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Dieselgipfel: Kommunen bekommen weitere 500 Millionen Euro

04.09.2017 14:08 Uhr
Drei Wochen vor der Bundestagswahl sind Maßnahmen gegen zu viele Diesel-Abgase in großen Städten Thema eines Treffens von Bund, Ländern und Kommunen in Berlin.
© Foto: stockpix4u / Fotolia

Viele deutsche Städte stehen unter Druck, weil Dieselautos die Luft verschmutzen. Beim Dieselgipfel wurden ihnen Millionenhilfen in Aussicht gestellt - nun legt der Bund noch einmal eine Schippe drauf.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zusätzliche 500 Millionen Euro für Kommunen in Aussicht gestellt, um die Luftverschmutzung durch Diesel-Abgase zu reduzieren. Das Geld stehe bereits im laufenden Haushalt zur Verfügung, sagte sie am Montag in Berlin nach einem Treffen mit Vertretern von Städten und Bundesländern. Es werde "sofort" eine Koordinierungsstelle von Bundesministerien, Ländern und Kommunen eingerichtet, um über förderfähige Projekte in den Städten beraten zu können.

Weil die Belastung der Luft mit gesundheitsschädlichem Stickoxid in vielen Deutschen Städten zu hoch ist, könnten Gerichte die Politik schon bald zu Fahrverboten erzwingen. Auch die EU macht deswegen Druck auf Deutschland.

Alle seien der Meinung, dass pauschale Fahrverbote für einzelne Antriebsarten oder Fahrzeugtypen verhindert werden sollten, sagte Merkel: "Die Zeit drängt, und wir sind uns alle einig, dass es ein großer Kraftakt ist." Parallel liefen die Gespräche mit der Autobranche weiter, etwa zu Software-Updates für neuere Diesel und Umtauschprämien für ältere Modelle.

Beim Dieselgipfel von Politik und Autobranche Anfang August hatte die Bundesregierung bereits einen Fonds "Nachhaltige Mobilität für die Stadt" angekündigt, der Pläne für einen möglichst abgasarmen Verkehr für 28 besonders belastete Regionen finanzieren soll. Bisher war geplant, dass die Autobranche mit 250 Millionen Euro die Hälfte übernimmt. Insgesamt solle der Fonds nun auf eine Milliarde aufgestockt werden, sagte Merkel.

Außenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagte, die Autobranche könne seiner Ansicht nach "durchaus mehr" als 250 Millionen Euro beitragen. "Was wichtig ist, ist, dass wir die Städte und Gemeinden in Deutschland nicht mit dieser Aufgabe alleine lassen", sagte er, denn diese könnten "am wenigsten" für die aktuelle Lage. Gabriel warnte vor "überzogenen Hoffnungen" in einen schnellen Durchbruch der Elektromobilität bei Privatautos und mahnte, nicht die Potenziale der Verbrennungsmotoren der Zukunft außer Acht zu lassen.

"Vertrauensbruch" des Abgasskandals

Merkel sagte am Sonntagabend im TV-Duell, Umweltvorschriften müssten eingehalten werden. Diese Probleme würde es indes auch geben, wenn es den "Vertrauensbruch" des Abgasskandals nicht gegeben hätte. Die Branche müsse diesen Schaden wieder gut machen. Andererseits müssten aber auch die Arbeitsplätze sicher bleiben und der Wandel zu modernen Antriebstechnologien stattfinden können. Die Kanzlerin betonte, das "wir noch Jahrzehnte Verbrennungsgmotoren brauchen werden".

Schulz sagte, Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge müssten vermieden werden, von denen etwa Handwerker stark getroffen würden. Er forderte erneut die Einführung von Musterklagen, mit denen Verbraucher in solchen Fällen mit vielen Betroffenen bessere Rechte bekämen. Auch Merkel befürwortete "im Grundsatz" solche neuen Klagerechte.

Diskutiert wurde vor dem Treffen auch über eine Erhöhung eines erst Anfang August beim Dieselgipfel mit der Autoindustrie angekündigten Fonds. Hierfür hat der Bund 250 Millionen Euro zugesagt, die gleiche Summe sollen Autohersteller einzahlen. Aus dem Fonds sollen Pläne für saubere Luft in 28 hoch belasteten Regionen entwickelt werden.

Kommunen sollen Fuhrparks nachrüsten

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, nahm die Autoindustrie in die Pflicht. Die Kommunen hätten rund 250.000 Fahrzeuge in ihren Fuhrparks, davon mehr als 90 Prozent mit Dieselmotoren. Diese Dieselfahrzeuge sollten nachgerüstet werden, damit der Ausstoß von Stickoxid (NOx) verringert werden könne, sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Die Autoindustrie ist jetzt gefordert, eine schnelle Umrüstung zu unterstützen."

