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Fahrbericht Citroën Ami: Neue (schöne?) Welt

10.09.2020 09:10 Uhr | Lesezeit: 5 min
Der Citroën Ami ist radikaler Vorreiter des Mobilitätswandels.
© Foto: Dani Heyne

Mobilitätsbedürfnisse ändern sich – angeblich. Vielleicht ist es aber auch die Welt, der Mensch, das Unternehmen und deren Mobilität. Der Citroën Ami ist radikaler Vorreiter des Wandels.

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Von Michael Blumenstein/Autoflotte

Parkplatzbedarf und Fahrspuren schrumpfen. Nicht nur in den aktuellen Zeiten werden Stellflächen umfunktioniert. Das leuchtet nicht nur ein, es ist in vielen Fällen sinnvoll, um Innenstädte lebens- und liebenswerter zu machen. Und der Trend wird anhalten. Davon sind Verkehrsexperten überzeugt. Auch die Automobilindustrie denkt um, damit die Felle nicht davonschwimmen. So sattelt Seat aufs elektrifizierte Moped um, BMW und VW machen das ähnlich. Opel hat die Chance bislang verpasst, den 2020er Fahrradhype für sich zu nutzen. Dabei wäre es so einfach gewesen, denn Fahrrad gehört zur Rüsselsheimer DNA und hätte der Marke gut tun können.

Citroën bringt nun den Ami auf die Straße. Der hat vier Räder und ein festes Dach, das teilverglast ist, um die Sicht zur Ampel zu ermöglichen. Dabei fällt auf, dass ein Rückspiegel fehlt. Zumindest in der getesteten Version ist der erst einmal nicht an Bord. Da der Ami zur Gattung der L6e-BP-Fahrzeuge gehört, braucht er den nicht, wie so vieles anderes. So muss man sich auf zwei kleine Außenspiegel verlassen, die ebenfalls nicht viel Rücksicht preisgeben.

Simpel aber durchdacht

Die harten, weit hinten angebrachten Sitze lassen bei der steil stehende Frontscheibe nicht viel nach oben blicken. Das Glas ermöglicht erst den Ampelblick, ist somit obligatorisch und macht den Innenraum luftig und geräumig. 2,41 Meter misst der Ami in der Länge, 1,39 in der Breite und 1,52 in der Höhe. Abmessungen, die viel ermöglichen und einiges verzeihen. So ist das Querparken möglich und Ordnungshüter verzeihen dem freundlichen Elektriker, der von hinten wie von vorne aussieht, sicherlich einiges. Spätestens wenn zwei Menschen zeitglich einsteigen und sich die Tür auf der Fahrerseite gegenläufig und die andere konventionell öffnen, ist das Grinsen bei allen groß. Denn zum simplen Konzept gehört, dass es eine Türkonstruktion gibt, die auf beiden Seiten passt.

Simpel lautet die Prämisse des Leichtkraftfahrzeugs. Es ist also kein Auto, benötigt daher keine Airbags, kein ESP, kein ABS. Wenn es kracht, soll eine Stahlrohrkonstruktion für Sicherheit sorgen - besser als auf einem Roller allemal - und Wetterschutz gibt es auch. Die Plastikteile innen sind ebenfalls einfach, erscheinen jedoch robust und pflegeleicht. Viel zu drücken und zu gucken gibt es nicht. Die Bedienung ist rudimentär, wie das gesamte Auto. Lüftung, Heizung, Warnblinker, Scheibenwischer, Blinker, Hupe. Nicht einmal einen Lichtschalter gibt es, die LEDs des Ami leuchten immer. Der Ami ist spartanisch. Und das macht ihn nicht nur simpel im Nutzen sondern auch sympathisch. Das Fahrzeug versteht jeder auf Anhieb. Musik gibt es mittels externem Lautsprecher. Ein Platz dafür ist vor dem Tacho, der Geschwindigkeit, gefahrene e-Kilometer und Restreichweite anzeigt.

Apropos Reichweite. 75 Kilometer soll der Ami schaffen. 5,5 kWh speichert der kleine Lithium-Ionen Akku (der rund 60 Kilogramm wiegt) und ist bei völliger Leere angeblich innerhalb von drei Stunden aufgeladen. Der Stecker befindet sich integriert in den rechten Türausschnitt. Das drei Meter lange Kabel wird herausgezogen und in die Steckdose gestöpselt. Adapter sollen das Laden an öffentlichen Ladesäulen ermöglichen, die Ladezeit verkürzt das jedoch nicht. Auf unseren knapp 30 Kilometern in Berlin mit viel Volllastanteil kommen wir auf eine Reichweite von rund 60 Kilometer - wer viel in Tempo-30-Zonen unterwegs ist und damit mehr rekuperiert, wird weiter kommen. Aber auch so - und selbst im kalten Winter - sollten beispielsweise Pflegedienste oder Lieferservice-Fahrende 50 Kilometer weit stromern können.


