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60 Jahre Opel Rekord A/B: Wohlstand für alle

28.11.2023 09:50 Uhr | Lesezeit: 3 min
Opel Rekord Coupé.
© Foto: Opel

Mondäner Lifestyle, den sich Familien leisten konnten, damit avancierte der Opel Rekord A/B vor 60 Jahren zum ersten deutschen Mittelklassemodell in Millionenauflage. In Rüsselsheim wussten sie, was die Bundesbürger wollten. Damals, als US-Präsident Kennedy Deutschland besuchte: einen Mini-Straßenkreuzer.

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Wie sich die Zeiten ändern: Heute sind Kleinwagen wie der Opel Corsa die größten Stars in der Neuzulassungsstatistik. Vor 60 Jahren war es dagegen ein Mini-Straßenkreuzer namens Rekord A, der für die bürgerliche Mitte Wirtschaftswunder-Träume wahr machte und Opel Rekordzahlen bescherte. Fast ein Viertel der deutschen Fahrzeugproduktion trug damals das Markensignet des Blitzes, denn in Rüsselsheim wussten sie besser als in Wolfsburg oder Köln, was karrierehungrige Bundesbürger wollten: Bezahlbare Statussymbole nach neustem amerikanischem Schick. Wer bereits ein trendiges Fertighaus besaß oder gar nach dem Vorbild des frisch inaugurierten Bundeskanzlers Ludwig Erhard im schicken Flachdach-Bungalow wohnte, der wünschte sich ein Fahrzeug in der Auffahrt, nach dem sich alle umschauten.

Glamour für wenig Geld, damit ließ der Opel Rekord A im Stil eines amerikanischen Chevrolet Konkurrenten wie den Ford Taunus 17 M alt aussehen. Und mit optionalem 2,6-Liter-Sechszylinder düpierte er auf Autobahnen sogar Mercedes 200 und „Neue Klasse“-BMW. „Er ragt deutlich in eine höhere Klasse hinein“ und „Stolz auf den stattlichen Wagen“ lauteten die Slogans der Opel-Marketing-Strategen, die 1964 „Ein Jahr Rekord – ein Rekord Jahr“ feierten. Tatsächlich eroberte der glattflächig gezeichnete Rekord in den Verkaufsscharts Platz zwei hinter dem VW Käfer. Wohlstand für alle, dieses Kalkül ging für Opel mit dem Rekord A auf, zumal die Rüsselsheimer gleichzeitig Rekordgewinne erzielten.


Opel Rekord

Opel Rekord A/B Bildergalerie

Der Opel-Produktionsausstoß stieg damals um fast 50 Prozent und der Reingewinn der deutschen Tochter des Detroiter GM-Konzerns um über ein Drittel, denn der Trapezstil im mondänen US-Look erwies sich für den Rekord A und die 1965 folgende Faceliftversion Rekord B als Erfolgsrezept. Nachdem der bieder-konservativ gestaltete Vorgänger Rekord (P2) zu Beginn der 1960er Jahre gegenüber dem avantgardistischen Ford 17 M (P3 „Badewanne“) an Boden verloren hatte, setzte die Rüsselsheimer Mittelklasse auf einen Neu-Anfang, passend zum Modellcode Rekord A.

Während die ersten Supermärkte in Deutschland mit großer Auswahl zu günstigen Preisen den Konsum ankurbelten, präsentierten die Opel-Autohäuser den Rekord A als Protagonisten einer Ära bisher ungekannter Karosserievielfalt: Ob als zwei- und viertürige Limousine, elegantes Coupé, exklusives Cabriolet (geliefert von den Karossiers Autenrieth und Deutsch), familienfreundlicher Kombi „Caravan“ mit zwei Kubikmetern Ladevolumen oder als nutzwertiger Schnelllieferwagen, der Rekord setzte Maßstäbe. „Rekord à la carte“, tönte eine Marketingkampagne, die zugleich ein damals fast einzigartiges Individualisierungsprogramm promotete: „Täglich werden 1400 Rekord-Wagen gebaut. Viele mit Stahlkurbeldach, Scheibenbremsen… in 13 einfarbigen und 15 zweifarbigen Lackierungen, mit Kunststoff- und Lederpolstern. Nur wenige Rekord-Wagen ähneln einander wie ein Ei dem anderen.“


Opel Corsa Facelift (2024)

Opel Corsa Facelift fahrend in Frankfurt mit Fahrer und Cockpitansicht Bildergalerie

Und das alles zu Discount-Preisen ab 6.830 Mark, alle Wettbewerber im damals stattlichen Format von 4,51 Metern Länge waren teurer, Volvo Amazon oder die BMW Neue Klasse sogar um rund 50 Prozent. Tatsächlich übertrumpfte der große Volks-Opel in den Absatzzahlen sogar den gerade erst eingeführten und nur gut 1.000 Mark billigeren Kleinwagen Kadett (A), mehr noch: Am Ende ihrer drei Jahre währenden Bauzeit übersprangen die Rekord-A/B-Typen als erste deutsche Mittelklasse-Reihe die Million-Hürde mit knapp 1,2 Millionen verkauften Einheiten.

