Dem Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 gelang vor 40 Jahren, was den meisten seiner V8- und V12-Konkurrenten verwehrt blieb: Die bis dahin schnellste Stuttgarter Luxuslimousine punktete mit potentem Triebwerk und technischen Delikatessen und erreichte so verblüffend hohe Verkaufszahlen. Entscheidend dazu beigetragen hat ein geschickt gestricktes optisches Tarnkleid für den in Tests über 23 Liter Super konsumierenden, 210 kW/286 PS starken V8. Um der Nachfrage gerecht zu werden, musste Mercedes schon kurz nach Marktstart die zunächst vorgesehene Jahresproduktion von 1.000 Fahrzeugen verdoppeln. Am Ende seiner Karriere übertraf der 450 SEL 6.9 sogar seinen Vorgänger, den bis 1972 gut 6.500-mal verkauften 300 SEL 6.3.
Nicht einmal die bis dahin schnellste Limousine, der Jaguar XJ12 L, konnte an dem laut Presse bis zu 235 km/h flotten Mercedes vorbeiziehen. Allein in den Absatzzahlen hatte der englische Zwölfzylinder die Nase vorn, spielte dabei jedoch in einer viel tieferen Prestige- und Preisliga. Mit der von Mercedes annoncierten Beschleunigungszeit von 7,4 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 war der über fünf Meter lange und bis zu 2,4 Tonnen schwere Koloss sogar dem Porsche 911 Targa überlegen.
Eigentlich aber ging es Mercedes gar nicht um bestmögliche Fahrleistungen, diese waren eher ein Nebenprodukt bei der Suche nach maximalem Komfort. Dank eines damals beeindruckend starken Drehmomentmaximums von 549 Nm bei nur 3.000 U/min war nicht nur dramatisch viel Durchzugskraft vorhanden, sondern auch eine sehr direkte Hinterachsübersetzung von 2,65:1 möglich. Das erlaubte niedrige Drehzahlen und damit ein kaum wahrnehmbares Motorgeräusch bei entspanntem Dahingleiten – zu dem die Drei-Gang-Automatik und der vibrationsarm laufende V8 ohnehin animierten. Komfort vom Feinsten bewirkte überdies die serienmäßige hydropneumatische Federung mit Niveauregulierung an Vorder- und Hinterachse.
Rein optisch war der Sechs-Neuner von seinen profaneren S-Klasse-Geschwistern nur durch die breiten Reifen der Dimension 215/70 VR 14 zu differenzieren, denn die damals noch ungewöhnliche Scheinwerfer-Reinigungsanlage gab es optional auch für alle anderen Typen. Überhaupt waren Extras auch beim Sechs-Neuner ein Kapitel für sich. Nach Meinung der Mercedes-Kommunikation ließ die Serienausstattung kaum noch Wünsche offen, waren doch bereits Klimaanlage, Zentralverriegelung und elektrische Fensterheber vom Basispreis umfasst. Dieser betrug anfangs knapp 70.000 Mark und vier Jahre später über 81.000 Mark. So viel wie zwei V8 des Typs 350 SE, mehr als zwei Opel Diplomat V8 und fast so viel wie ein Aston Martin V8.
Mit ABS lieferbar
In Großbritannien dagegen waren die englischen Prestigelimousinen auf Augenhöhe des Sechs-Neuners eingepreist. Der hier wie in den USA und in Arabien besonders begehrt war. Bei Bestellung aller Sonderausstattungen ließ sich der Einstiegspreis des 450 SEL 6.9 leicht um die Hälfte erhöhen – und dies noch ohne Individualisierungen wie sie in der Ultra-Luxusklasse üblich sind.
Auch das Ende der 1970er Jahre revolutionäre ABS-Bremssystem wurde während der Produktionszeit des S-Klasse-Spitzenmodells lieferbar, bei dem die digitale Revolution ansonsten noch keine Rolle gespielt hatte. Im Mai 1980 schickte Mercedes den 450 SEL 6.9 in den Ruhestand. (sp-x)