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VW-Skandal & Co.: Debatten nach Dieselgate

21.01.2016 11:00 Uhr

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Nun soll es ab dem 25. Januar in den VW-Partnerbetrieben losgehen: Dann startet der vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordnete Megarückruf der rund 2,4 Millionen Fahrzeuge mit dem in die Schlagzeilen geratenen EA189-Selbstzünder. Eine technische Offensive gegen den Defeat Device.

Wie der Wolfsburger Autobauer Ende Dezember mitteilen ließ, habe das KBA die konkreten Maßnahmen intensiv geprüft und vollumfänglich bestätigt. Demnach steht die Agenda für die betroffenen Autos mit den europäischen 1.2, 1.6 und 2.0 TDI, die zwischen 2008 und 2015 vom Band rollten. In Zahlen: 1,54 Millionen VW und VW Nutzfahrzeuge, 532.000 Audi, 104.000 Seat und 287.000 Skoda. Deren Halter sollen nach einem gewissen Rhythmus einen frei zu wählenden VW-Partnerbetrieb aufsuchen. Wellenartig - das trifft das Prozedere am besten. Zunächst kommen die 2.0 TDI in den Genuss ihres Software-Updates, was innerhalb von einer halben Stunden erledigt sein soll. Gleiches gilt für die 1,2-Liter-Selbstzünder, die dann Ende des zweiten Quartals dieses Jahres an der Reihe sind. Die neu aufgespielte Version der Motorsteuerung zeichnet anschließend für geringere Abgaswerte verantwortlich.

Aufwändiger wird es ab dem dritten Quartal beim 1,6-Liter-Diesel. Neben dem Software-Update müssen die Servicemitarbeiter direkt vor dem Luftmassenmesser einen wenige Cent teuren Strömungsgleichrichter verbauen ( wir berichteten). "Die Umsetzung wird weniger als eine Stunde Arbeitszeit in Anspruch nehmen", hieß es vom VW-Konzern. Danach sollten die gültigen Abgasnormen keine Hürde mehr darstellen.

Mit Auswirkungen auf die Performance? Der VW-Konzern rechnet nicht damit, Leistung und Verbrauch sollen nicht beeinträchtigt werden. "Wir gehen davon aus, dass die technischen Maßnahmen nicht zu Veränderungen an der Charakteristik des Fahrzeugs führen", hatte die Deutsche Presse-Agentur VW-Vertriebschef Jürgen Stackmann dazu zitiert. Somit sollten auch "weitere rückwirkende Maßnahmen auf Restwerte" nicht zum Thema werden.

Händlerverband zufrieden

Grundsätzlich möchte der Autobauer den Rückruf für die Fahrzeughalter so angenehm wie möglich gestalten. Schließlich muss das ramponierte Image der Marke und des Diesels an sich wieder aufpoliert werden. "In diesem Zusammenhang sichert die Marke Volkswagen allen Kunden im Bedarfsfall eine angemessene und kostenfreie Ersatzmobilität zu", so VW.

Unterm Strich hat der Konzern offenbar einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der auch den VW-/Audi-Partnerverband (VAPV) zufriedenstellte. "Dieses aus Sicht und im Sinne unserer Kunden gut abgestimmte Lösungspaket der Marke VW Pkw wird uns dabei stärken, verlorenes Vertrauen unserer Kunden zurückzugewinnen", erklärte Egbert Gogolin, Sprecher Beirat Volkswagen Pkw, in einer Verbandsmitteilung, die unserem Schwestermagazin AUTOHAUS vorliegt. Die Interessen der Händler würden durch folgende Prämissen gewahrt: eine adäquate Vergütung, ein umfassendes Mobilitätskonzept, ein geringer Zeitbedarf, eine individuelle Aktionsplanung, eine vielseitige Prozesserleichterung, qualitativ hochwertige technische Lösungen, ein geringer Ressourcenbedarf und ein Motivationspaket für die Serviceberater.

Doch in den Debatten rund um Dieselgate ging es landauf, landab nicht nur um die beschriebenen technischen Maßnahmen. Die Gemüter kochten auch bei der Offenlegung der Softwarecodes seitens der Autohersteller, den künftigen europäischen Typgenehmigungsverfahren sowie der Abgasuntersuchung (AU) hoch.

Irrtümer rund um die AU

"Wieso wurde die Schummelsoftware bei der kürzlich erfolgten AU nicht erkannt?" So lautete eine gerne geäußerte Endverbraucher-Frage. Das argumentative Durcheinander rund um den Dieselskandal ist auch Gerhard Müller nicht verborgen geblieben. "Die drei größten Irrtümer waren: Die AU muss erhöhte CO2-Werte und erhöhte NOx-Werte sowie eine manipulierte Software erkennen", erklärte der Leiter Politik und Wirtschaft bei der TÜV SÜD Auto Service GmbH im Interview mit asp AUTO SERVICE PRAXIS ( siehe Seite 16). Doch im Gegensatz zu einer Typgenehmigungsprüfung auf dem Rollenprüfstand im Labor stelle die wiederkehrende AU eine verhältnismäßig einfache, schnelle und kostengünstige Überprüfung des Abgassystems dar.

