Von Patrick Broich/SP-X
Dass Reizüberflutung auch etwas Schönes sein kann, dürfen Autofans Jahr für Jahr auf dem Oldtimerfestival Classic Days auf Schloss Dyck erfahren, wo abertausende Fahrzeuge mit dem Charme des Vergangenen um Aufmerksamkeit buhlen. Wir haben uns dieses Jahr mit einem Ford Taunus 12M selbst unter die Oldie-Fahrer gemischt, um die Reaktionen der Besucher durch das offene Seitenfenster einzufangen.
Die Visite beim Wasserschlosses am Oldtimer-Wochenende ist so eine Mischung aus Last und Lust – man muss schon die letzten zweieinhalb Kilometer Weg als Ziel betrachten, dann macht es Spaß. Im Stau vor uns lässt ein Fahrer den V6-Motor seines Dino 246 aufheulen und geht fast auf Tuchfühlung zum Vordermann. Er steht mit seiner rassigen Schönheit ebenso im Stau wie wir mit unserem schlichten Funktionsfahrzeug.
Jetzt stören die beschaulichen 38 PS wenigstens nicht, die den mit Dreigang-Schaltgetriebe ausgerüsteten Viermeter-Ford ansonsten allerdings hurtiger auf Trab bringen, als man vermutet hätte. Das heißt jedoch nicht, dass er für den heute quirligen Verkehr souverän motorisiert wäre – spätestens am Berg erleidet man noch einmal, was früher Usus war. Manche Verkehrsteilnehmer nehmen aber auch Rücksicht, wenn sich der Autorentner von 65 Jahren etwas langsamer als der Durchschnitt, aber immerhin beharrlich den Weg bahnt. Trotzdem, das metallgewordene Stück Erinnerung bereitet Laune.
Rund 40.000 Besucher
Zielgerade erreicht, der graue Taunus 12M mit der berühmten Weltkugel im Kühlergrill und Köln-Wappen auf dem Lenkrad hat es auf das Gelände am Rande des Schlossparks geschafft. Jetzt geht es im Schritttempo, dicht umgeben von Menschen zu jenem Platz, an dem auch die Autohersteller werben dürfen – freilich um Neuwagen-Kunden mit teils schicken Zelt-Konstruktionen. Rund 40.000 Besucher zählt das Schloss an den Tagen der Autonarren – ein schönes Gefühl, nicht alleine zu sein. Auf den Classic Days fühlen sich nur wenige alleine, vorausgesetzt, sie können sich für rollendes Blech begeistern. Und das gibt es hier in ziemlich vielen Varianten – auch der Oldtimer bewegt sich in einer pluralistischen Kultur und liefert Faszination durch Vielfältigkeit. Eine Ford Weltkugel bekommt man schon für unter 10.000 Euro – das Citröen DS Cabrio, das gleich neben dem Kölner geparkt hat, kann auch schon mal das Dreizehnfache kosten.
Wir sind jetzt längst zu Fuß unterwegs, schieben uns durch die Massen von Menschen. Die Classic Days sind ein bisschen wie ein großer Rummelplatz – nur eben für Autofreaks. So wie es auf der Kirmes eine Vielzahl an Fahrgeschäften gibt, findet man rund um das Wasserschloss verschiedene Themenzonen. Auf der Orangerie-Halbinsel unmittelbar am Hauptgebäude präsentieren sich die "Jewels" in vollem Glanz. Dort tummeln sich Fahrzeuge, so selten, dass viele Besucher sie noch niemals zuvor auf der Straße oder sonst wo gesehen haben. Manche mit bekanntem Markennamen, zum Beispiel der Ferrari 195 Inter – manche der Allgemeinheit aber auch eher unbekannt, darunter Exemplare wie Alvis oder Rosengart.
Für den Marsch von der Orangerie-Halbinsel mit den teils millionenschweren Preziosen bis zum Miscanthusfeld (dabei handelt es sich um eine bestimmte Schilfart), wo bodenständige Vertreter verschiedener Markenclubs neben ihren Fahrzeugen ausharren und bei Limonade und Grillwurst mit Flyern auf sich aufmerksam machen, vergehen rund 15 Minuten. Bei einem solchen Streifzug begegnet man noch den historischen Campern, die neben dem Zugfahrzeug aus Altblech auch noch ihr rollendes Zuhause im Schlepptau haben, in dem sie stilecht auf dem Areal übernachten.
Die Rennstrecke
Und dann ist da ja auch noch die Rennstrecke. Dazu wird einfach ein Teil der umliegenden Landstraßen gesperrt, Heuballen an die Kurvenränder gehievt und Bäume mit Markierungsstoffen ausstaffiert. Hier knattern fast im Dauertakt alte Monoposto-Wagen, wuchtige Bentley oder Mercedes mit Kompressor-Triebwerken – aber aus Spaß an der Freude eben auch die von Ford Köln mitgebrachte Flotte inklusive Lieferwagen und unserer Weltkugel, die sich gemächlich und dennoch wankend um die Spitzkehren kämpfen.
Die Classic Days auf Schloss Dyck sind so umfangreich, dass selbst ein komplettes Wochenende kaum ausreicht, um alles Dargebotene zu erfassen. Reizüberflutung auf schöne Weise. Gegen Nachmittag steht ein Rollentausch doppelter Art an. Zunächst wieder vom Fußgänger zum Autofahrer. Dann erfolgt ein Zeitsprung von den frühen Fünfzigern zu den Mittachtzigern: Das Gefährt für den Rückweg ist ein 150 PS starker Ford Granada 2,8i Turnier aus dem Jahr 1984. Um vom Gelände zu kommen, wird noch eine Schlussrunde über die eigens abgesteckte Rennstrecke fällig, bevor der geschmeidig agierende Sechszylinder in Richtung Köln gleitet. Zum Abschied zeigen sich noch einmal breit grinsende Gesichter und winkende Hände. Das ist wohl Glück auf automobile Art.