Die Beine unserer automobilen Schätzchen stellen die einzige Verbindung zwischen Fahrzeug und Straße dar und verdienen schon deshalb unsere volle Aufmerksamkeit. Um überall die Verfügbarkeit von Reifen und Rädern sicherzustellen, blieb die dazu erforderliche Normung nicht aus.
Zunehmend in Richtung internationalem Markt unterwegs, einigte sich die Industrie auf zielführende Bezeichnungen und Bauformen sowie auf entsprechende Größen. Der Gesetzgeber hat hierzu eine Reihe von Vorgaben entwickelt, zuerst in der nationalen StVZO, später in den europäischen Regelwerken. Und seit dem 1.10.1998 müssen sogar alle Neureifen bauartgenehmigt sein. Flapsig ausgedrückt heißt das, dass auf allen neuen Reifen seither nicht nur die Größe, die Tragfähigkeit und die Geschwindigkeitseignung sowie die DOT-Nummer zu lesen sein müssen, sondern auch ein entsprechendes Prüfzeichen, nämlich das EU-Zeichen bzw. das ECE-Zeichen deutlich sichtbar sein müssen.
Wobei es schwierig bis unmöglich ist, für Reifen älterer Bauart, die dazugehörige Prüfung durchführen zu können. Werden heute üblicherweise Radialreifen aller Größen sowie durchaus auch Diagonalreifen aus der Großserie natürlich dieser Prüfung und Kennzeichnung unterworfen, haben Hersteller von Reifen mit exotischen Dimensionen wie beispielsweise 160x40 (für einen Delahaye von 1937) oder 820x120 (Reifen für größere Mercedes-Modelle von 1914) keine Chance, eine solche Prüfung zu absolvieren. Praktischerweise hat eine ECE-Regelung darauf Rücksicht genommen und in ihrem Anwendungsbereich Reifen für Oldtimer quasi durch die Hintertür wieder von der Bauartgenehmigungspflicht befreit. Sie gilt also nicht für Reifen, die für Oldtimer bestimmt sind. Und was Oldtimer sind, definiert einerseits der §2 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) und andererseits der §23 der StVZO, der eigentliche "Oldtimer-Paragraf". Dumm nur, dass die genannte Befreiung nur für Pkw formuliert wurde, bei Krafträdern und Nutzfahrzeugen fehlt die Einschränkung in der dafür gültigen ECE-Regelung.
Und noch ein Fallstrick lauert unvermutet. Wer nämlich ein hübsches englisches Großserienmodell mit Baujahr bis Mitte der 60er-Jahre anstatt mit den alten Diagonalreifengrößen mit moderneren (und sichereren) Radialpneus bestücken will, bekommt heute fast nur noch Schlauchlos-Reifen auf dem Markt. Die Engländer haben aber bei ihren billigen Stahlscheiben-Rädern mit der Einführung der sogenannten Sicherheits-Humps sehr lange gezögert, so dass die Reifen ohne Schlauch schlicht keinen sicheren Sitz auf der Felge haben und auch schnell schleichend Luft verlieren. Außerdem kann bei Kurvenfahrt so der Reifen in Richtung Felgenmitte rutschen und dabei schlagartig drucklos werden. Abhilfe verschafft zwar die Montage eines Schlauchs, doch bislang geben nur wenige Reifenhersteller die Verwendung von Schläuchen in Tubeless-Reifen frei. Grund ist die starke Riffelung der Innenseele (gummierte Schicht, welche die Luftdichtheit des Reifens erst herstellt) von Schlauchlosreifen, welche den Schlauch meist schon nach kurzer Verwendung durchscheuert und damit platzen lässt. Oder er rutscht radial auf der Felge, was beim Bremsen fatale Folgen haben kann.
Ein vergleichbares Problem entsteht, wenn man bei den sportlichen Drahtspeichenrädern schlauchlose Reifen montiert. Auch hier ist unbedingt auf die Vorgaben der Hersteller zu achten. Die Classic-Experten von TÜV SÜD halten Umrechnungstabellen für alle möglichen alten Reifen vor, bis weit zurück in die 20er-Jahre und können den meisten Kunden bei der Reifenauswahl, beispielsweise im Rahmen der Erstellung eines Datenblatts für den betreffenden Wagen, behilflich sein.
Kurzfassung
Neue Reifen benötigen eine Bauartgenehmigung und müssen ein spezielles Prüfverfahren durchlaufen. Reifen für historische Pkw sind von der Bauartgenehmigungspflicht befreit. Bei der Verwendung alter Reifen ist aber manches zu beachten, sonst droht dem Oldtimer-Liebhaber unterwegs ein Plattfuss.
TÜV SÜD ClassiC
In der Sparte TÜV SÜD ClassiC bündelt die Prüforganisation Dienstleistungen rund um Old- und Youngtimer und bietet umfangreiche Services für Kfz-Betriebe und Classic-Liebhaber. Werkstätten können sich als "TÜV SÜD ClassiC geprüfter Fachbetrieb für historische Fahrzeuge" zertifizieren lassen. Info unterwww.tuev-sued.de/classic
- Ausgabe 05/2017 Seite 40 (649.0 KB, PDF)