Kurzfassung
Aktive Fahrwerke haben sich bereits etabliert und sind in vielen Fahrzeugen zu finden. ZF geht mit Flying Carpet 2.0 noch einen Schritt weiter und kombiniert adaptive Dämpfer mit aktiver Lenkung, aktiven Bremsen sowie Vernetzung.
Wenn Autos in Zukunft autonom fahren können, wird sich das Fahrwerk des Autos wandeln müssen. Denn bei Personen, die entgegen der Fahrtrichtung sitzen oder mit Lesen beschäftigt sind, stört jede Erschütterung und kann für Übelkeit sorgen. Die Hersteller von Fahrwerken tüfteln deshalb schon seit geraumer Zeit daran, Fahrwerke so zu konzipieren, dass sie vorausschauend Unebenheiten auf der Fahrbahn erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten können. Die Insassen des Autos sollen davon so wenig wie möglich mitbekommen. "Mit der Entwicklung hin zum voll automatisierten und autonomen Fahren kommt dem Fahrwerk eine Schlüsselrolle zu", erklärt Christoph Elbers, Vice President Car Chassis Technology Development bei ZF.
Vorausschauend reagieren
Erste Ansätze gibt es schon mit adaptiven Dämpfern, die auf Knopfdruck oder automatisch die Härte anpassen und sich so der Fahrbahn oder den Fahrgegebenheiten anpassen können. Bei Mercedes-Benz ist das System "Magic Body Control" in der S-Klasse beispielsweise in der Lage, mithilfe von Stereokameras Fahrbahnunebenheiten im Vorfeld zu erkennen und die Dämpfer rechtzeitig anzupassen. Verschiedene Zulieferer wie Tenneco oder ZF haben solche Systeme im Angebot. ZF geht mit dem neuen System "Flying Carpet 2.0" nun noch einen Schritt weiter. Zusätzlich zu einem aktiven Dämpfungssystem kommen hier noch aktive Bremsen und ein aktives Lenksystem zum Einsatz, die mit Sensorik und Steuerungsalgorithmen ausgestattet sind. Das Fahrwerk ist somit in der Lage, Fahrzeugbewegungen, Kurven, Bodenwellen oder Schlaglöcher vorausschauend zu erkennen und darauf zu reagieren - ideale Bedingungen für autonom fahrende oder voll automatisierte Fahrzeuge.
Mit Flying Carpet 2.0 können alle Längs-, Quer- und Vertikalbewegungen des Fahrzeugs vollständig kontrolliert werden. Herzstück der Technik sind die vollaktiven Dämpfer SMotion, die dank vier Aktuatoren das Ein- und Ausfedern aktiv für jedes einzelne Rad steuern können. Auch eine aktive Hinterachslenkung ("Active Kinematics Control") ist integriert, die das Manövrieren bei geringen Geschwindigkeiten vereinfacht oder bei hohen Geschwindigkeiten die Richtungsstabilität erhöht. Ergänzt durch eine Steer-by-Wire-Servolenkung und ein aktives Bremssystem (Integrated Brake Control) soll der Verbund in Kombination mit dem Steuerungssystem "CubiX" (siehe Kasten) die optimale Reaktion auf jede Fahrsituation liefern. Das System ist skalierbar und modular ausgelegt und soll sich dadurch an die Bedürfnisse der Autohersteller anpassen lassen.
Die Software wird noch wichtiger
Software wird für ZF in Zukunft einer der größten Einflussfaktoren für die Entwicklung von Fahrzeugsystemen sein, um höhere Automatisierungsgrade zu realisieren. In Zusammenarbeit mit Microsoft möchte der Konzern die Softwareimplementierung und -bereitstellung deutlich beschleunigen. Ein erstes Projekt ist "CubiX", das auch beim Fahrwerksystem Flying Carpet 2.0 zum Einsatz kommt.Dabei handelt es sich um eine zentrale Software-Komponente, die auf Sensorinformationen des gesamten Fahrzeugs zugreift und sie für eine optimierte Steuerung aktiver Systeme in Fahrwerk, Lenkung, Bremse und Antriebsstrang nutzt. Nach einem herstellerunabhängigen Ansatz wird CubiX sowohl Komponenten von ZF als auch Komponenten von Drittanbietern unterstützen. CubiX schafft vernetzte Fahrwerkfunktionen dank Software. Durch die Verbindung mehrerer Fahrzeugsysteme wie der Elektrolenkung, der aktiven Hinterachslenkung, des aktiven Dämpfungssystems SMotion, der Antriebsstrangsteuerung und der integrierten Bremssteuerung kann das Fahrverhalten zentral optimiert werden. Das erhöht die Performance und auch die Sicherheit.
- Ausgabe 07/08/2020 S.18 (208.0 KB, PDF)