Der VW Golf hatte es nie leicht und hat es seit einigen Jahren sogar richtig schwer. Vor Jahrzehnten war er zwar der unangefochtene Spitzenreiter, und in der Kompaktklasse kam nur der Opel Kadett an ihn ran. Zudem waren die Erwartungen der Kunden an den Wolfsburger stets extrem hoch. So gelten für viele Langzeit-Kunden der Golf II und der Golf III als die besten Kompaktwagen – zumindest unter jenen aus Wolfsburg.
VW Golf Facelift (2024)
BildergalerieDie Zeiten sind lange vorbei und mit dem Golf VII hatten sich viele Käufer sehr gut arrangieren können. Dann kam Ende 2019 der Golf VIII und das Gemeckere ging los. Gemeckert wurde meist wegen der neuen Bedienung (Touch-Slider), der Menüführung, der Materialqualität und anderen Dingen, die im Golf VII angeblich oder wirklich besser waren. Auch dünnte VW mit dem achten Modell das Motoren- und Getriebe-Angebot aus. Die Vielfalt der vergangenen 40 Jahre (den Golf gibt es zwar seit 1974, aber anfangs ohne Vielfalt) war fast wie weggeblasen, wenngleich die meisten Kompaktmodellen der Konkurrenz noch weniger boten – motor-, antriebs- und ausstattungsseitig. Jetzt kommt nach viereinhalb Jahren das Facelift.
Wir haben bereits im Spätsommer 2023 die ersten Blicke und den ersten Eindruck beim Drinsitzen erhaschen können und dürfen nun darüberschreiben. Anknüpfend an die Vielfalt, fangen wir beim Golf VIII Facelift damit an: sie gibt es noch. Welcher Hersteller sonst hat in der Kompaktklasse klassische Benziner, Mildhybride (48 Volt), Plug-in-Hybride (Stecker) und Diesel mit einem Leistungsspektrum zwischen 115 und 272 PS? Zwar ist nach dem Facelift für rund ein Jahr ausschließlich Frontantrieb zu haben, 2025 sollen aber wieder Allradmodelle und noch mehr Leistung im Angebot sein.
Das Markanteste bei den Antrieben ist sicherlich das Reichweiten-Plus der beiden Plug-in-Hybride (Phev). Golf GTE heißt wieder die Starkversion mit 272 PS, eHybrid die schwächere mit 204 PS. Beide schaffen nach WLTP 100 Kilometer rein elektrisch, denn die Akkukapazität hat sich auf 19,7 kWh (nutzbar) erhöht und damit nahezu verdoppelt. Die Ladeleistung an der Wallbox ist nun dreiphasig bei 11 kW angekommen – gut so. Und an DC-Ladern lassen sich 50 kW aufnehmen, was beim kurzen Raststopp den Akku wieder füllen wird. Ob das den zweiten Frühling der Phevs in der „Post-Förder-Ära“ bedeutet, darf dennoch angezweifelt werden. Für Privatkäufer ist die Doppeltechnik (zu) teuer und oft zu stark motorisiert. Für Dienstwagenfahrer, die nach wie vor mit einem Phev lediglich 0,5 Prozent des Bruttolistenpreises versteuern müssen, dürften diese Halbstromer dennoch wenig Anreiz bieten – da spielen VW Passat und BMW 3er mit Doppelherz eine (ge)wichtigere Rolle.
Funktionsflotten und der Otto-Normal-Verbraucher werden sich auf den 2.0 TDI und die TSI (1.0 und 1.5) mit jeweils 115–150 PS "stürzen". Eine gute Entscheidung, zeigten genau die Motoren auch bislang – egal ob als Mildhybrid oder klassischer Benziner – wie ausreichend diese Leistungsklasse ist. Grundlegendes hat sich bei den Motoren als nicht verändert – oder gar verbessert. Den Golf GTI gibt es auch wieder – ganz klassisch, mit 265 Turbo-PS und 7-Gang-DSG. Leistungsfetischisten müssen sich noch etwas gedulden. Ebenso wie die Allradmodelle, starten 2025 der VW Golf R und der Golf GTI Clubsport.
Gestört haben sich beim Golf VIII und den MQB-Derivaten (Konzern-Geschwister wie Seat Leon, Skoda Octavia und Audi A3) sowie den ID.-Modellen das überall einheitliche Infotainmentsystem. Touchen, Sliden, komplizierte Menüs und unbeleuchtete Felder fanden wenig Anklang bei den Kunden. VW sagt daher, dass das Infotainmentsystem beim Golf-VIII-Facelift neu sei. MIB4 heißt es intern und sieht erst einmal aus wie das alte System (Hardware). Was uns gleich aufgefallen ist: Die Touchslider unter den beiden angebotenen Bildschirmgrößen (10,2- und 12,9-Zoll-Format) sind fortan beleuchtet – das hilft schonmal. Dennoch ist es die schlechtere Lösung im Vergleich zum Drehregler – aber die kostengünstigere.