Citroën Ami (2021)

Citroën Ami (2021) Bildergalerie

Potenzial vorhanden

Leichtkraftautos sind per se nichts Neues. Rund 30.000 dieser Zwerge werden in Europa im Jahr verkauft, viele davon in Frankreich, wo das Fahren ohne Führerschein erlaubt ist. Auch in Deutschland rechnet sich PSA Chancen aus. Denn der Ami ist mit dem Mopedführerschein AM fahrbar. Generell ist das ab einem Alter von 16 Jahren möglich. Mittlerweile haben laut ADAC neun Bundesländer die Regelung, dass AM-Fahrzeuge wie dieser Ami, ab 15 Jahren gefahren werden dürfen - mit Führerschein und Prüfung, versteht sich.

Citroën sieht daher Kaufpotenzial bei Eltern, deren Filius oder Filia sie nicht auf dem Mofa oder Moped sehen möchten, sondern lieber in einer etwas geschützten Atmosphäre. Und auch Auszubildende werden mit dem Ami universeller einsetzbar oder Jugendliche können andere Nebenjobs tätigen. Und diese knattern nicht mit einem Verbrenner durch die Gegend oder schlingern auf einem Zweirad, sondern fahren sauber und sicher im Elektro-Minimal-Auto mit Sympathiegarantie.

Losfahren. Mit 45.

So, Motor starten. Das gelingt mit einem separaten Schlüssel. Einer für die Tür, einer fürs "Zündschloss". Das ist nervig. Einmal drehen und noch einmal drehen. Dann links am Fahrersitz Fahrstufe D oder R drücken und lossummen. Zehn Sekunden gibt Citroën für den Sprint von null bis 45 km/h an. Die Kraft geht an die Vorderräder und in engen Kurven sind die 63 Newtonmeter so viel, dass schonmal das kurveninnere Rad "durchpfeift". Der Wendekreis ist mit gut sieben Metern und viel Kurbellei smartmäßig. Der Federungskomfort ist besser als erwartet, jedoch schlechter als für "längere" Strecken nötig. Dafür ist das Bremsgefühl, das beim knapp 500 Kilogramm leichten Ami ohne Verstärker funktioniert, gut. Benötigt werden die Stopper meist nicht, denn der Ami hat das One-Pedal-Driving an Bord, er bremst sich also über Energierückgewinnung bis zum Stillstand.

6.900 Euro verlangt Citroën für die Basis in Frankreich. Sieben Versionen werden angeboten. Viel Schnickschnack gibt es als Zubehör (Türnetze, Halterungen, Ablagen), wodurch der Ami individueller und praktischer werden soll. Bei unseren westlichen Nachbarn wird diese Art Fahrzeug mit 900 Euro subventioniert. Die Umweltprämie wird es bei uns, wenn der Ami ab Frühjahr 2021 zu haben ist, verständlicherweise nicht geben, vielleicht aber eine Finanzspritze der Kommune.

Ami muss nicht zum TÜV

Wer Leasing bevorzugt, bekommt auch da ein flexibles Angebot. Jedoch könnte gerade der Ami ein Beispiel von Nachhaltigkeit werden. Denn viel kaputt geht an dem Zwerg nicht. Der Ami besteht aus 250 Teilen. In Kenitra, rund 150 Kilometer nördlich von Casablanca, wird er zusammengesetzt. Zum TÜV muss der Ami übrigens nicht. Das kleine Versicherungskennzeichen, wie man es vom Moped kennt, befreit ihn davon. Der Preis für die Versicherung steht noch nicht fest. PSA wird aber aller Voraussicht nach einen Spezialtarif anbieten. Denn eine Nachfrage bei einem Versicherer ergab, dass er regulär durchaus bei 300 Euro liegen könnte.

In Frankreich liegen laut Citroën bereits 1.000 Bestellungen vor. Rund 65 Prozent der Kundinnen und Kunden lassen sich den Zwerg nach Hause liefern - für 250 Euro. Selbstverständlich wird auch ins Büro geliefert, und der Überbringer gibt eine 30 minütige Einweisung. Was auch immer es am Ami 30 Minuten zu erklären geben mag. Willkommen, in einer schönen, neuen Welt.

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