Die Brennstoffzelle hat bereits eine lange Historie – auch im Automobilbau. General Motors zeigte 1966 das erste Brennstoffzellen-Auto, den GM Electrovan. Vom Van-Dasein war bei dieser Version nicht mehr viel übrig, denn hinter den beiden Sitzen befand sich die Brennstoffzellen-Technik, kein Laderaum und schon gar keine weiteren Sitzplätze. Aber aller Anfang ist schwer. Nur dauert der bei der Brennstoffzelle nun mehr 55 Jahre. Ab Mitte der 1990er-Jahre gab es zwar Versuche, die Technologie auf die Straße zu bringen. Doch weder Mercedes noch GM, Ford, Toyota oder Honda blieben am Ball.
Toyota und Honda sowie Hyundai hatten mehr oder minder zeitgleich die ersten Serienfahrzeuge am Start – doch nicht immer für jeden erhältlich. Der erste frei verfügbare Wasserstoffwagen war der Toyota Mirai, das war Ende 2014. Der bis 2019 produzierte Mirai 1 war vor allem eins: "besonders" – nicht nur aus technischer Sicht. Das Erscheinungsbild sprach wenige Menschen an, doch Toyota meinte, dass eine neue Technologie ein neues Design benötigen würde. In sechs Jahren wurden etwa 10.000 Mirai hergestellt.
Einer der Flaschenhälse: extrem teure H2-Tankstellen, die es anfangs lediglich in Großstädten gab. Rund eine Million Euro kostet eine "Zapfstelle" – knapp 126 sind derzeit in Europa aktiv, 91 davon in Deutschland. Forciert wird der Aufbau der Infrastruktur von einem Industrie-Konglomerat. Einer der ersten H2- Großkunden in Deutschland und Europa war der RidePooling-Anbieter CleverShuttle aus Berlin, der in diversen Städten elektrisch und eben brennstoffzellen-elektrisch mit dem Mirai unterwegs war. Mehr als fünf Millionen Kilometer wurden mit 45 Mirai 1 in der Clever-Shuttle-Flotte abgespult. Seit rund einem Jahr gibt es nun den Toyota Mirai der zweiten Generation – den haben wir uns genauer angesehen.
Elegant geworden
Das hässliche Entlein mutierte in Generation zwei fast zum schönen Schwan. Der Toyota Mirai anno 2020 sieht gefällig aus. Nicht unbedingt mit der Kriegsbemalung unseres Testwagens, doch "darunter" ist die schöne Linie (cW-Wert ab 0,29) zu erkennen. Keine Kunst, denn auf fast fünf Metern Länge lassen sich nun mal hübsche Fahrzeuge designen. Mit dem Mirai lässt sich also bedenkenlos beim Kunden vorfahren – unauffällig, aber durchaus auftrittsstark, selbst dann, wenn niemand ahnt, was unter dem Blech steckt. Innen geht es in erster Linie adrett zu. Das Sitzleder der Topversion Advanced ist supergeschmeidig. Semianilinleder heißt die behandelte Tierhaut, die als schmutzunempfindlich und atmungsaktiv gilt. Bei der günstigeren Ausstattungslinie Executive gibt es Kunstleder und beim Mirai, wie die Basisversion (ab 53.700 Euro) heißt, profanen Stoff. Weiche Materialien umspannen die Insassen und etwas Klavierlack soll Glanz bringen.
Die Sitzposition ist auf der Fahrerseite gelungen, da vielfach einstellbar, dafür wurde an der Höhenjustierung auf der Beifahrerseite gespart. Mittlerweile unüblich: knapp 70 Tasten im Cockpit. Da kommt man sich fast vor wie im Flugzeug. Die Nutzung der echten Tasten gelingt in jedem Fall besser als die der berührungsempfindlichen im Infotainmentsystem. Hier verwundert, dass bei einem Highend-Automobil wie dem Mirai mit 12,3-Zoll-Display eine Navi-Grafik auftaucht, die aus einem 15 Jahre alten Corolla stammen könnte. Ähnlich ungelenk wirkt die Sprachbedienung, die ausschließlich exakt erlernte Abläufe versteht, diese aber wenigsten zuverlässig und schnell.
Wenig Platz im Fond Klagen könnten die Fondinsassen – sofern sie der deutschen Durchschnitts-Männergröße (180 cm) oder mehr entsprechen. Drei dürften hintenrein – beim Konjunktiv wird es meistens bleiben. Aufgrund des massiven Mitteltunnels – darunter befindet sich einer der drei Wasserstofftanks, die zusammen 5,6 Kilogramm Wasserstoff speichern (was in etwa 142 Litern entspricht) – ist das Platzangebot eingeengt aber heimelig. Anteil daran hat der Touchscreen in der Mittelarmlehne, der nicht nur Musik steuern kann, sondern auch für Wärme oder Kühle im Fond und an den Sitzen sorgt. Doch ein echtes Chauffeur-Auto ist er eben nicht, trotz des Radstandes von langen 2,92 Metern. Auch, weil aufgrund des Panoramadachs, das sich nicht öffnen lässt, der Kopfraum knapp ausfällt und man sich den (Kopf) beim Einsteigen oft an der eingezogenen Dachlinie andotzt.