Die neue Menüstruktur scheint auf den ersten Blick tatsächlich einfacher durchschaubar zu sein. Ganz oben auf dem Bildschirm können die eigenen Favoriten abgelegt werden und sind dort für den Schnellzugriff dauerhaft sichtbar. Das Hauptfeld mit den selbst angeordneten Kacheln (wie bei Smartphones üblich) kann auf Druck auf die "Kachelfelder" oben links geöffnet werden. Ein Swipen auf die nächste Seite ist selbstverständlich weiterhin möglich. Unveränderbar hingegen ist die unterste Darstellungsebene, die beispielsweise den Home-Button beherbergt oder die Klimaeinstellungen anzeigt.
Das Kombiinstrument ist jetzt stets volldigital und bis zu 10,2 Zoll breit. Es gibt jedoch nur zwei Grundansichten – „classic“ und „progressive“ – da wünscht sich manch einer mehr Auswahl. Wie üblich können die Inhalte zwischen den klassischen Tacho-Informationen einigermaßen frei gewählt werden.
An der allgemeinen Ergonomie hat sich nichts verändert. Nach wie vor gehört die des VW Golf auch zum Besten, was es in der Klasse gibt. Die Sitze passen, die Sitzposition ist vielfältig verstellbar, Fensterheber und Spiegelverstellung sind dort platziert wo man es erwartet und deren Funktionen sind sofort ersichtlich. Auch der Stummel-Schalthebel fürs Doppelkupplungsgetriebe gibt keine Fragen auf. Der verwendet Klavierlack drum herum ist allerdings ein Garant für schnelles Verschmutzen und Verkratzen. Die kapazitiven Tasten für diverse Scheinwerferfunktionen sind nach wie vor unwirsch und ein Aktivieren des Standlichts führt mit ziemlicher Sicherheit zum Fehlversuch – mehrmals.
Ob das Einschalten des Standlichts nun IDA, so heißt bei VW die Sprachbedienung, auf Zuruf übernehmen kann, konnten wir noch nicht ausprobieren. IDA soll jedenfalls deutlich besser geworden sein und Sprachbedienungen werden oft als Allheilmittel angepriesen, wenn die Menüstruktur eigentlich doch zu komplex geraten ist. Als Neuheit wird der Park Assist Pro genannt, der es ermöglicht, via Smartphone den Golf einparken zu können. Ein "Pro" wäre indes der, der ohne Hilfsmittel perfekt einparkt – doch die Spezies stirbt langsam aus. Dass das Parksystem ein Plus von 1,2 Metern bei der Fahrzeugbreite (beim Querparken) und ein Plus von einem Meter beim Längsparken benötigt, macht es im Alltag fast unbrauchbar. Beim Golf Variant bedeutet das nämlich, dass die Parklücke mindestens 5,63 Meter lang sein muss und die Lücke beim Querparken mindestens drei Meter Breite benötigt.
Außen hat sich wenig getan. Vier neue Lackierungen sollen ebenso Aufmerksamkeit erregen wie ein auf Wunsch schwarz lackiertes Dach bei den sportiveren Modellen. Eine neue Scheinwerfergrafik soll das Facelift-Modell kennzeichnen – das sieht jedoch nur ein Pro(fi). Bei Bestellung der IQ.Light-Matrixscheinwerfer wird das VW-Logo an der Front beleuchtet – erstmals in Europa, hoffentlich macht das Beispiel keine Schule. Aber BMW fährt ja auch bereits mit einer beleuchteten Niere rum und Skoda hat einen beleuchteten Grill. Alles Auswüchse, wenn echte sinnvolle technische Innovationen auf sich warten lassen. Ob man das Leucht-Logo beim VW Golf auch abstellen kann, wurde nicht kommuniziert. Das Fernlicht dieser Highend-Leuchten soll übrigens bis zu 500 Meter weit in die Nacht strahlen – viel mehr ist gesetzlich auch nicht zulässig.
Anders als beispielsweise bei Opel, gibt es den Golf weiterhin mit vielen Ausstattungslinien. Vier sind es zum Marktstart plus GTE und GTI, die optische und technische Eigenheiten aufweisen. Die Basis heißt einfach Golf. Darüber rangieren Life, Style und R-Line. 2025 folgen der R und der GTI Clubsport und sicherlich auch wieder gut geschnürte Pakete, die als Sondermodell verkauft werden. Allen Golf ab Werk spendiert VW Ausstattungsdetails wieder (oder weiterhin) eine Klimaautomatik, einen Tempomat, die beidseitige Einparkhilfe, die Anbindung an Apple CarPlay und AndroidAuto und LED-Scheinwerfer. Damit dürfte auch klar sein, dass das Faceliftmodell kaum günstiger werden wird als der aktuelle Golf. Wir tippen auf 29.990 Euro brutto und damit rund 700 Euro mehr als bislang für den Golf 1.0 Life (110 PS) fällig werden.
Aufs Fahren sind wir dennoch gespannt. Das wird ab Frühjahr möglich sein und zeigen, ob sich die Detailverbesserungen an den Motoren und das Reichweitenplus bei den Plug-in-Hybriden positiv bemerkbar macht. Wenn nicht, macht es eigentlich nichts. Denn der VW Golf war, ist und wird weiterhin einer der besten Kompaktwagen sein.