Hamburg hat sie schon, Aachen drohen sie, und nun sind Diesel-Fahrverbote in Stuttgart wohl kaum noch zu vermeiden. In der grün-schwarzen Landesregierung gilt es als schwierig bis unmöglich, um die ungewollten Sperrungen noch herumzukommen. Wie das konkret aussehen könnte, ist noch unklar. Einen fertigen Plan gibt es dem Vernehmen nach in Baden-Württemberg noch nicht.
Doch die Zeit wird knapp. Noch immer werden in vielen deutschen Städten die Grenzwerte für Stickoxide überschritten, die in großer Menge vor allem Diesel-Autos ausstoßen. Es stellt sich die Frage, wann die nächsten Kommunen zum letzten Mittel greifen müssen. Es wird zunehmend bezweifelt, dass die bisher angeschobenen Maßnahmen für eine schnelle Entlastung sorgen können. Und in diesem Fall lässt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Fahrverbote grundsätzlich zu.
Im Mittelpunkt stehen Software-Updates für Millionen Autos, nach denen die Abgasreinigung besser arbeiten und weniger Schadstoffe aus dem Auspuff kommen sollen. Je nach Lesart bieten die Hersteller diese freiwillig an oder das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat sie angeordnet. Nicht immer ist klar, was illegal ist oder nur die bisher laschen Regeln beim Einhalten von Abgaswerten weitestgehend ausnutzt.
KBA geht von fast einer Million manipulierter Fahrzeuge aus
Das dürfte auch Thema bei einem erneuten Treffen von Daimler-Chef Dieter Zetsche mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Montag in Berlin sein. Wie die "Bild am Sonntag" berichtet, habe das KBA inzwischen fünf 'unzulässige Abschaltfunktionen' bei Modellen von Daimler entdeckt. Die Behörde gehe dem Verdacht nach, dass diese Software-Funktionen in der neueren Diesel-Flotte mit der Abgasnorm Euro-6 zum Einsatz kommen. Fast eine Million Fahrzeuge sollen betroffen seien.
Scheuer soll laut "Spiegel" bereits mit Bußgeldern von bis zu 5.000 Euro je Fahrzeug gedroht haben. Daimler will den Vorwurf der illegalen Abschalteinrichtung nicht hinnehmen und hat in letzter Konsequenz eine rechtliche Auseinandersetzung nicht ausgeschlossen.
Die Verunsicherung der Autofahrer wird auch durch die anhaltende Diskussion um eine technische Nachrüstung vergrößert. Der SWR berichtete, die Landesregierung in Baden-Württemberg plane bei möglichen Fahrverboten Ausnahmen etwa für Pendler und Anwohner - vorausgesetzt, ihre Diesel-Autos würden mit einer Hardware nachgerüstet, um den Stickoxid-Ausstoß zu senken. Regierungssprecher Rudi Hoogvliet sagte dazu der Deutschen Presse-Agentur, es sei noch nicht entschieden, wie man in Sachen Diesel weiter vorgehe. "Wir stehen noch am Anfang der Überlegungen."
Mögliches Fahrverbot ab Januar 2019
In Hamburg haben die Behörden inzwischen ein begrenztes Fahrverbot auf zwei Einzelstrecken durchgesetzt. Aachen muss nach einem Urteil des örtlichen Verwaltungsgerichts ein Diesel-Fahrverbot vorbereiten. Falls die Stadt und das Land Nordrhein-Westfalen bis Ende des Jahres keine gleichwertige Alternative vorlegten, wie die Grenzwerte bei Stickstoffdioxiden eingehalten werden können, müsse zum 1. Januar 2019 ein solches Verbot in Kraft treten.
Der ADAC hatte in Zusammenarbeit mit dem Land Baden-Württemberg die Nachrüstung von Euro-5-Dieseln mit Hardware getestet. Ergebnis: Bei den vier Testfahrzeugen, die mit einem sogenannten SCR-System ausgestattet wurden, lag der Schadstoffausstoß innerorts um bis zu 70, außerorts um bis zu 88 Prozent niedriger. Der Preis für diese technische Nachrüstung wurde mit rund 1.400 bis 3.300 Euro pro Fahrzeug angegeben. Die Autohersteller gehen aber von höheren Kosten aus.
Laut "Spiegel" hat das KBA in Aussicht gestellt, ein erstes Nachrüstset zu genehmigen. Wie das Magazin berichtet, hat die Behörde in einem Schreiben an einen Anbieter solcher SCR-Katalysatoren empfohlen, sich an ein anerkanntes Prüflabor zu wenden. Werde dort nachgewiesen, dass sich durch die Hardwarenachrüstung "das Abgas- und Geräuschverhalten des veränderten Fahrzeugs nicht verschlechtert", sei mit Erteilung einer allgemeinen Betriebserlaubnis zu rechnen.
Stuttgart denkt über Teilung der Nachrüstungs-Kosten nach
Nach Angaben des SWR gibt es in der Stuttgarter Landesregierung Überlegungen, sich die Kosten für Nachrüstung zu teilen: 50 Prozent solle die Industrie tragen, 25 Prozent das Land und 25 Prozent die Dieselfahrer. Bundesverkehrsminister Scheuer hatte Eingriffe an der Hardware alter Diesel aber ebenso wie die Hersteller wiederholt abgelehnt. Es gebe technische, rechtliche und finanzielle Bedenken, hieß es. Zudem dauere es zu lange. (dpa)