Von Michael Gebhardt/SP-X
Mit einem Kofferradio ließe sich heute kaum jemand mehr nach Las Vegas locken. Vor 50 Jahren aber, als die "Consumer Electronics Show" (CES) zum ersten Mal ihre Pforten öffnete, waren die tragbaren Musikempfänger der Hingucker schlechthin. Das Radio wurde irgendwann vom Fernsehen abgelöst, und heute buhlen hauchdünne Geräte mit mehreren Metern Bildschirmdiagonale und gestochen scharfer Auflösung um die Gunst der Kunden und Journalisten.
Doch die Unterhaltungsbranche hat in den vergangenen Jahren immer mehr Konkurrenz auf der Elektronik-Messe bekommen. Smart Home ist ein Stichwort, das auch 2017 wieder zieht – die vollständige Vernetzung des eigenen Zuhauses. Dabei sind Kühlschranke, die automatisch Lebensmittel nachbestellen oder Herde, die per Smartphone gesteuert werden, schon fast ein alter Hut. In diesem Jahr sieht man Dinge wie eine intelligente Haarbürste mit App-Anbindung, die den Kämmvorgang analysiert, Informationen über die Haargesundheit sammelt und vor zu festem Druck warnt.
Neben den eigenen vier Wänden rückt von Jahr zu Jahr auch das Auto mehr in den Fokus der CES. Auf den letzten Schauen standen das autonome Fahren und Elektromobilität im Mittelpunkt – beides nimmt auch in diesem Jahr noch viel Platz an. So schickt etwa Faraday Future mit dem 1.050 PS starken FF91, der in unter 2,4 Sekunden auf 100 Sprintet und mehr als 700 Kilometer elektrisch zurücklegen soll, eine Kampfansage in Richtung Tesla. Und BMW, Audi aber auch Zulieferer wie Delphi stellen die neueste Ausbaustufe des Selberfahrens vor. Das allerdings gehört mittlerweile schon fast zur Pflicht. Für die Kür gehen die Hersteller 2017 einen Schritt weiter und beschäftigen sich mit der Frage, was man mit der neugewonnen Freiheit im Wagen anstellen kann. Schließlich verbringt man im Auto reichlich Lebenszeit, und die soll, wenn man schon nicht ständig auf die Straße schauen muss, so angenehm wie möglich gestaltet werden.
Kleine Bibliothek an Bord
BMW prescht mit einem wohnzimmerähnlichen Innenraumkonzept vor, das zum Wohlfühlen und Entspannen einlädt, und sogar eine kleine Bibliothek an Bord hat. Honda zeigt auf der Messe die Elektro-Kleinwagen-Studie NeuV, die Stimmung und Gefühle des Fahrers erfassen und sich darauf einstellen soll – sei es durch Fahrempfehlungen oder die passende Musik. Und auch Mercedes versucht, dem Fahrer den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Zwar fährt die gezeigte C-Klasse noch nicht allein, doch schlägt sie beim Einsteigen gleich die voraussichtlich gewünschte Route vor oder versucht zu erahnen, wen man als nächstes Anrufen möchte. Möglich macht es die Lernfähigkeit der Autos, die aus den Erfahrungen der Vergangenheit Ableitungen für die Zukunft treffen.
Ebenfalls zur Steigerung des Wohlfühlambientes soll die zunehmende Personalisierung und noch engere Vernetzung von Smartphone, Zuhause und Auto beitragen. Volkswagen beispielsweise präsentiert, wie man sich zukünftig mit seiner ID in jedem VW anmelden und alle persönlichen Einstellungen, vom Radiosender bis zum Ambientelicht, mitnehmen kann. So schafft man sogar in nüchternen Mietwagen eine schnelle eine vertraute Umgebung.
Ford holt dagegen über Amazons Alexa-Service gleich das eigene Heim in den Wagen. Per Sprachbefehl können vom Wagen unter anderem Licht, Musik oder Heizung zu Hause gesteuert werden und sogar Bestellungen bei Amazon aufgegeben werden. Umgekehrt liefert die digitale Assistentin Alexa vom Wohnzimmer aus Infos über den Wagen, zum Beispiel den Ladestand von Elektrofahrzeugen. Und Hyundai hat angekündigt, dass man bald sogar den Motor per Ansage von der Couch aus starten kann, wofür immer das gut ist.
Neuester Schrei: Schalter als Hologramme
Damit die Passagiere all die neuen Funktionen überhaupt nutzen können, arbeiten die Hersteller auch unter Hochdruck an neuen Bedienkonzepten. Klassische Tasten, ein zentraler Drehregler oder Touchscreens haben längst ihren Zenit überschritten, und auch die gerade erst aufkeimende Gestensteuerung dürfte schon bald wieder zum alten Eisen können. Der neueste Schrei heißt "Hologramm-Technik": Tasten und Schalter werden in der BMW-Studie quasi in der Luft schwebend in den Raum projiziert und müssen nur virtuell berührt werden.
Außerdem sind sich alle Hersteller bewusst, dass die Fülle an Funktionen auf ein vernünftiges Maß reduziert werden muss. Der Daimler-Konzern arbeitet dazu zum Beispiel an einer Technik, die vorhersieht, welche Tasten und Schalter als nächstes benötigt werden und nur noch die relevanten Funktionen einblendet. So etwas Ähnliches versucht auch VW: Die Eyetracking-Technik erkennt, wo der Benutzer hinschaut und blendet erst dann Informationen auf einen Bildschirm ein, wenn der Blick dort hin fällt.
In Zukunft soll aber nicht nur das Auto überwacht werden, sondern gleich der ganze Fahrer: Sensoren im Lenkrad messen etwa den Puls und mit einer speziellen Weste sollen Vielfahrer vor medizinischen Notfällen geschützt werden. Solche Kleidungsstücke könnten Anzeichen auch eines Herzinfarkts erkennen und den Fahrer warnen oder direkt einen Notruf absetzen. Eine Funktion, die wie der Airbag Leben retten kann – die man aber in der Praxis hoffentlich nie braucht.