Kölns Stadtoberhaupt Henriette Reker (parteilos) sagte, Autoindustrie und Bund sollten Maßnahmen für eine geringere Belastung ergreifen. "Das heißt nicht nur eine Software-Lösung, sondern auch eine Hardware-Lösung." Solche Umbauten an Motoren lehnt die Autobranche ab. Anfang August hatten die Autobauer dagegen Software-Updates für neuere Diesel und Umtauschprämien für ältere Modelle zugesagt. Auch Merkel hatte Zweifel an Motorumbauten geäußert.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dagegen hält Umbauten für nötig. Sie rief Autobranche, Städte, Bund und Länder zu gemeinsamen Anstrengungen auf: "Um Fahrverbote zu vermeiden, müssen jetzt alle an einem Strang ziehen." Autobauer müssten "endlich ihre Altfahrzeuge richtig sauber machen", die Kommunen und Länder die Weichen in Richtung Verkehrswende stellen, und der Bund müsse sie unterstützen. "Jedem muss klar sein, dass das nicht mit ein paar symbolischen Euro geht, sondern Milliardeninvestitionen erfordert."

"Für die vielen Städte, die Probleme haben, reichen die 500 Millionen nicht aus", sagte Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) mit Blick auf einen beim Dieselgipfel Anfang August beschlossenen Fördertopf. "Das muss die Bundesregierung aufstocken, mindestens verdoppeln." Zu den wichtigsten Instrumenten für die Zukunft gehöre zudem eine blaue Plakette für Autos mit geringem Schadstoffausstoß. "Wir als Land sind natürlich auch bereit, mitzufinanzieren", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und verwies auf ein Drei-Millionen-Sofortpaket ihres Landes. Von dem Treffen erwarte sie eine Aufstockung des Fonds und Richtlinien für die Verteilung des Geldes - "und zwar noch in diesem Haushaltsjahr, damit das Ganze nicht sozusagen der Bundestagswahl zum Opfer fällt".

"Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit solchen 'Gipfeln' ist man ganz gut beraten, nicht mit übertriebenen Erwartungen hinzufahren, und deshalb tue ich das auch nicht", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag im ARD-"Morgenmagazin". "Ich kann wirklich nicht abschätzen, was seitens der Bundesregierung heute an Zusagen kommen wird." Es führe kein Weg daran vorbei, mehr Geld für diejenigen Städte zur Verfügung zu stellen, die mit erhöhten Stickoxidwerten zu kämpfen haben. "Da bietet es sich an, dass das wiederum von Staat, aber insbesondere auch Automobilindustrie gemeinsam gestemmt werden muss."

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warnte mit Blick auf das Treffen vor einer "Show-Veranstaltung ohne Mehrwert". Die dort anvisierten Maßnahmen würden erst in den nächsten zwei bis fünf Jahren greifen und brächten somit nichts gegen drohende Fahrverbote. "Der Verbrennungsmotor war mal eine coole Erfindung, um die Kutsche abzulösen", sagte Partei-Chef Cem Özdemir. Jetzt sei es an der Zeit, das nächste große Ding auf die Straßen zu bringen. "Ich will dass die Zukunft der Automobilindustrie bei uns in Deutschland entwickelt wird." Die Frage sei doch längst nicht mehr, ob das emissionsfreie Auto komme, sondern wer es entwickele und baue. Vom Diesel-Treffen in Berlin mit Angela Merkel und mehreren Kommunen am Montag forderte er Entscheidungen. "Wer, so wie wir, Fahrverbote verhindern will, der darf sich nicht nur darauf beschränken, dass er schöne Ankündigungen macht, sondern muss heute beschließen." Diesel-Autos müssten auf Kosten der Hersteller nachgerüstet werden.

Stickoxid-Grenzwerte drinnen höher als draußen - Warum?

Stickoxide sind schlecht für Gesundheit und Natur - darum gibt es einen EU-weiten Grenzwert: Im Jahresmittel darf die Belastung im Freien nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen. Immer wieder taucht die Frage auf, warum dann der Grenzwert für manche Arbeitsplätze in Deutschland bei 950 Mikrogramm liege, also um ein Vielfaches höher. Ist der Außen-Grenzwert übertrieben niedrig oder der Arbeitsplatz-Grenzwert viel zu hoch?

Das Umweltbundesamt erläutert es auf seiner Homepage so: Der Luft im Freien seien alle Menschen ausgesetzt - auch Kinder, Schwangere, Senioren oder Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma. Grundlage für die Außen-Grenzwerte seien über Jahrzehnte in Studien beobachtete Auswirkungen.

Arbeitsplatzgrenzwerte (Ableitung aus der Maximalen Arbeitsplatz-Konzentration, MAK) dagegen gelten demnach nur für gesunde Arbeitende an Industriearbeitsplätzen und im Handwerk - acht Stunden täglich und für maximal 40 Stunden pro Woche. Die Arbeitnehmer, die berufsbedingt Schadstoffen ausgesetzt seien, würden zusätzlich arbeitsmedizinisch betreut.

Für Büros und private Räume gelten laut UBA noch einmal andere Werte, nämlich der sogenannte "Richtwert II" in der Innenraumluft von 60 Mikrogramm pro Kubikmeter im Wochenmittel, er kommt noch aus den 1990er Jahren. "Diese höhere Konzentration kann, besonders für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen, eine gesundheitliche Gefährdung sein", schreibt die Behörde. Der Ausschuss für Innenraumrichtwerte AIR strebe daher die Aktualisierung der Bewertung für den Stickoxid-Wert im Innenraum an. (dpa)

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