Geradezu mickrig wirkt der Kofferraum mit 300 Litern, der Elektromotor und der kleinste der drei Tanks benötigen halt auch Platz. Vom Fahrkomfort her kann der Mirai hingegen alle Insassen überzeugen. Trotz 20-Zoll-Rädern (Serie beim Advanced) gleitet er sanft über die Straße und bügelt vieles weg, was bei anderen Fahrzeugen durchgereicht wird. Agilität besitzt der knapp zwei Tonnen schwere Wagen freilich nicht, womit er übrigens nicht schwerer ist als ein Verbrenner in diesem Segment. Die Zuladung liegt mit höchstens 475 Kilogramm am unteren Ende des "Normalniveaus". Doch Agilität wird überbewertet. Oder kennen Sie jemanden, der "auf der letzten Rille" über die Landstraße pfeffert oder gar auf die Rennstrecke geht?
Toyota Mirai (Fahrbericht)
BildergalerieKräftig, nicht übermotorisiert
Der Mirai wäre in beiden Fällen kein geeigneter Partner. Da fehlen ihm neben dem passenden Chassis-Setup eine fein dosierbare Bremse und ein paar Muskeln. 182 PS leistet der Elektromotor zwischen den Hinterrädern, 300 Newtonmeter stellt er ab Start zur Verfügung. Damit ist man souverän unterwegs. Die Kraft reicht aus, um auf der Autobahn entspannt mit 140 bis 150 km/h mitzumischen und bei Bedarf auf echte 175 zu beschleunigen. Kommen wir zum wahren Vorteil der Wasserstoff-Brennstoffzelle: Der Mirai fühlt sich auf der Langstrecke wohl. Können wir im Stadtverkehr mit etwa einem Kilogramm H2 100 Kilometer weit fahren, sind es bei zuvor genanntem Tempo etwa 1,3 Kilogramm.
Im Mittel liegen wir bei 1,1 Kilogramm Wasserstoff, der mit Umgebungsluft vermischt wird (so entsteht die chemische Reaktion) und keinerlei Emissionen in die Umwelt bläst. Da die angesaugte Luft mittels diverser Filter gereinigt wird, hinterlässt der Mirai seine Umgebung sogar sauberer als er sie vorgefunden hat. Toyota sagt, dass auf 10.000 Fahrkilometern die Menge an Luft gereinigt wird, die ein Mensch in einem Jahr einatmet – im Schnitt 4,7 Millionen Liter. Teurer Kraftstoff? Nicht mehr An den H2-Tankstellen – die ausschließlich mit der H2-Tankkarte genutzt werden können – kostet das Kilogramm Wasserstoff 9,50 Euro, immer und überall. Teuer? Das kann man so und so sehen. 100 Kilometer mit einem "großen" Diesel bedeuten bei Tempo 140 oft sechs bis sieben Liter, womit wir bei den aktuellen Spritpreisen denselben Kostenposten haben – im Stadtverkehr werden es gar mehr. Ein Polestar 2 benötigt bei dem Autobahntempo im Sommer etwa 27 kWh/100 km. Tankt man "draußen", werden – je nach DC-Ladesäule und Tarif – zehn bis 15 Euro fällig, im Büro oder zu Hause sowie im Stadtbetrieb deutlich weniger.
Wasserstoff in Massen
Aber da muss noch die eigene Ladeinfrastruktur als Einmalanschaffung addiert werden. Im Grunde ist der Wasserstoffpreis bei den aktuellen Benzin-, Diesel- und Strompreisen konkurrenzfähig – spiegelt aber derzeit nicht den Preis wider, den die realen Herstellungskosten bedingen würden. Doch mittelfristig soll Wasserstoff nicht nur wirklich grün hergestellt werden, sondern auch in Massen. Australien, Chile und Kasachstan bieten dafür Potenzial (Flächen, Sonne und/oder Wind zur Energiegewinnung) und Experten sagen, dass er "unbegrenzt" zur Verfügung stehen könnte, der Transport mit Wasserstoff-Tankschiffen möglich ist und somit der CO2-Fußabdruck auf ein Minimum sinkt – egal, wie hoch der Verbrauch oder effizient die damit betriebenen Maschinen sind.
Die Effizienz einer Brennstoffzelle im Automobil erreicht jedoch keineswegs die eines batteriebetriebenen Fahrzeugs (zirka 30 zu knapp 70 Prozent) Unumstritten werden in den kommenden Jahren die battriebetriebenen E-Autos weiter an Effizienz zulegen und sich deren Ladezeiten verkürzen. Dennoch hat eine H2-Tankstelle echten Charme. Ladepausen gibt es nicht mehr (in gut fünf Minuten ist vollgetankt), Warteschlangen an den Zapfstellen ebenfalls nicht und die Effizienz (somit die Reichweite) auf der Langstrecke ist heute bereits gut – zur Freude der Vielfahrer, die es vorerst noch geben wird. Von daher ist Technologieoffenheit (mehr denn je) erstrebenswert. Womit wir bei der methanolbetriebenen Brennstoffzelle angekommen sind. Sie existiert bereits und zeigt nicht nur in statischen Anwendungen, dass auch sie funktioniert. Und auch Methanol kann grün hergestellt werden. In Island will die Energiegesellschaft HS Orka mittels Erdwärme grünes Methanol produzieren. Aber das ist eine andere Geschichte.
VIDEO: Autoflotte-Chefredakteur Michael Blumenstein und der Toyota Mirai