Man sollte meinen, dass die Werkstatt-Ausrüstung einer Young- und Oldtimer-Werkstatt sich nicht wesentlich von der einer für moderne Fahrzeuge unterscheidet. "Doch weit gefehlt", wie Peter Götzinger, Materialexperte aus Freising, weiß. "Es gibt deutliche Unterschiede, die der alten Technik geschuldet sind. Sie beginnen bereits bei den Handwerkzeugen, da im Old- & Youngtimer-Bereich die Handarbeit an den Fahrzeugen überwiegt." So sind für ein qualitativ hochwertiges Reparatur- und Restaurierungsergebnis hochwertige Handwerkzeuge eine wichtige Grundvoraussetzung. Bei ihrer Anschaffung ist deshalb stets auf beste Qualität und Passgenauigkeit zu achten. Maßgeblich für ihre Anschaffung ist auch, dass eine klare Vorstellung davon besteht, für welche Fahrzeuge die Werkzeuge hauptsächlich benötigt werden. Da die Verschraubungen der meisten klassischen europäischen Fahrzeuge sich bereits in der Vergangenheit an den noch heute gültigen DIN-Normen für metrische Maße orientierten, sind hier metrische Werkzeuge meist völlig ausreichend. Dennoch kann es Abweichungen geben. Sie betreffen vor allem die Häufigkeit der Schlüsselweiten. "Sind heute 8-, 10-, 13-, 16-, 17- und 21-Schlüssel sehr verbreitet, wurden bei Oldtimern auch gerne 7-, 14-, 15- oder 20-Weiten verwendet", sagt Peter Götzinger. "Doch auch hiervon wich man damals im Fahrzeugbau teilweise erheblich ab, vor allem bei Passschrauben. So sind bei Oldtimern oft Vierkantschrauben und -muttern verbaut. Da nutzt dann auch ein hochwertiger Sechskant-Steckschlüsseleinsatz nichts."
Darüber hinaus gibt es Ausnahmen bei englischen oder amerikanischen Oldoder Youngtimern. Sie wurden damals bevorzugt mit zölligen Verschraubungen ausgerüstet. Wer hier unsicher ist, welche Schlüssel für die jeweiligen Klassiker benötigt werden, kann sich entweder an die Servicemitarbeiter der Werkzeughersteller wenden oder man versucht die Größen und ihre Verwendungshäufigkeit aus alten Werkstatthandbüchern zu eruieren.
Eigeninitiative gefragt
"Probleme kann es auch bei Spezialwerkzeugen geben", so Peter Götzinger. "Vieles ist heute schlicht nicht mehr lieferbar. Dann ist Eigeninitiative gefragt. Meist müssen dann solche Werkzeuge nachgefertigt werden." Dies setzt voraus, dass hierfür die nötigen Maschinen und das Wissen um die Beschaffenheit und Maße der Werkzeuge vorhanden sind. Um solchen Problemen auszuweichen, setzen einige Werkstätten daher oft auf so genannte Kombinations- oder Multifunktionswerkzeuge. "Abgesehen von der allseits bewährten Kombizange, sind die meisten aus funktionalen und instrumentellen Gründen völlig ungeeignet", so Peter Götzinger. "Dies liegt einerseits an der unzureichenden ergonomischen Formgebung, die hohe Verletzungsgefahr aufgrund von Funktionshäufungen Fotos: Facom. Marcel Schoch, Castrol auf kleinstem Raum birgt, andererseits am ungenügenden Formschluss, der Materialbeschädigungen am Werkstück verursacht." Kombinationswerkzeuge haben daher an Young- und Oldtimern nichts verloren.
Muss Werkzeug für die Oldtimer-Werkstatt angeschafft werden, sollte bei ihrer Auswahl besonders auf den Werkstoff geachtet werden. "Viele Werkstattbetreiber unterschätzen die Benutzungsfrequenz der Werkzeuge und hohen Belastungen, der diese in der Oldtimer-Werkstatt ausgesetzt sind", sagt Peter Götzinger. "Sie liegt um ein Vielfaches höher als in der modernen Werkstatt. Hier wird nichts geclipst oder gesteckt: Zudem ist alles meist seit Jahrzehnten fest verschraubt und lässt sich entsprechend schwer öffnen." Deshalb sollte stets bei ihrer Anschaffung auf Qualitätsmerkmale wie splitterfrei, bruchfest, passgenau, alterungs-, UV- und chemiebeständig geachtet werden.
