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Abgasanalyse: Unter realeren Bedingungen

21.01.2016 11:00 Uhr

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Auf einmal sind diese Abkürzungen hochaktuell. PEMS (portable emission measurement system), RDE (Real Driving Emissions) oder einfach: die mobile Abgasmessung. Nach Bekanntwerden der VW-Manipulation hat die Europäische Union im Oktober 2015 die schon länger von Umweltverbänden geforderte verschärfte Regelung zur Messung des Schadstoffausstoßes beschlossen. Hatte es bislang gereicht, wenn Autohersteller die Emission im Rahmen der EU-Typengenehmigung (Homologation) nach einem festgelegten Fahrzyklus im Labor ermittelten, kommen die Prüfverfahren jetzt auf die Straße, für eine erste Testphase noch in diesem Jahr. In dem neuen Prüfszenario sollen Schadstoffausstoß und Verbrauch auch im realen Fahrbetrieb geprüft werden.

Die neuen Rahmenbedingungen sollen ab dem 1. September 2017 für alle neuen Fahrzeugmodelle und ab 2019 auch für Neuzulassungen älterer bereits typgeprüfter Modelle gelten. Dabei liefert ein an der Anhängerkupplung befestigter Messkoffer entsprechende Messwerte im Alltagsverkehr. Die Stickstoffoxide dürfen in einer Übergangsphase noch um das 2,1-Fache über dem Laborwert liegen (110 Prozent). Ab dem 1. Januar 2020 für neue Fahrzeugtypen und ab dem 1. Januar 2021 für alle Neuzulassungen darf der gemessene Stickoxid-Ausstoß den Laborwert nur noch um das 1,5-Fache (50 Prozent) übersteigen.

Made in Haldenwang

Ein Hersteller dieser portablen Messgeräte ist die im Oberallgäu ansässige Firma MAHA AIP. Das Tochterunternehmen von MAHA Maschinenbau Haldenwang hat sich auf die Entwicklung und Fertigung von Kraftfahrzeug-Prüftechnik spezialisiert. Seit vielen Jahren liefere man Rollenprüfstände an die Fahrzeugindustrie weltweit, darunter auch der TÜV oder die seit dem VW-Skandal bekannte EPA (Environmental Protection Agency), erzählt Manfred Dittrich, Leiter Vertrieb und Marketing bei MAHA-AIP.

Auf den in Haldenwang produzierten Rollenprüfständen werden Fahrzeuge im Rahmen der Typzulassung im Labor getestet. "Parallel liefern wir aber auch die Messsysteme, mit denen man anstelle eines Laborversuchs die Prüfung in der Realität durchführen kann", erklärt Manfred Dittrich. Seit die mobile Abgasmessung in Brüssel beschlossene Sache ist, häufen sich die Anfragen. "Wir arbeiten schon seit über zwei Jahren an dem Thema, aber das war natürlich nicht absehbar, dass das jetzt durch die Volkswagen-Geschichte so einen Hype bekommt", so Manfred Dittrich. Doch das Unternehmen ist bestens gerüstet, hat entsprechende Forschungs- und Entwicklungsarbeit vorgelegt und zudem vor rund drei Monaten einen Neubau bezogen: "Perfekt, um jetzt mit der Produktion richtig loszulegen", freut sich Dittrich.

Die von MAHA AIP entwickelten mobilen Messsysteme befinden sich in einem wasserdichten und wetterfesten Koffer, schließlich soll die Messung unabhängig von Wind und Wetter im realen Straßenbetrieb durchführbar sein. Über eine Schnellkupplung wird der Messkoffer am Anhängerhaken befestigt. "Dank des Schnappsystems, das man vielleicht von Motorradtaschen kennt, ist die Montage denkbar einfach", erklärt Manfred Dittrich. Anschließend wird das Messsystem an Subsysteme wie GPS und Kamera angeschlossen, "die Sonde in den Auspuff gesteckt und los geht's."

