"Customer Relationship Management ist nicht nur das Pflegen eines DMS-Systems und das Ausdrucken von Excel-Listen", sagte Björn Keding, Geschäftsführer der Prof4Net GmbH über den Stand der Digitalisierung in vielen Kfz-Betrieben. Das war eines der Themen auf dem AUTOHAUS Servicegipfel powered by Würth in Zweiflingen, an dem 24 Teilnehmer, darunter viele Serviceleiter der großen Automobilhersteller und Mitarbeiter von Würth teilnahmen. Das Schlosshotel Hotel Friedrichsruhe in Zweiflingen bot dafür den passenden Rahmen. Moderiert wurde der Servicegipfel von AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel und Jörg Weichsel, Leiter Key Account Management Auto bei der Adolf Würth GmbH.
Ganzheitlich denken
In seinem Vortrag über Customer Relationship Management (CRM) ging Keding darauf ein, wie die Digitalisierung veraltete CRM-Systeme auf den neuesten Stand bringen kann, um die Kundenbindung zu stärken und zusätzliche Umsätze zu generieren. Das Zauberwort heißt hierbei "vollintegriertes CRM". Laut Keding müssen alle Abteilungen eines Kfz-Betriebes in CRM eingebunden werden, um Informationen untereinander auszutauschen, die notwendig sind, um den Kunden anzusprechen. Auch die Integration in das DMS-System oder den Werkstattplaner sei dabei wichtig. Autohäuser sollten auch überlegen, wie man mit Serviceprozessen umgehen kann, eingehende Fragen der Kunden beantwortet, Marketingmaßnahmen durchführt und schließlich auch die Performance misst.
Wichtigste Grundlage für ein erfolgreiches CRM ist aus Sicht von Keding die Integration von Daten aus unterschiedlichen Quellen. Neben den Kundendaten sollten auch Daten aus dem Fahrzeug und den Serviceterminen kombiniert werden. Hier sind auch Daten des Fahrzeugherstellers hilfreich: Als Beispiel nannte Keding Rückruf-Aktionen, Herstelleraktionen oder Serviceintervalle des Autos. Oftmals wollen die Fahrzeughersteller diese Daten jedoch nicht teilen. Keding schlägt deshalb vor, dass beide Seiten - Handel und Hersteller - mehr kooperieren.
AUTOHAUS Servicegipfel 2024 powered by Würth
BildergalerieMaschine statt Mensch
In ihrem Vortrag zu "KI basierten digitalen Assistenten im Autohaus" ging Sandra Sopp, Key Account Mangerin Automotive Services bei Würth, über das neue Tool Voicebot von Würth ein. Dahinter verbirgt sich ein Telefon-Bot, der automatisch Anrufe der Kunden entgegennehmen und Aufgaben wie die Buchung eines Werkstatt- oder Reifenwechsel-Termins per Sprachsteuerung durchführen kann. Auch Fragen nach den Öffnungszeiten des Autohauses oder wann das Auto abholbereit ist, können vom digitalen Assistenten übernommen werden. Der Kunde kann mit Voicebot wie mit einem Menschen kommunizieren, die Stimme klingt sehr natürlich.
Das Autohaus ist so permanent erreichbar, was die Kundenzufriedenheit deutlich steigern kann. Denn hauptsächlich ist das Telefon der Kanal, über den Kunden mit dem Kfz-Betrieb kommunizieren. Mit dem Voicebot ließen sich in Zeiten des Fachkräftemangels zudem Engpässe überwinden und nebenbei noch Kosten für das Callcenter einsparen.
Kranktage minimieren
Wie Mitarbeiter im Autohaus bei schweren Arbeiten entlastet werden können, war das Thema von Stefan Schneid, Vertriebsleiter Spezialvertrieb Arbeitsschutz bei Würth. Laut Statistik waren 2023 Autohaus-Mitarbeiter durchschnittlich knapp über 15 Tage pro Jahr krankgeschrieben, was auch auf Verletzungen, etwa bei schweren Arbeiten, zurückzuführen ist. Um Mitarbeiter länger produktiv halten, sei eine Gesundheitsprävention laut Schneid wichtig. Das beginnt schon bei den passenden Schuhen: Laut Erhebungen tragen 82 Prozent der Deutschen nicht die passenden Schuhe, weil diese zu groß, zu klein oder anderweitig nicht passen. Würth bietet deshalb eine Fußvermessung mit einem 3D-Scanner, damit Mitarbeiter ihre Füße einmessen können. Entsprechende Einlagen in den Schuhen sorgen dann für das Wohlbefinden.
