Man darf wohl ohne Übertreibung sagen, dass das seit 1998 veranstaltete Goodwood Revival das exklusivste und stimmungsvollste Rennen wertvoller Oldtimer auf vier und auch zwei Rädern ist. Antreten darf auf dem knapp 3,9 Kilometer langen Rundkurs nämlich nur, wer vom veranstaltenden 11. Duke of Richmond and Gordon eine Einladung erhalten hat. Wer dieses Privileg genießt, rangiert in der Liste der Oldtimer-Racer ganz oben – und sein Fahrzeug natürlich ebenfalls. In 17 Rennen wurden an einem Wochenende die Besten ihrer Klassen gesucht und gekürt; dazu kamen Paraden historischer Sportwagen und ein Rennen von 65 Kindern. Sie pilotieren jeweils ein Tretauto des Typs Austin J40 aus den Baujahren 1949 bis 1966. Gut 150.000 zumeist zeitgenössisch gekleidete Besucher versetzten sich dieses Jahr bei schönsten Herbstwetter in eine Epoche voller Glanz und Gloria.
Drei Defileés hochkarätiger historischer Rennwagen eröffneten dieses Jahr das Goodwood Revival; auf 141 Austin 7 der Jahre 1925 bis 1938, die mehr oder minder gemächlich den knapp 3,9 Kilometer langen Rundkurs absolvierten, folgte ebenfalls am Freitag die „Graham Hill Celebration“. Hier präsentierten sich 33 Rennwagen der Jahre 1953 bis 1975, die mit dem legendären Rennfahrer in Verbindung standen. Drittes Demo-Highlight war die laute und farbenprächtige Parade aus Anlass des 75. Ferrari-Geburtstages: 50 der schönsten und erfolgreichsten Sportwagen der italienischen Markenikone aus den Jahren 1949 bis 1966 inszenierten ein gewaltiges Spektakel.
Goodwood Revival 2022
BildergalerieGründer: Freddie March Memorial Trophy
Richtig zur Sache ging es erstmals mit der Freddie March Memorial Trophy. Freddie March, der Großvater des heutigen Duke of Richmond, war der Gründer des Renngeschehens im Südosten Englands, hatte den Rundkurs um das Flugfeld gebaut und organisierte hier im September 1948 das erste Nachkriegsrennen in Großbritannien. Zur Memorial Trophy traten ausschließlich Rennwagen an, die zwischen 1952 und 1955 an den Neunstunden-Rennen in Goodwood teilgenommen hatten, etwa Aston Martin DB3S, Jaguar C-Type oder Austin Healey 100.
Die ältesten Rennwagen gingen in Goodwood Trophy an den Start, die Grand-Prix-Autos und sogenannte Voiturette Cars umfasste, die zwischen 1930 und 1951 bei Rennen gefahren worden sind. Herausragende Exemplare wie der ERA ("English Racing Automobile") B-type R5B "Remus" standen diversen Maseratis, einem Bugatti Type 73C, einem Alta 61 AS oder dem Alfa Romeo 308C gegenüber. Ein besonders buntes Starterfeld fand sich bei den zwei Läufen zur St. Mary’s Trophy; hier waren Tourenwagen der Jahre 1960 bis 1966 am Start. Mehrere Morris und auch Austin Mini Cooper S mit 1293 ccm Hubraum traten dabei gegen gewaltige Ford Galaxie 500 mit mehr als sieben Liter Hubraum an.
Gewaltiges Interesse der Zuschauer lösten die zwei Läufe der Motorräder zur Barry Sheene Trophy aus, die in jeweils 25 Minuten dauernden Rennen mit Fahrerwechsel ihren Sieger suchten. Nur fünf Vorkriegs-Rennmotorräder standen 25 Rennmotorräder gegenüber, die bis maximal 1954 ihre Einsätze hatten. Auf dem weitläufigen Veranstaltungsgelände besonders umlagert war eine zeitgetreu nachgebaute Werkstatt der "Bavarian Motor Works" der 1930er Jahre; sie wurde ergänzt durch die Motorrad-Werkstatt von Jock West, Mitglied des siegreichen BMW TT-Teams von 1939, sowie einer Restaurierungswerkstatt von Rolls Royce. Architekt und Devotionaliensammler Peter Russel hat bei der Inszenierung ganze Arbeit geleistet; so zeigen viele Fotos an den Wänden exakt jene BMW 328, die in und vor der Werkstatt zu sehen sind, mal perfekt restauriert, mal in sehr gutem Originalzustand.
Kleidung im Stil der 1940er bis 1960er Jahre
Fast alle Besucher waren im Stil der 1940er bis 1960er Jahre gekleidet. Viele Damen trugen aufwendige Hüte oder Hütchen im Stil der Zeit, dazu mussten natürlich auch die Täschchen, Strümpfe und Schuhe passen. Nur wer von Kopf bis Fuß ein makelloses Bild abgab, hatte beim Wettbewerb "Best Dressed Studio" eine Chance. Die meisten Mechaniker waren in weiße, oftmals von nächtlicher Reparaturarbeit mehr oder minder gezeichnete Overalls gewandet; Armbinden aus stabilem Papier wiesen sie als "Mechanic" des jeweiligen Rennens aus, für das der von ihnen betreute Wagen an den Start ging. Auch die Fahrer und Besitzer der Fahrzeuge trugen solche Armbinden im Stil der Zeit, die stilgerecht mit Bändern am Oberarm befestigt wurden.
Der Spaß, als Zuschauer am wohl schönsten Oldtimerrennen der Welt dabei sein zu können, war auch 2022 keineswegs billig: Die Preise der Tageskarten reichten von 79 englischen Pfund für den Freitag bis zu 109 Pfund für den Samstags-Eintritt; der Sonntag war mit 104 Pfund nur geringfügig billiger. Wobei darin noch kein Sitzplatz auf einer der vielen Tribünen enthalten ist. Wer sparen wollte, durfte aber sein Picknick samt einer maßvollen Menge an alkoholischen Getränken selbst mitbringen und sich beispielsweise auf dem kurzgeschnittenen Gras des Flugfeldes niederlassen. Gerne auch im Schatten einer Flugzeug-Tragfläche, denn historische Flugzeuge wie die Hawker Hurricane und die legendären Spitfires waren ebenfalls gleich im Dutzend zu sehen.