Knöpfen, Tasten und Rädchen keine Spur. "Dafür gab es die Fernbedienung", sagt Siedler und zeigt das faustgroße Bedienteil. Es klemmte am Steuer und der Fahrer regelte Lautstärke und Senderwahl über Bowdenzüge. Das eigentliche Radio hing über dem Fußraum der Beifahrerseite. "Das gute Stück kostete 465 Reichsmark. Für das Dreifache gab es damals bereits einen Neuwagen", erklärt Siedler. Für die Masse ungeeignet Aus dem Äther drang schon vor 75 Jahren per Mittel- und Langwelle ein bunt gemischtes Programm ins Fahrzeug, sagt Friedrich Dethlefs, Experte für die Geschichte des Rundfunks beim Deutschen Rundfunkarchiv. Vorträge, Nachrichten, Hörspiele und natürlich Musik hätten sich abgewechselt. "Auch Live-Übertragungen gab es schon." Eher überholt klingt heute eigens für Zielgruppen Gesendetes wie "Marktberichte für Landwirte oder Hausfrauen". Vorerst jedoch blieb das Autoradio ein wahres Luxusprodukt. Bis auch die Massen am Steuer lauthals mitsingen konnten, sollte es noch Jahre dauern. Nur 400 Exemplare des "Autosuper AS 5" fanden in den 30er Jahren einen Käufer, sagt Siedler. Die Autofahrer in den USA waren dieser Tage schon weiter. Bereits in den 20er Jahren gab es dort Autoradios in Serienreife, etwa in Wagen der Marke Chevrolet. Die Zukunft ist multimedial In Europa dagegen tüftelten die Erfinder länger. Das Problem: Die Befestigung der empfindlichen Glaskolbenröhren. Unter den mehr als 1.000 Radio-Bauteilen wären sie den Erschütterungen auf der Straße als erstes zum Opfer gefallen. "Gummibänder brachten die Lösung", erklärt Siedler. Die elastischen Halter hätten Europas erstes Autoradio auch unter holprigsten Bedingungen sanft abgefedert. Die erste Idee für die Erfindung stammte aus den Werken der Berliner Firma "Ideal", die später vom Bosch-Konzern gekauft und Blaupunkt benannt wurde. In Zukunft wird nichts mehr an das schmale Autoradio von früher erinnern. Der Trend gehe dahin, das Autoradio in einem Paket aus Information und Unterhaltung aufgehen zu lassen. "Das Autoradio, wie wir es noch heute kennen, wird in einigen Jahren nur noch ein Teil einer ganzen Multimedia-Einheit sein", sagt Uwe Thomas, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Blaupunkt. Die künftige Heimat des Autoradios nenne sich "Integriertes Fahrerinformationssystem". Und abschließende Tests in der Wüste sind schon lange nicht mehr nötig. Heiko Lossie, dpa
Historie: Das Autoradio in Europa wird 75: Anfänge beim Test im Wüstensand
"Autosuper AS 5" war größer als ein Schuhkarton und mit 15 Kilo auch deutlich schwerer