Beim Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen Diesel-Fahrverbote bleiben zentrale Fragen offen - erneut könnte ein Gericht Fakten schaffen. Das Verwaltungsgericht in Berlin berät am Dienstag darüber, ob Dieselautos wegen der zu hohen Luftbelastung im Herzen der Hauptstadt bald nicht mehr fahren dürfen.
Kläger in Berlin ist wie in vielen anderen Fällen die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Die Organisation hatte bekräftigt, sie werde vor Gericht auf einer großen Verbotszone für Dieselautos in der Berliner Innenstadt bestehen. Zu hohe Werte der gesundheitsschädlichen Stickoxide seien ein "flächendeckendes Problem", hatte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Deshalb genüge es nicht, für ältere Dieselfahrzeuge lediglich einige Straßen zu sperren.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte Fahrverbote für zulässig erklärt - wenn sie verhältnismäßig sind. In Hamburg sind schon zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel gesperrt. In Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot geplant. Kürzlich hatte ein Gericht auch Fahrverbote für die Innenstadt der Pendlermetropole Frankfurt am Main von 2019 an angeordnet. Auch in Berlin werden Schadstoff-Grenzwerte überschritten.
Unklar ob Urteil gefällt wird
Unklar ist, ob das Berliner Gericht am Dienstag bereits ein Urteil fällt. Das Gericht könnte Fahrverbote anordnen, damit die Schadstoff-Grenzwerte möglichst schnell eingehalten werden. Auch eine Vertagung ist aber möglich.
Im Falle einer Anordnung von Fahrverboten könnte Berlin in den Kreis von bisher 14 "Intensivstädte" rücken, auf die das neue Maßnahmenpaket der Bundesregierung in der Dieselkrise zielt. Dieses sieht neben neuen Kaufanreizen der Hersteller auch Hardware-Nachrüstungen bei älteren Dieselfahrzeugen vor. Für diese Umbauten am Motor fehlen aber Zusagen der Hersteller. Die Bundesregierung fordert, dass diese die komplette Finanzierung der Nachrüstungen übernehmen. Die Autobauer weigern sich bisher.
Bundesumweltministerium Svenja Schulze (SPD) pochte auf Hardware-Nachrüstungen. Diese seien die effektivste und wirksamste Maßnahme für bessere Luft in Städten, wie ein Sprecher Schulzes am Montag sagte. Es gehe darum, die Nachrüstungen so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen.
Warten auf Hardware-Nachrüstungen
Diesel-Fahrer werden aber noch eine Weile auf Hardware-Nachrüstungen warten müssen. Hersteller wie Baumot wollen im kommenden Jahr mit ersten für Euro 5-Diesel vorgesehenen Lösungen auf den Markt kommen. Doch Experten kalkulieren vorsichtiger: "Ich rechne erst in zwei Jahren mit nennenswerten Stückzahlen bei verfügbaren Umrüstsätzen", sagt etwa Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft in Geislingen. Mit Blick auf drohende Fahrverbote dürfte das für einige Dieselfahrer nicht reichen.
Bislang liegt dem Kraftfahrtbundesamt genau ein Nachrüstsystem zur Freigabe vor, wie das Bundesverkehrsministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Ob dieses am Ende auch einsetzbar ist, ist mehr als fraglich. Denn die Voraussetzungen dafür stehen noch überhaupt nicht fest. "Der Bund wird umgehend Anforderungen für wirksame Systeme definieren und das Kraftfahrtbundesamt (KBA) wird Genehmigungen erteilen, damit diese zeitnah auf dem Markt angeboten werden können", heißt es im Bundesverkehrsministerium.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte wiederholt technische, finanzielle und rechtliche Bedenken gegen Hardware-Nachrüstungen geäußert. Die Nachrüstfirmen - genau wie die Werkstätten - beteuern, sie stünden bereit. Baumot-Chef Marcus Hausser sagte der dpa jüngst, der Hersteller habe kein Problem damit, die Gewährleistung zu übernehmen. Aus seiner Sicht könnten die Umbauten 2019 beginnen.
Die Nachrüstungen aber sind komplex, Autos im Gegensatz zu Bussen oder Lieferwagen sehr unterschiedlich. "Jeder Fahrzeugtyp erfordert jeweils eine spezifische Ausgestaltung der Umrüstlösungen", erläutert Branchenexperte Reindl. Dass die dann flächendeckend für saubere Luft sorgen werden, bezweifelt er, genau wie andere Branchenkenner: "Neben den Genehmigungen müssen auch die erforderlichen Stückzahlen vorliegen." (dpa)