Ausgerechnet das Jahr der weltwirtschaftlichen Krise durch die Verknappung des Rohöls und entsprechend gestiegener Treibstoffkosten wurde für Volkswagen zum Schicksalsjahr mit einer kompletten Modellerneuerung. Im Juli 1974 lief im Werk Wolfsburg der letzte Käfer vom Band und bei Karmann in Osnabrück wurde das davon abgeleitete Sportcoupé Karmann Ghia in den Ruhestand geschickt. An die Stelle der antiquierten Heckmotortypen mit einer Ahnenreihe, die bis in die Vorkriegszeit zurückreichte, trat nun ein gänzlich neues Produktprogramm mit Quermotor und Frontantrieb.
Nach den Vorboten K 70 (eine NSU-Entwicklung) und Passat (Parallelmodell zum Audi 80) war das Sportcoupé Scirocco die erste Eigenentwicklung im neuen Kapitel der Volkswagen-Historie. Ein Markstein, der Presse und Publikum bei der Premierenparty auf dem Genfer Salon völlig verblüffte. Hatte damals doch kaum jemand damit gerechnet, dass VW vor dem Golf eine sportliche Rakete als Ouvertüre für das moderne Modellfeuerwerk zünden würde. So stand der überraschend lancierte Scirocco anfangs in der Medienberichterstattung gar ein wenig im Schatten des gleichzeitig präsentierten Ford Capri II, der ebenso wie der VW das noch neue Konzept des so genannten Sportkombis mit praktischer Heckklappe aufgriff. Revolutionär war aber nicht der Ford, sondern der nach dem heißen Wüstenwind benannte Scirocco. Nur er verknüpfte technische Innovationen mit einem maßgeschneiderten italienischen Kleid und moderaten Preisen. Ein verführerisches Paket, das schon in der ersten Auflage über eine halbe Million Fans fand.
Kein Wunder, bot der Scirocco doch bereits die Genialität des ersten Golf, diese jedoch in eleganterem Gewand. Wie beim Golf geschneidert von Giorgio Giugiaro, aber gebaut bei Karmann – schließlich wurde der Scirocco zum Kronprinz des zwei Jahrzehnte lang gebauten Karmann Ghia gekürt. Dieser wiederum galt als Urvater aller deutschen Traumcoupés fürs Volk, kombinierte er doch billige Käfer-Technik mit formaler Extravaganz. Ein großes Erbe, das der Scirocco jedoch souverän übernahm, ganz so wie der Golf wenige Monate später die Nachfolge des Käfers antrat. Die Absatzzahlen des Karmann Ghia konnte der Scirocco sogar deutlich übertreffen, dabei fehlte es ihm Unterschied zu seinem Vorfahren nicht an direkten Rivalen. So gab es seit 1969 den Ford Capri als ersten erschwinglichen Familiensportler. Der Opel Manta folgte 1970, aber auch die Italiener (etwa mit Fiat 128 Sport-Coupé, Alfa Romeo Giulia 1300 GT oder Lancia Fulvia Coupé), Franzosen (Renault 15/17), Tschechen (Skoda S 110 R Coupé) und Japaner (Datsun 120 Y und 180 B Coupé, Mazda 818 und 616, Toyota Corolla Coupé und Celica) tummelten sich schon länger in der Klasse der bezahlbaren Coupés als der Volkswagen Scirocco für frischen Wind sorgte.
Dabei brach der Scirocco nicht nur mit der Luftkühlungs-Heckmotor-Tradition des VW-Konzerns, er verabschiedete sich auch vom einfachen Starrachs-Layout mit Hinterradantrieb nach Opel- oder Ford-Vorbild. Stattdessen setzte er auf moderne Features wie Quermotor, Vorderradantrieb und vordere Einzelradaufhängung sowie eine hintere Verbundlenkerachse. Merkmal dieser Hinterachskonstruktion ist ein tiefliegender Querträger, der die Innenraum- und Gepäckraumgröße kaum beeinträchtigt. So bot der Scirocco auf gerade einmal 3,85 Meter Länge (50 Zentimeter kürzer als die deutschen Konkurrenten) und 2,40 Meter Radstand erstaunlich viel Platz für vier Passagiere, dazu für das Gepäck eine praktische Heckklappe.