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Auch die Gesundheit des Muskel- und Skelett-Systems steht bei Würth im Fokus: Gerade bei schweren Arbeiten wie dem Reifenwechsel bieten sich Exoskelette an, die entweder die Wirbelsäule oder auch die Handgelenke schützen. Handgelenk-Exoskelett schützen dank der integrierten Alustreben das Handgelenk vor Überlastung und der Mitarbeiter kann länger arbeiten. Ein Rückengurt mit Alu-Streben wie das "IX Black Air" mit Burstplatte entlastet wiederum die Bandscheiben beim Heben von schweren Gegenständen. Das IX Shoulder Air ist hingegen für Arbeiten über Kopf, beispielsweise bei Arbeiten unter Fahrzeugen auf Hebebühnen, geeignet.
Zusatzgeschäft für Kfz-Betriebe
Wie sich zusätzliches Geschäft für die Werkstatt generieren lässt, war das Thema "Der Umsatz hängt am Haken – erfolgreiches Geschäft mit AHK" von Marcus Vollbrecht, Chief Operating Officer (COO) der Rameder Gruppe. Vollbrecht betonte, wie Rameder als Experte für Anhängerkupplungen Betriebe dabei unterstützen kann. Die Nachrüstung von Anhängerkupplungen stellt die Kfz-Betriebe oft vor Herausforderungen, da die Einbauzeit bis zu 8 Stunden betragen kann und es aufgrund des Tagesgeschäfts schwierig ist, einen passenden Termin für den Einbau zu finden. Auch die Kodierung der Anhängerkupplung, die bei bestimmten Fahrzeugen notwendig ist, damit die Kupplung mit der Bordelektronik zusammenarbeiten kann, ist nicht trivial.
Rameder als Produzent von Anhängerkupplungen kann hier mit Experten weiterhelfen und bietet auch die entsprechende Logistik und den technischen Kundenservice. 80.000 Anhängerkupplungen sind permanent auf Lager, die Lieferzeit beträgt innerhalb Europas nur 1 bis 2 Tage. Dazu hat Rameder über 50 eigene Montage-Points in Deutschland, die eine Nachrüstung mit speziell ausgebildeten Mechanikern durchführen können.
Ganzjahresreifen ansteigend
Über das Reifengeschäft in Autohäusern sprachen Tiemo Emig und Arno Bach, Geschäftsführer des Reifenhändlers RR Team in Laubach. Arno Bach ging in seinem Vortrag "Verändertes Bestellverhalten von Winterkompletträdern" darauf ein, dass Kfz-Betriebe immer weniger Winterkompletträder vorbestellen und mehr Bestellungen innerhalb der Saison tätigen. Als Gründe nannte Bach die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die dadurch gestörten Lieferketten, die für weniger verfügbare Autos auf den Markt sorgten. Händler hatten dadurch in der Vergangenheit Überkapazitäten und agierten deshalb vorsichtiger. Auch die zunehmende Variantenvielfalt an Reifengrößen und -typen mache das Geschäft weniger transparent. Durch weniger Vorbestellungen steige laut Arno Bach aber die die Gefahr nicht lieferbarer Artikel. Er schlägt deshalb unter anderem eine Reduzierung der Komplexität bei Winterkompletträdern vor, also weniger unterschiedliche Reifenmarken auf den Kompletträdern.
Das Thema Ganzjahresreifen wurde von Tiemo Emig diskutiert: Der Marktanteil der Ganzjahresreifen steigt weiter und hat inzwischen schon fast das Niveau von Winter- und Sommerreifen erreicht. RR Team hat deshalb einen Leitfaden für Ganzjahresreifen entwickelt, um Kfz-Betrieben Argumente für die Kunden an die Hand zu geben. Denn Ganzjahresreifen sind immer ein Kompromiss: Es handelt sich entweder um Sommerreifen mit Wintereigenschaften oder Winterreifen mit Sommereigenschaften. Dadurch seien die Sicherheitsreserven gerade beim Bremsen im Vergleich zur saisonalen Bereifung deutlich schlechter.
Simulator hilft bei der Entwicklung
Zum Abschluss des Servicegipfels ging Stefanie Wenchel, Head of Car Dealer Channel bei Pirelli, darauf ein, wieviel Aufwand in der Entwicklung eines Premium-Reifens liegt. Autohersteller formulierten in ihrem Lastenheft oft sehr anspruchsvolle Eigenschaften der Pneus, die erfüllt werden müssen und zu Zielkonflikten führen können, beispielsweise im Bereich Laufgeräusch oder Sportlichkeit. Bei Pirelli beginnt die Reifenentwicklung mit der Simulation. Dabei wird ein virtuelles Fahrzeugmodell verwendet, um verschiedene Reifenvarianten mit dem Reifensimulator zu testen und das vielversprechendste Modell auszuwählen. Nach dem Bau eines Prototyps und Tests des Reifens gibt es im Regelfall weitere Optimierungen durch den OEM. Rund drei Jahre würden für die Entwicklung eines Premiumreifens benötigt.