Von Alexander Junk/asp AUTO SERVICE PRAXIS
Airbag ist der Lebensretter schlechthin: Man schätzt, dass sich in den mehr als 30 Jahren seines Bestehens Zehntausende Unfalltote haben vermeiden lassen. Mittlerweile gibt es in modernen Fahrzeugen über 20 so genannte "pyrotechnische Rückhaltesyste", darunter neben dem Fahrerairbag den Knieairbag, Kopfairbag oder Vorhangairbag, um Fahrzeuginsassen bei verschiedenen Unfällen effektiv zu schützen.
Umso tragischer, wenn der Airbag selbst für den Tod von Menschenleben verantwortlich ist. So geschehen bei Airbags des japanischen Herstellers Takata, die in vielen Fahrzeugen zu finden sind. Beim Auslösen der Airbags flogen Metallteile wie Schrapnelle durch den Innenraum des Autos und führten alleine in den USA zu mehr als einem Dutzend Todesfällen und Hunderten Schwerverletzten.
Erhöhte Sprengkraft
Doch wie kam es dazu? Im Allianz Zentrum für Technik (AZT) und der Gesellschaft für Werkstoffprüfung (GWP) in Zorneding wurde in einem Vortrag über den Takata-Fall von Stefan Loibl (GWP) genau erklärt, was die Ursache für das Airbagversagen war. Im Auftrag der Automobilindustrie untersuchte die GWP, warum Takata-Airbags anstatt Menschenleben zu retten, Menschenleben kosteten.
In vorausgegangenen Untersuchungen hatte sich gezeigt, dass tödliche Unfälle mit Takata-Airbags vor allem in Regionen auftraten, in denen das Klima heiß und vor allem sehr feucht ist, beispielsweise in Malaysia oder Florida. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Airbags alle schon mindestens sieben Jahre alt waren, bevor es zu dieser Art Unfälle kam. Die Experten hatten deshalb schon früh den Auslösemechanismus des Airbags in Verdacht. Beim Auslösen des Airbags, das in Millisekunden vonstatten geht, spielt sich eine Fülle von Aktivitäten ab: Sensoren des Fahrzeugs müssen zunächst einen Unfall erkennen und die Software entscheidet, welcher Airbag gezündet werden muss. Das Steuergerät schickt nun einen Zündstrom zum Anzünder, der wiederum einen „Booster" zündet. Der Booster hat einzig und allein die Aufgabe, einen Funkenregen zu produzieren, der letztendlich die eigentliche Treibladung des Airbags zündet, die sich im so genannten Gasgenerator befindet. Dort brennt die Ladung kontrolliert ab (man spricht hier nicht von einer Explosion), was schließlich ein heißes Gas produziert, das den Airbag in kürzester Zeit aufbläst. Anschließend muss er ebenso kontrolliert wieder in sich zusammensacken, damit Fahrzeuginsassen beim Aufprall nicht verletzt werden.
Bei den Takata-Airbags musste etwas mit der Treibladung nicht stimmen, denn anstatt "sanft" abzubrennen, erfolgte bei den Unfällen die Reaktion so heftig, dass das Gehäuse des Gasgenerators, das aus Metall besteht, barst und Metallteile wie Schrapnelle durch das Fahrzeug flogen. Die betroffenen Gasgeneratoren wiesen jedoch keine Produktionsfehler auf und hatten auch alle geforderten Qualifizierungsprüfungen bestanden. Das Problem musste also erst nach einem längeren Zeitraum entstehen. Nach zahlreichen Labortests stand die Ursache schließlich fest: Takata hatte im Gegensatz zu anderen Herstellern Ammoniumnitrat-basierte Treibmittel verwendet. Diese haben die ungünstige Eigenschaft, dass sie unter Hitze und Feuchtigkeitseinwirkung porös werden. Durch diese Porosität verlieren sie jedoch die Fähigkeit, kontrolliert abzubrennen. Die Folge: Das Treibmittel brennt deutlich schneller und heftiger ab, was einen Überdruck im Gehäuse des Gasgenerators erzeugt und ihn schließlich wie eine Granate sprengt.
Loibl ordnete abschließend die aktuelle Situation in unseren Breitengraden ein: Mitteleuropa ist nicht heiß und feucht genug, um mit seinem Klima zu den besonders kritischen Regionen zu zählen. Es ist also nach derzeitigem Stand nicht davon auszugehen, dass von den untersuchten Takata-Airbags eine unmittelbare Gefahr ausgeht. Das KBA prüfe zudem gewissenhaft und ordne im Zweifelsfall einen Rückruf an.