Amerikanischer Lifestyle mit Glitter und Glanz war plötzlich kein Privileg der Wohlhabenden mehr, die Welt gesellschaftlich wie politisch im Umbruch. Der jugendlich wirkende US-Präsident John F. Kennedy besuchte 1963 die Bundesrepublik und repräsentierte die Hoffnungen einer neuen fortschrittsgläubigen Generation, der 87 Jahre alte Bundeskanzler Konrad Adenauer überließ sein Amt Ludwig Erhard, dem Vater des deutschen Wirtschaftswunders. Die rebellischen Bands „The Beatles“ und „The Rolling Stones“ wurden von kreischenden Teenies gefeiert, das neue Zweite Deutsche Fernsehen startete seinen Sendebetrieb, natürlich mit einer US-Serie („Drei gute Freunde“) – und Opel musste erklären, warum automobile Moden so rasant wechselten.


Opel Markenausblick

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Schließlich bekam die hessische Mittelklasse spätestens nach zwei bis drei Jahren neue Kleider. Erfolgreich übrigens, denn das Automobil neuster Mode blieb bis in die 1970er populärstes Statussymbol der Deutschen. „Im Sinne des Fortschritts wandeln sich Geschmack und Wünsche“, meinte die Opel-Werbung. „Wir haben darum am Rekord nicht nur da etwas verbessert und dort erneuert, sondern ein ganz neues Automobil gebaut“. Abgesehen davon, dass die Vierzylinder-Motoren des Rekord A konstruktiv von Vorkriegs-Aggregaten abgeleitet waren, stimmte dies weitgehend. Dagegen differenzierte sich der 1965 eingeführte Rekord B vor allem durch ein Facelift mit Rechteck-Scheinwerfern, die den Look des 1966er Rekord C vorwegnahmen.

Als „Familienauto mit Sportwagencharakter“ trug der Rekord B nun allerdings moderne Vierzylinder mit obenliegender Nockenwelle, fünffach gelagerter Kurbelwelle und schräggestellten Ventilen unter der Haube, die bis zu 66 kW/90 PS freisetzten. Damals genug Power, um mit Porsche 912 oder BMW 1800 gleichzuziehen. Obendrein gab es weiterhin den großvolumigen Sechszylinder, dessen 74 kW/100 PS im Rekord B genügten, den frischen Rivalen aus Köln (Ford 20 M TS) zu übertreffen. Das Rekord Coupé-6 konnte sich sogar auf Augenhöhe mit dem damals viel beachteten italienischen Designjuwel Ford Osi oder dem BMW 2000 C halten und einen Hauch Gran-Turismo-Glanz vermitteln, zumal in neu eingeführten edel schimmernden Metallic-Lackierungen.

Wenn Opel heute im Astra das sogenannte LED-Pixel-Licht als klassenbestes Lichtsystem feiert, setzt die Marke damit eine Tradition als Lichtspezialist fort, deren Anfänge vielleicht sogar in Rüsselsheim vergessen sind. Denn es war der Rekord B, der 1965 als erstes bezahlbares Modell mit Breitbandscheinwerfern in Fachkreisen für Furore sorgte, weil er ein „gerichtetes breitflächiges Licht von geringer Blendwirkung“ (Pressemitteilung) bot, das es sonst nur in Premiummodellen gab. Ein Lichtsystem, das auch den 1966 vorgestellten, runderneuerten Rekord C und dessen Premiumderivat Opel Commodore A auszeichnete. Den Rang des meistgekauften Europäers seiner Klasse sicherte aber auch dieser Opel durch amerikanisches Design zu bezahlbaren Preisen.


Opel Astra Electric (2023)

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Welche Faszination der Rekord als Klassiker vermittelt, weiß Nicolas Ziegler von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Während der Rekord C in der Oldtimerszene immer noch zu den beliebtesten Opel-Modellen überhaupt zählt, fristet der Rekord A fast schon ein Schattendasein. Das liegt nicht an seinen technischen Qualitäten, sondern vor allem daran, dass von ihm nur wenige überlebt haben, speziell die Caravan-Versionen wurden im harten Alltagseinsatz regelrecht aufgebraucht. Als viertürige Limousine mit dem 60-PS-Vierzylinder kostet ein Rekord A im guten Zustand etwa 11.000 Euro.“

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