Müller: "Eine Verifizierung der im Rahmen der Fahrzeugtypprüfung sehr aufwändig ermittelten dynamischen Abgas- und Verbrauchswerte ist mit der stationären und lastfreien AU natürlich nicht möglich." Interessant: Es mehrten sich die Stimmen, auch das AU-Prozedere zu verändern. Sowohl die Prüforganisationen als auch Verbände wie der ZDK und bekanntlich der ASA wünschen sich ein generelles Comeback der Endrohrmessung. Den blinden Glauben an OBD und Software

scheint der Dieselskandal nachhaltig erschüttert zu haben. "Die Welt hat sich verändert", sagte diesbezüglich ASA-Vizepräsident Harald Hahn anlässlich eines Pressegesprächs.

Gegenwind beim WLTP

Zahlreiche Argumente tauschte die Branche auch über das europäische Typgenehmigungsverfahren aus. Obwohl bis zu Dieselgate der Fahrplan eigentlich ziemlich klar war. Voraussichtlich im September 2017 sollte Euro 6c dann Euro 6b ablösen. Zwar ohne Grenzwertverschärfungen, aber mit dem neuen, weltweit geltenden Prüfzyklus WLTP. Die sperrige Originalbezeichnung heißt: Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure. Sie soll in Kombination mit RDE-Messungen (Real Driving Emissions) auf die Straße kommen.

Im Gegensatz zum NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) möchte man mit dem WLTP verschiedene fahrzeugspezifische Details berücksichtigen und eine bessere Vergleichbarkeit sowie mehr Praxisnähe erreichen - ohne sich von der Wiederholbarkeit und Konformität des Messverfahrens zu verabschieden. Zwar ist der WLTP dank eines Plus an Beschleunigungs- und Bremsvorgängen wesentlich dynamischer, es handelt sich aber immer noch um einen Prüfstandstest. Ungünstig bei Schadstoffen wie die im VW-Skandal berühmt gewordenen NOx. Diese lassen sich nur unter realistischen Fahrbedingungen ermitteln. Gerade deshalb soll auch künftig während der RDE-Fahrt die Stunde der portablen Messsysteme, kurz PEMS, schlagen. Schummeleien mit Defeat Devices sind dann nicht mehr möglich.

Doch es gibt Gegenwind aus der EU. Eigentlich hatte sich der Technische Ausschuss von EU-Kommission und Mitgliedstaaten am 28. Oktober auf neue Vorgaben für die Abgastests verständigt. Und auf zwei Schritte. Zunächst war in puncto NOx eine Übergangsphase vorgesehen, in der die Stickoxide um das 2,1-Fache über dem Laborwert hätten liegen dürfen. Ab dem 1. Januar 2020 für neue Fahrzeugtypen und ab dem 1. Januar 2021 für alle Neuzulassungen wäre es dann nur noch erlaubt gewesen, dass der gemessene NOx-Ausstoß den Laborwert um das 1,5-Fache übersteigt.

Die Betonung liegt auf wäre. Denn in Straßburg regte sich Widerstand. Zu lax seien die Übergangswerte, so der Vorwurf. Deshalb votierte der Umweltausschuss Mitte Dezember gegen das neue Testverfahren. Sozialisten, Grünen, Liberalen und Linken ging das Ganze offenbar nicht weit genug. Eine deutliche Schlappe für die europäischen Autohersteller. Doch wie geht es jetzt weiter? Sollte sich das Europäische Parlament in seiner Plenarsitzung, die vom 18. bis 21. Januar in Straßburg stattfindet, diesem Votum anschließen, wären die Pläne erst einmal hinfällig.

Vorschlag der Umweltverbände

Was das Typzulassungsverfahren anbelangt, waren auch fünf Umweltverbände nicht untätig. So formulierten NABU, Greenpeace & Co. ein eigenes Konzept. Ihr Fokus: die Messung von realen Emissionen. Demnach plädierten auch die Umweltverbände dafür, die Luftschadstoff- und CO2-Emissionen in Form von RDE und anhand von PEMS zu erfassen. Und weiter: "Hersteller versichern mit Inverkehrbringen ihrer Fahrzeuge, dass diese alle gesetzlichen Vorgaben im Realbetrieb auf der Straße einhalten (Herstellererklärung)", hieß es in dem Positionspapier.

Ferner sollte eine geeignete, unabhängige Behörde bei denen am Markt befindlichen Autos Kontrollmessungen auf der Straße veranlassen - durch unabhängige Prüfinstitutionen. Darüber hinaus forderten die Verbände wirksame Sanktionen bei Verstößen gegen die Herstellererklärung, eine Gebühr zur Finanzierung der geeigneten Zahl an Kontrollmessungen, die bei der Erstzulassung jedes Autos fällig wird, eine öffentliche und kostenlose Datenbank mit sämtlichen Fahrzeugtestdaten sowie die Überprüfung der Zulassungsbehörden und Prüfinstitute seitens der EU-Kommission - mit eigenen Messungen.

