Der erste große Betrugsprozess zur Abgasaffäre bei Volkswagen ist derzeit geprägt von Aussagen mit Erinnerungslücken und Kritik an der Staatsanwaltschaft. Mehrere Verteidiger bemängelten am Dienstag die Weitergabe von Informationen durch die Staatsanwaltschaft. Teils werde spät informiert, teils würden Fragen erst verneint und kurz darauf doch bejaht, sagte ein Rechtsanwalt im Prozess des Braunschweiger Landgerichts. "So können wir doch kein Verfahren führen", sagte er. "Das ist ein Ding der Unmöglichkeit", schloss sich ein Kollege an.
Seit fast einem Jahr wird das Verfahren gegen vier frühere Führungskräfte des Autobauers mit eher schleppendem Fortgang geführt. Den Angeklagten wird unter anderem gewerbs- und bandenmäßiger Betrug mit Täuschungsprogrammen in der Abgassteuerung von Millionen Dieselautos vorgeworfen. Die als "Dieselgate" bezeichneten Manipulationen waren im Herbst 2015 aufgeflogen. Die Hauptverantwortung für den Skandal haben alle Angeklagten in dem Prozess von sich gewiesen.
Als Reaktion auf die Kritik an der Arbeitsweise der Staatsanwaltschaft erneuerte der Vorsitzende Richter Christian Schütz seine Forderung, wesentliche Informationen mit allen Prozessbeteiligten zu teilen. Ähnliche Vorwürfe hatte es im Verlauf des Verfahrens bereits früher gegeben. Ob die Staatsanwaltschaft mit einer Stellungnahme reagieren wird, blieb am Dienstag zunächst offen.
Erinnerungen nicht mehr ganz frisch
Inhaltlich wurde der Prozess mit der Aussage einer Staatsanwältin fortgesetzt, die unter anderem aus einer Zeugenvernehmung im Jahr 2016 berichtete. Die 58-Jährige hatte in dem Jahr als Vernehmungsbeamtin mit einem für Produktsicherheit zuständigen VW-Juristen gesprochen. Sie räumte ein, dass die Erinnerungen acht Jahre nach dieser Vernehmung nicht mehr ganz frisch seien. Anhand von Protokollen gab sie aber einige Gesprächsinhalte wieder, über die der 2016 Befragte auch mit dem früheren VW-Chef Martin Winterkorn gesprochen habe.
Später berichtete die Staatsanwältin auch aus Befragungen eines VW-Mitarbeiters, der sich mit Zulassungsfragen beschäftigte. Dieser soll unter anderem von einem minutenlangen Wutausbruch Winterkorns nach der Notice of Violation, also der Bekanntmachung der Verstöße durch US-Behörden, am 18. September 2015 berichtet haben. Winterkorn sei demnach aufgebracht darüber gewesen, nicht informiert worden zu sein. Am 23. September 2015 trat Winterkorn als Vorstandschef ab. Der frühere Konzernchef hatte in der Vergangenheit die Manipulation bei Volkswagen eingeräumt, eine eigene Verantwortung aber stets vereint.
Schilderungen wie die des Zeugen zur Abgasaffäre bei VW gibt es allerdings derzeit oft nur aus zweiter Hand. Da ein Großteil der als maßgeblich geltenden Zeugen zuletzt von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machten, sollen einzelne Strafverfolger aus wichtigen eigenen Zeugenvernehmungen berichten. Da diese mittlerweile teils mehrere Jahre zurückliegen, sind Erinnerungslücken aktuell allgegenwärtig im Prozess. An diesem Mittwoch (9.00 Uhr) soll das Verfahren fortgesetzt werden. Insgesamt sind Termine bis in den Januar 2024 anberaumt.