Der VW-Skandal hat Misstrauen gegen den Dieselmotor gesät. Ist der Selbstzünder so sauber, wie er sein soll? Oder stößt er heimlich doch mehr Schadstoffe aus als versprochen? Auch wenn man Stickoxide (NOx) als Privatperson kaum messen kann, gibt es für den Fahrer durchaus Anhaltspunkte für zu hohe Emissionen seines Dieselautos. Zumindest, wenn er ein neueres Modell fährt.
Ist es noch relativ simpel, den realen CO2-Ausstoß seines Autos zu ermitteln, ist das bei NOx ohne aufwendige Messtechnik aussichtslos. Denn der Stickoxid-Ausstoß ergibt sich, anders als der von CO2, nicht direkt aus dem Kraftstoffverbrauch. Während ein Autofahrer also schon durch einen Blick auf den Bordcomputer und ein wenig Kopfrechenaufwand wissen kann, wie viel CO2 sein Wagen in der Realität ausstößt, ist das bei NOx nicht möglich. Dort kommt es nicht auf die Menge der verbrannten Kohlenstoffverbindungen an, sondern auf die Umstände dieser Verbrennung. Große Hitze etwa und Luftüberschuss begünstigen die Entstehung von NOx – Bedingungen, die vor allem im Dieselmotor herrschen.
Aufwändige Abgasreinigung
Das soll durch zahlreiche technische Maßnahmen bereits im Brennraum verhindert werden. Weil das aber seit der verbindlichen Einführung der Abgasnorm Euro 6 im Herbst dieses Jahres meist nicht mehr ausreicht, wird das Abgas vor dem Verlassen des Auspuffs noch aufwendig gereinigt. Dabei setzen viele Hersteller oberhalb der Kleinwagen- oder Kompaktklasse dabei auf den besonders leistungsfähigen SCR-Katalysator. Der reinigt die Abgase durch das Einspritzen von Harnstoff. Die wässrige Lösung – angeboten unter dem Handelsnamen "Adblue" - wird in einem speziellen Tank mitgeführt, der regelmäßig aufgefüllt werden muss.
Ein Liter Adblue soll dabei für 1.000 bis 1.500 Kilometer Fahrt ausreichen – je nach Fahrzeughersteller und Modell weichen die Angaben leicht voneinander ab. Bei einem durchschnittlichen Mittelklasseauto sind rund 17 Liter der Flüssigkeit an Bord, Vorrat für rund 20.000 Kilometer. In der Praxis dürfte man aber eigentlich selten so weit kommen, wie der Buchautor Matthias Knippel ausgerechnet hat. Der Ingenieur hat ein Standardwerk über sogenannte "Altwagen" geschrieben, günstige Autos mit mehr als 20 Jahren auf dem Buckel. Diesel hat er bei den Kaufempfehlungen außen vor gelassen – eben wegen ihres Stickoxidproblems. Durch den aktuellen VW-Skandal sieht er sich darin bestätigt. "Ein Liter Adblue auf 1.000 Kilometern dürfte höchstens bei sehr schonender Fahrt ausreichen, realistischer dürften 1,5 Liter zur optimalen Reinigung sein. Bei scharfer Autobahnfahrt ist noch ein deutlich höherer Bedarf zu erwarten."
Mehr Adblue nötig um Grenzwerte einzuhalten
Soll ein Liter Adblue für 1.000 Kilometer reichen, kann er nach Knippels Rechnung realistisch rund 460 Milligramm NOx pro Kilometer Fahrt unschädlich machen. Weil die Abgasnorm Euro 6 immer noch eine Rest-Emission von 80 Milligramm NOx erlaubt, dürfen im Motor pro Kilometer also 540 Milligramm NOx entstehen. Für realistischer hält Knippel aber bereits bei harmlosem Mischverkehr Werte um die 800 Milligramm und verweist auf hunderte Messungen bei vergleichbaren Euro-5-Autos ohne SCR-Kat. Wer mit Vollgas über die Autobahn fährt, stößt mit Euro-5-Autos auch schon mal 2.000 Milligramm NOx pro Kilometer aus, wie der Ecotest des ADAC nachweist. In einem solchen Fall wären statt einem rund vier Liter Adblue für 1.000 Kilometer Fahrt nötig, um die theoretischen Grenzwerte auch in der Praxis zu halten.
"Verbraucht ein SCR-Pkw ständig, also unabhängig von der Belastung, stur immer einen Liter AdBlue auf 1.000 Kilometer, dann liegt der Verdacht auf einen nicht optimalen Betrieb der Abgasreinigung nahe", sagt Knippel. Wer also ständig mit dem Dienstwagen Vollgas auf der Autobahn fährt, sollte sich wundern, wenn der Adblue-Vorrat immer bis zum nächsten Werkstattbesucht hält. Funktioniert die Abgasreinigung wirklich, müsste schon deutlich früher die Warnleuchte im Armaturenbrett angehen und der Bordcomputer nach neuem Harnstoff verlangen. Das bedeutet dann zwar, dass der SCR-Kat viel stärker rattern muss als vom Hersteller versprochen. Aber eben auch, dass er es überhaupt tut. Alles andere wäre ein Problem. Das hat auch die Deutsche Umwelthilfe erkannt – aktuell führt sie auf ihrer Internetseite eine Umfrage zum realen Adblue-Verbrauch durch. (sp-x)