Verarbeitung ausschlaggebend
Zu den am besten geeigneten Stahlsorten für Werkzeuge lässt sich jedoch keine spezifische Aussage treffen. "Beim Werkstoff des eigentlichen Handwerkzeugs ergeben sich die Qualitätsunterschiede durch seine Verarbeitung", so Peter Götzinger. "Maßgeblich sind hier die Umformungstemperatur beim Schmieden, die Härtetemperatur sowie die anschließende Wärmebehandlung (Anlassen) der CrV-legierten Stähle. Des Weiteren entscheiden präzise Schmiedegesenke über die Maßhaltigkeit (Formschlüssigkeit) der Werkzeuge.
Neben den Handwerkzeugen werden bei Service und Reparatur an Young- und Oldtimern auch diverse Mess- und Diagnosewerkzeuge benötigt. Als ein wichtiges Beispiel nennt hier Robert Pollner, Mitgeschäftsführer der R&R Kfz-Reparatur GmbH aus Überacker, den Synchrontester für Vergaser. Er wird zu jeder tournusmäßigen Wartung von Vergaser-Fahrzeugen benötigt. "Ohne Synchrontester können die Vergaser nicht genau eingestellt werden", so Robert Pollner. "Denn vor allem bei Mehrzylinder-Motoren mit mehr als einem Vergaser müssen die Unterdrücke in den jeweiligen Ansaugtrakten beim Gasgeben absolut synchron sein, sonst können die einzelnen Zylinder über das gesamte Leistungsband nicht die gleiche Kraft aufbauen und abgeben."
Neben starkem Leistungsverlust, schlechtem Standgas und erheblichen Vibrationen führt dies dann oft wegen ungleichmäßiger mechanischer Belastungen zu Lagerschäden an Kurbelwelle und Pleuel. Wer einen Synchrontester benötigt, kann heute zwischen analogen und digitalen Geräten auswählen. Robert Pollner: "Die Anwendung eines Synchrontesters will aber gelernt sein. Ohne Gespür für Mechanik und umfangreiches Wissen um die zuweilen komplizierte Vergasertechnik kann sonst mehr Schaden als Nutzen mit diesem Gerät angerichtet werden!" Ähnlich verhält es sich auch bei Zündzeitpunktpistolen, die zum Einstellen von Kontaktzündungen zwingend benötigt werden. Ohne sie ist ein korrektes Einstellen der meist mechanisch gesteuerten Zündungen nicht möglich. "Von Kontaktlampen zur Zündeinstellung rate ich ab", sagt Robert Pollner. "Mit ihnen lässt sich lediglich die Zündung statisch einstellen. Das ist zu ungenau, weil der Zündzeitpunkt bei fliehkraftgeregelten Zündungen nicht genau genug im Standgas eingestellt werden kann." Entsprechende Zündzeitpunktpistolen sind heute noch erhältlich.
Zündzeitpunkt richtig einstellen
Jedoch führt sie nicht mehr jeder Werkstattausrüster im Programm, und wenn, sind es oft billige Geräte aus Fernost. "Solche Geräte verfügen meist nicht über eine Messfunktion des Zündwinkels", ergänzt Robert Pollner. "Mit ihnen kann dann zwar der Zündzeitpunkt im Standgas eingestellt werden, ob jedoch die Zündzeitpunktverstellung korrekt arbeitet, lässt sich nicht feststellen." Bei der Anschaffung ist daher auch auf diese Funktion zu achten.
Unabdingbar ist auch ein umfangreicher Satz an Fühlerlehren. "Es klingt zwar profan, aber ohne Fühlerlehren kann an vielen alten Stoßstangen-Motoren nicht das korrekte Ventilspiel eingestellt werden", so Peter Götzinger. "Obwohl heute noch Fühlerlehren zur Grundausstattung einer Kfz-Werkstatt gehören, liegt das Problem bei Oldtimer-Anwendungen oft an den vielen speziellen Zwischengrößen, die hier benötigt werden." Sie zu beschaffen, kann für den Werkstattbetreiber mitunter eine Herausforderung sein.