Während der Messfahrt hat der Fahrer sämtliche Messwerte über ein Tablet an der Mittelkonsole im Blick, ein mobiler Computer zeichnet die Daten auf. "Dabei arbeitet das PEMS völlig autark und ist nicht an das Fahrzeug angeschlossen", betont Manfred Dittrich, um die Frage nach Manipulationsmöglichkeiten vorwegzunehmen. Die Energieversorgung, via wiederaufladbarem Akku im Messkoffer, reicht für Messfahrten zwischen drei bis fünf Stunden. Der Vorteil: "Ich kann schneller und auch günstiger messen: Ein PEMS-Gerät kostet um die 100.000 Euro, eine Messzelle mit Rollenprüfstand, Abgasmesstechnik und Zubehör um die 2,5 Millionen Euro", erklärt Manfred Dittrich. Aufgrund von äußeren Einflussfaktoren wie Wetter oder Straßenverhältnisse kommt es zu geringen Ergebnis-Abweichungen im Vergleich zu den Labortests. "Je nachdem welchen Parameter man misst, sind das bei unseren Geräten Abweichungen von zehn bis fünfzehn Prozent. Da liegen wir gut im Rennen", sagt Manfred Dittrich. Denn die kleinen gelben Messkoffer von Maha AIP wiegen nur 20 Kilo. Im Vergleich dazu bringen einige Konkurrenzprodukte zum Teil mehr als 60 Kilo auf die Waage. Ein geringeres Gewicht erleichtert nicht nur die Handhabung, sondern liefert auch hinsichtlich der Genauigkeit der Messergebnisse bessere Werte.

Große Nachfrage

"Insgesamt wird sich da bis 2017 aber sicherlich noch einiges tun und weiterentwickeln", ist Dittrich überzeugt. "Bisher gab es keine gesetzliche Anforderung und daher keinen Zugzwang. Jetzt wird das alles in einem anderen Licht gesehen", weiß der Vertriebschef in Haldenwang: "Die Nachfrage ist groß - Prüforganisationen, Fahrzeughersteller und natürlich auch Zulieferer - vor allem aus dem Inland, aber natürlich auch Firmen, die nach Deutschland oder Europa exportieren. Wir kommen momentan kaum hinterher." Sogar die Tagesschau hat inzwischen über MAHA AIP und die kleinen gelben Messkoffer berichtet. Dittrich freut sich über den positiven Imageeffekt und die große Nachfrage und betont mit Blick auf die Zukunft: "Wir sind startklar!"

Ablauf einer Abgasmessung nach NEFZ

Seit den 1990ern werden Abgaswerte und Verbrauch nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) ermittelt. Dieser festgelegte Fahrzyklus auf dem Rollenprüfstand im Labor besteht aus einem Cityzyklus, der viermal durchlaufen wird, sowie einem Überlandzyklus. Dabei ist der zuvor bestimmte Roll- und Luftwiderstand des Fahrzeugs auf die Rollen zu übertragen. Die simulierte Testfahrt selbst dauert 20 Minuten und beinhaltet auch Brems- und Beschleunigungsmanöver. Während des Vorgangs wird dabei permanent Abgas für die Analyse aufgefangen, um Abgaswerte zu ermitteln und den Verbrauch zu errechnen.Schon lange kritisieren Umweltverbände und Verbraucherschützer, dass dieses simulierte Fahrverhalten im Labor nicht der realen Nutzung entspricht, vor allem wenn viele Kurzstrecken, Stadtverkehr oder auch Autobahnfahrten mit über 120 km/h die tatsächliche Nutzung im Alltag darstellen. Im NEFZ-Fahrzyklus beträgt die Höchstgeschwindigkeit nur 120 km/h. Zudem lassen die Testbedingungen viel Raum für legales Optimieren, sei es über den Reifendruck, das Fahrzeuggewicht, den Batterieladezustand, Leichtlauföle oder das Ausschalten von Zusatzverbrauchern wie der Klimaanlage. Vom ADAC und der Deutschen Umwelthilfe durchgeführte Abgasmessungen haben in der Vergangenheit große Abweichungen zwischen den Grenzwerten und tatsächlich gemessenen Schadstoffen festgestellt. Mithilfe der ergänzenden RDE-Verfahren sollen die Diskrepanzen ab September 2017 minimiert werden. Zudem zielt der neue Testprozess WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) auf realistische Prüfbedingungen auf dem Rollenprüfstand ab. Als vergleichbarer Weltstandard soll der WLTP den NEFZ ab 2017 schrittweise ablösen. Der neue Prüfzyklus ist insgesamt länger (23 Kilometer), zudem sind mehr Beschleunigungs- und Bremsvorgänge sowie klarer festgelegte Rahmenbedingungen zu Umgebungstemperatur oder der Berücksichtigung des Fahrzeuggewichts enthalten. vg

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