Von Hanne Schweitzer/SP-X
Sechs Meter lang, rund dreieinhalb Tonnen schwer, technisch das Optimum seiner Zeit und optisch höchst präsentabel: Der offene Tourenwagen Mercedes 770k von 1939, seinerzeit das Topmodell und "Großer Mercedes" genannt, könnte eine Pretiose in einer Oldtimer-Sammlung sein. Doch seine Verbindung zum dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte wirkt auch rund 80 Jahre später noch nach und verhinderte jüngst einen Verkauf des Fahrzeugs.
Denn der Repräsentationswagen, der jetzt auf einer Oldtimer-Auktion in den USA angeboten worden ist, wurde für Adolf Hitler gebaut. Laut Kommissionsbuch wurde er an den "Führer und Reichskanzler" ausgeliefert. In ihm ließ sich der Diktator chauffieren, Ausschnitte aus der "Wochenschau" zeigen ihn winkend in dem offenen Paradewagen.
Sieben Millionen Euro hatte ein Käufer für den Klassiker von 1939 geboten – eine beachtliche Summe, wenn auch am unteren Ende der Preiseinschätzungen, die Experten zu dieser Auktion abgegeben hatten. Auch der Verkäufer hatte sich offenbar deutlich mehr erhofft, er wollte den Mercedes zu diesem Preis nicht veräußern.
Herkunft schreckt potenzielle Käufer ab
Dass sich in Zeiten, in denen sich Sammler auf anderen Auktionen regelmäßig überbieten, um ein seltenes automobiles Schmuckstück erwerben zu dürfen, nicht mehr höchstbietende Interessenten für den Klassiker fanden, dürfte hauptsächlich an seiner Vorgeschichte liegen. "Die Nazi-Herkunft ist für einen Großteil der potenziellen Käufer abschreckend", sagt Oldtimer-Experte Frank Wilke, Geschäftsführer des Marktbeobachters Classic-Analytics.
Er sieht nur zwei potenzielle Käufergruppen für den Mercedes: Reiche Mercedes-Sammler, die mit dem besonderen Fahrzeug ihre Sammlung vervollständigen wollen. Sie schätzen – unabhängig von der Person Hitlers – die historische Bedeutung des Wagens. Doch die ist gleichzeitig auch das Manko: Aufgrund seiner Historie kann man den Mercedes kaum auf einer Oldtimer-Veranstaltung einsetzen, beispielsweise keine Oldtimer-Rallye fahren. "Zudem ist der Wagen auch aufgrund seiner Fahreigenschaften kaum einzusetzen", so Wilke. Als andere potenzielle Käufergruppe sieht er NS-Devotionaliensammler. "Doch sie werden weniger und kaufen nicht auf öffentlichen Auktionen", erklärt der Experte. Hitlers Mercedes wird nun also vorerst weiter bei seinem amerikanischen Besitzer bleiben.
Der bei seinem Erscheinen größte Repräsentationswagen Typ 770 ist äußerst selten. 88 Wagen wurden laut Mercedes ausgeliefert. Mit Kriegsbeginn gingen nur noch wenige an zivile Besteller, da Behördenaufträge bevorzugt behandelt wurden. Nach dem Krieg diente der "Große Mercedes" als Staatskarosse unter anderem in den königlichen Fuhrparks von Schweden und Norwegen.