Von Benjamin Bessinger/SP-X
Sein erstes Auto hat er noch am Küchentisch aus Obstkisten zusammengeschustert, um damit durchs Wohnzimmer zu flitzen. Doch schon für das zweite hat er einen alten Kühlschrank zerlegt, der von einem Güterzug gefallen ist, sich auf dem Schrottplatz noch acht weitere Freezer und einen 18 PS starken Chevrolet-Motor besorgt und daraus einen Wagen gebaut, mit dem er tagelang durch den heimischen Garten pflügen konnte: Seit Ernie Adams denken kann, denkt er an kaum etwas anderes als an Autos. Und statt sie nur zu fahren, baut er sie gleich selbst.
Schon darin unterscheidet er sich von vielen anderen PS-Fans. Doch was Ernie gar vollends zum Exoten macht, ist das Format seiner Autos. Denn obwohl er mit Leib und Seele Amerikaner ist und über seiner staubigen Farm in Maricopa im US-Staat Arizona natürlich ein Star-Spangeld-Banner weht, ist "big" für ihn überhaupt nicht beautiful. Wo seinen Nachbarn ihre Pick-Ups gar nicht groß genug sein können, hat er sich schon dem Downsizing verschrieben, als "Kleinwagen" in Amerika noch ein Schimpfwort war und Vierzylinder allenfalls in Rasenmäher eingebaut wurden. Nur dass er "Downsizing" ein bisschen anders interpretiert als die Ingenieure in Detroit oder Stuttgart – nämlich wörtlich, und vor allem maßstabsgerecht. Er schrumpft nicht nur die Motoren, sondern die ganzen Autos und hat in seiner Scheune deshalb ein halbes Dutzend liebevoller Miniatur-Hot Rods von Ford, Mercury oder Chevrolet aus den 30er, 40er und 50er Jahren stehen: "Dwarfcars", Zwergenautos nennt er die PS-Petitessen, die er auf den Maßstab 1:2 herunter gerechnet hat.
Während er in seinen Kindertagen noch viel improvisieren musste, arbeitet er heute ein bisschen professioneller. Schließlich hat er nach der Schule eine Mechaniker-Lehre gemacht und seine Werkstatt entsprechend aufgerüstet. Zwar macht er die Skizzen noch von Hand auf Papier und nutzt dabei wenig mehr Technik als ein Lineal, einen Zirkel und einen Bleistift. Aber er dreht und schweißt und dengelt die Bleche wie ein Kunsthandwerker. Er bringt die Autos mit den gekürzten Achsen und den Motoren aus alten Toyota Corolla zum Fahren und sucht so lange auf den Schrottplätzen der Umgebung nach winzigen Felgen und kleinen Scheinwerfern, bis die Kopie dem Original nahe genug kommt.
Musclecar-Minaturen
Und mit viel Geduld und noch mehr Liebe zum Detail friemelt er in die Musclecar-Minaturen sogar komplette Innenräume. Mit jeder Menge Lack und Leder und reichlich blank poliertem Chrom sind die so putzig wie Puppenstuppe. Nur nicht ganz so jugendfrei. Wie es sich für echte Hotrods gehört, sind auch seine Dwarfcars ein bisschen provokant und anzüglich, so dass man nicht jede Grafik aus seinen Cockpits in ein Kinderbuch drucken sollte.
Sittenwächter oder Moralapostel mögen damit ein Problem haben, doch dafür sind die Behörden in Arizona ausgesprochen entgegenkommend. Deshalb haben Adams' Zwerge alle eine offizielle Zulassung. Wenn der Wagenmeister aus dem Lande Liliput mal eben in die Stadt muss, lässt er seinen für US-Verhältnisse ebenfalls ziemlich kleinen Pick-Up die meiste Zeit stehen und nimmt deshalb lieber eines seiner Dwarf-Cars. "Das ist bei uns ein Kinderspiel", sagt Adams und zeigt auf ein Regal mit riesigen Einmachgläsern, aus denen er sonst bei der Arbeit händeweise geröstete Erdnüsse futtert. Darin sammelt er die Quittungen aller Einzelteile, die er für ein neues Auto zusammen kaufen musste, fährt damit am Ende der Arbeiten zum Department of Motor Vehicles und hat eine halbe Stunde später nicht nur den amtlichen Segen, sondern auch seine Nummernschild. Nur dass die leider für seine Dwarfcars eigentlich auch eine Nummer zu groß sind.
Keine Zeit für Fremdfertigung
Zwar spielt Adams damit streng genommen in einer Liga mit Henry Ford oder Walter P. Chrysler. Doch der Versuchung, aus seinem Hobby Geld zu schlagen, ist er noch nicht erlegen. Dabei haben sie ihm schon so ziemlich alle Summen zwischen 5.000 und 500.000 Dollar geboten, wenn er eines seiner Autos verkaufen oder eine Auftragsarbeit annehmen würde. "Aber die Autos sind für mich wie Kinder, die verkauft man nicht", sagt Adams. Und für eine Fremdfertigung hat er schlichtweg keine Zeit.
Schließlich hat er vor ein paar Monaten mal wieder ein Einmachglas geleert und die ersten Quittungen für Auto Nummer Sieben hinein gestopft: Ein wunderbar gechoptes Ford Coupé, das noch rostig und unlackiert auf zwei Böcken in der Werkstatt steht. Auch wenn er dafür noch zwei, drei Jahre braucht und bei der Jungfernfahrt knapp 80 sein wird, denkt Adams gar nicht ans Aufhören. "Das hält jung", sagt der Rentner: "Andere machen Gymnastik, ich baue meine Dwarf-Cars."
Obwohl er ein zutiefst eigensinniger Mensch ist und die Zwergenautos als sein ganz persönliches Hobby betreibt, lässt er sich mittlerweile dabei wenigstens über die Schulter schauen. Nicht ohne Grund hat Adams in der Scheune hinter seinem Haus ein kleines Museum eingerichtet. Doch wer nicht vorher anruft, macht den weiten und einsamen Weg in die staubig-heiße Provinz zwei Stunden südlich von Phoenix wahrscheinlich umsonst. Denn wenn Adams nicht gerade an der Werkbank steht, Bleche biegt und Kabel knipst, ist er die meiste Zeit mit seinen Dwarf-Cars unterwegs. Nicht nur zum Friday-Night-Cruise vor dem örtlichen Burger King. Er tourt mit seinen Zwergenautos durchs ganze Land und besucht ein paar Dutzend Oldtimer-Veranstaltungen im Jahr – natürlich die allermeiste Zeit auf eigener Achse. "Coast to Coast ist damit ein Kinderspiel", prahlt Adams, auch wenn er zugibt, dass es mittlerweile eine arge Plackerei ist: Schließlich wird es mit seinen jetzt auch schon 75 Lenzen nicht eben leichter, seine fast zwei Meter in so eine mobile Miniatur zu falten. Doch er muss nur in die strahlenden Augen der anderen Verkehrsteilnehmer schauen, dann ist ihm das jede Mühe wert. Eines hat Adams ausgerechnet im Mutterland der Straßenkreuzer mit seinen Dwarf Cars in den letzten Jahrzehnten gelernt: "Je kleiner das Auto, desto größer ist die Begeisterung."