Die wenigen hier genannten Beispiele zeigen bereits, mit welchen Hürden ein Werkstattbetreiber rechnen muss, will er das Oldtimer-Geschäft ernsthaft betreiben. Sie können aber nochmals deutlich höher liegen, je tiefer man in die Materie einsteigen möchte. So können zum Beispiel, wenn der Betrieb anstrebt, vollständige Restaurierungen von Fahrzeugen anzubieten, Blechbearbeitungswerkzeuge und -maschinen oder spezielle Dreh- und Fräsmaschinen für die Nachfertigung von Karosserie und Motorteilen notwendig werden. "Die Werkzeuge und Maschinen hierfür sind heute problemlos erhältlich", sagt Peter Götzinger. "Das Problem liegt hier jedoch vielmehr im Wissen, mit diesen fachgerecht umgehen zu können."
Zusatzausbildung sinnvoll
Hier können dann umfangreiche Schulungen der Mitarbeiter notwendig werden, wie sie beispielsweise von der TAK (www.tak.de) oder der Fahrzeugakademie der Handwerkskammer für Unterfranken (www.fahrzeugakademie.de) angeboten werden. "Die Qualifikationsmaßnahmen der Mitarbeiter sollten auch auf die Lehrlinge ausgedehnt werden", ergänzt Robert Pollner noch. "Besonders wenn der Kfz-Betrieb bereits im Bereich Oldtimer-Service Fuß fassen konnte, sollte spätestens dann darüber nachgedacht werden, ob die Lehrlinge noch eine Zusatzausbildung zur 'Fachkraft für historische Fahrzeuge' durchlaufen sollen." Das mühsam erarbeitete Wissen kann so an die nächste Mechaniker-Generation weitergegeben und gesichert werden. Letztlich bedeutet dies auch Zukunftsabsicherung für den Betrieb, denn Fachkräfte im Bereich Young- und Oldtimer sind rar. "In kaum einem Bereich des Kfz-Handwerks ist Wissen und Erfahrung so wichtig wie bei der Arbeit an Young- und Oldtimern", so Robert Pollner weiter. "Das betrifft nicht nur den Umgang mit Werkzeug und die handwerklichen Fähigkeiten, sondern auch die Kenntnis, wer in der Szene welche Dienstleistungen anbietet." Vor allem Letzteres kann bei der Suche nach seltenen Ersatzteilen, aber auch nach technischen Daten entscheidend sein, ob ein Auftrag für einen Service, eine Reparatur oder Restaurierung angenommen werden kann oder nicht.
Kompetenz zeigen
Zuletzt hängt vom Wissen auch ab, welche Nebengeschäfte der Betrieb noch zusätzlich generieren kann. So können je nach Spezialisierung und Marken von "Klassik"-Motor- oder Getriebeöl, über Oldtimer-Batterien bis hin zu Pflegemittel und speziellen Ersatzteilen, zahlreiche Produkte angeboten werden. "Solche Dinge dürfen in der Oldtimer-Werkstatt keinesfalls fehlen", weiß Robert Pollner. "denn Oldtimer-Kunden erwarten diese Zusatzangebote und werten sie als Zeichen hoher Kompetenz der Werkstatt."
Die Ausrüstung einer modernen Oldtimer-Werkstatt wird nie vollständig sein. Zu weit gefächert sind die Oldtimer-Szene und die Technik der Fahrzeuge. Umso wichtiger ist es, genau zu wissen, was man wirklich benötigt - oder wie Peter Götzinger es formuliert: "Nichts bindet Kapital in der Werkstatt nachhaltiger als Werkzeug, das man nicht braucht oder das schlecht ist!"
Kurzfassung
Mit modernen Diagnosegeräten, Torx- und Innensechskantschlüsseln steht man bei Service, Reparatur und Restaurierung von Young- und Oldtimern auf verlorenem Posten. Wer fachgerecht, kommerziell erfolgreich und qualitativ hochwertig arbeiten möchte, muss deshalb seine Werkstattausrüstung den technischen Anforderungen der klassischen Fahrzeuge anpassen. Worauf es hierbei ankommt, erklären zwei ausgewiesene Oldtimer-Profis.
- Ausgabe 02/2016 Seite 18 (431.8 KB, PDF)