Die Debatten werden zunächst nicht aufhören, auch wenn der VW-Rückruf ab Januar läuft.

Aktuelle Infos zum VW-Skandal finden Sie unter autoservicepraxis.de.

Kurzfassung

Von den VW-Partnern hängt in diesem Jahr viel ab. Ende Januar sollen die ersten Fahrzeuge mit dem in die Schlagzeilen geratenen EA189 in die VW-Werkstätten rollen - zunächst die 2.0 TDI, dann die 1.2 TDI, ab dem dritten Quartal die 1.6 TDI.

Fünf Fragen zur Abgasuntersuchung ()

asp: Seit dem sogenannten VW-Dieselgate ist das Thema Abgase in aller Munde. Bitte stellen Sie die drei größten Irrtümer zur AU, die Sie in den vergangenen Wochen gehört haben, richtig.G. Müller: Die drei größten Irrtümer waren: Die AU muss erhöhte CO2-Werte und erhöhte NOx-Werte sowie eine manipulierte Software erkennen. Im Gegensatz zu einer Typgenehmigungsprüfung auf einem Rollenprüfstand im Labor stellt die wiederkehrende AU aber eine verhältnismäßig einfache, schnelle und kostengünstige Überprüfung des Abgassystems dar. Dabei werden die schadstoffrelevanten Bauteile respektive die Abgasanlage auf Zustand, Auffälligkeiten, auf deren Ausführung sowie Zulässigkeit geprüft. Bekanntlich erfolgt eine Sichtprüfung, die im stationären Modus teilweise durch Messung weniger Schadstoffkomponenten am Auspuff unterstützt wird. Bei Fahrzeugen ab Erstzulassung 2006 findet in der Regel nur noch ein Auslesen des Fehlerspeichers der bordeigenen Diagnosesysteme statt, die Endrohrmessung entfällt gänzlich. Eine Verifizierung der im Rahmen der Fahrzeugtypprüfung sehr aufwändig ermittelten dynamischen Abgas- und Verbrauchswerte ist mit der stationären und lastfreien AU natürlich nicht möglich.asp: Drei Irrtümer, die den einen oder anderen Werkstattkunden in puncto AU verunsichern könnten. Was sind die richtigen Argumente für diese Art von Gespräch?G. Müller: Die heutige AU, die jedes Jahr millionenfach durchgeführt wird, ist grundsätzlich geeignet, um grobe Schäden oder Funktionsstörungen, etwa einen Verschleiß, am Abgasreinigungssystem festzustellen.asp: In der medialen Berichterstattung zum VW-Skandal ist auch die AU in die Kritik geraten, obwohl hier Stickoxide gar nicht gemessen werden. Wird sich die AU Ihrer Meinung nach verändern?G. Müller: Um kurzfristig im Rahmen der wiederkehrenden AU eine zuverlässigere Aussage über das Abgasverhalten und eventuell vorhandene Manipulationen treffen zu können, ist eine Modernisierung der Abgasuntersuchung und Anpassung an den aktuellen Stand der Fahrzeug- und Abgasreinigungstechnik erforderlich. Entsprechende Vorschläge hierzu, wie die verbindliche Endrohrmessung bei allen Fahrzeugen oder ein Absenken der zulässigen Grenzwerte für moderne Fahrzeuge, wurden bereits von den Prüforganisationen gemacht.asp: Neben den Prüforganisationen plädieren auch Verbände wie der ZDK und der ASA für das Comeback der Endrohrmessung. Wie ist Ihre persönliche Meinung dazu?G. Müller: Verschiedene nationale und internationale Studien haben gezeigt, dass bei der AU die generelle Kombination beider Verfahren, OBD-Check und Endrohrmessung, verbunden mit der Absenkung der zulässigen Grenzwerte die effizienteste Methode darstellt, um bei dem aktuellen Fahrzeugbestand zuverlässig Schäden oder Funktionsstörungen am Abgasreinigungssystem beziehungsweise Manipulationen festzustellen. Für zukünftige Fahrzeuggenerationen, sprich ab Euro 6, erscheint es erforderlich, weitere Anpassungen bei der AU vorzunehmen, beispielsweise die Messung von NOx oder der Partikelanzahl.asp: Ist dies realistisch?G. Müller: Mittelfristig ist es sicherlich sinnvoll, auch den Ausstoß der Stickoxide oder bei Benzin-Direkteinspritzern und modernen Dieselfahrzeugen der Partikelanzahl regelmäßig zu überprüfen. Hierfür müssten aber erst noch valide Prüfverfahren entwickelt werden. Entsprechende Untersuchungen hierzu wurden bereits von verschiedenen Seiten gestartet.asp: Herr Müller, vielen Dank für die interessanten Einblicke!Interview: Patrick NeumannGerhard Müller, Leiter Politik und Wirtschaft bei der TÜV SÜD Auto Service GmbH

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