Wenn man in diesen Tagen ein neues Fahrzeug auf den Markt bringt, darf man als Autohersteller fast nicht mehr konventionell sein. Konventionell heißt in diesem Fall: Benzin- oder Dieselaggregate ohne elektrische Komponenten. Selbstzünder sind für den neuen Nissan X-Trail auf keinen Fall vorgesehen, Benziner hingegen schon. Allerdings kommt die Basisversion mit 1,5-Liter-Dreizylinder und 120 kW / 163 PS auch nicht ohne 3,6 kW / 5 PS starken Elektromotor aus. Sie ist mit 35.500 Euro die günstigste Möglichkeit, den neuen X-Trail zu ordern, stufenloses Automatikgetriebe inklusive.
Darüber rangiert zu Preisen ab 37.000 Euro die "e-Power"-Variante. Dieser serielle Hybrid, dessen Benziner wirklich nur für die Stromproduktion zuständig ist und nicht antreibt - das macht die 150 kW / 204 PS E-Maschine - steht mit einem gemittelten WLTP-Verbrauch von maximal 6,2 Litern je 100 Kilometer im Datenblatt. Der reine Benziner genehmigt sich in der gleichen Disziplin bis zu 7,6 Liter.
Doch Nissan setzt bei den ersten Fahrten auf Allradantrieb und hat ausschließlich den so genannten "e-4orce" mitgebracht. Ein typischer Name aus dem Ideenfundus einer Marketingabteilung, der aber angesichts der Schreibweise zumindest im Gedächtnis bleibt. Und dahinter steckt der Umstand, dass es zwei E-Maschinen gibt — jeweils eine für die Vorder- (150 kW / 204 PS) sowie eine für die Hinterachse (100 kW / 136 PS). Heraus kommt eine Systemleistung von 157 kW / 217 PS.
Nissan X-Trail (2023)
BildergalerieAufgeräumt und geräumig
Innen hat Nissan kräftig aufgeräumt; statt wild verstreuter Schalter gibt es jetzt so etwas wie eine dezente Ordnung. Es ist die Ordnung von akkurat angebrachten Drehreglern und Drucktasten auf schnieker Klavierlack-Oberfläche. Natürlich gibt es auch einen schnell reagierenden Touchscreen von veritabler Größe (12,3 Zoll maximal) — aber es ist wirklich eine Wohltat, für das Aktivieren der Sitzheizung oder das Verstellen der Temperatur nicht ins Menü oder während der Fahrt auf der Displayfläche herumfingern zu müssen.
Ansonsten ist der neue, 4,68 Meter lange X-Trail geräumig. Vor allem kommt die Allradausgabe dank der mechanisch völlig unabhängig voneinander agierenden Achsen ohne platzzehrenden Kardantunnel aus, was die Mitreisenden im Fond freuen dürfte — vor allem, wenn in einem seltenen Fall mal eine dritte Person mitreist.
Aber unser favorisierter Platz ist nun vorn links. Der Blick des Fahrers fällt unweigerlich auf das komplett aus Displayfläche bestehende Kombiinstrument, auf dem auch die Batterie als Grafik zu sehen ist. Richtig, der Hybrid beherbergt einen 2,1 kWh großen Pufferspeicher, den man naturgemäß nicht extern aufladen kann. Das Wechselgetriebe entfällt, der X-Trail e-Power wird schließlich elektrisch angetrieben.
Der Benziner läuft keineswegs gleichförmig, sondern hebt unter voller Last auch mal seine Stimme, wenn viel Strom für den elektrischen Antrieb produziert werden muss. Das ist aber lange nicht so ausgeprägt, wie bei den Antrieben beispielsweise mit stufenlosen Getrieben, weil die Drehzahl hier unter voller Last nicht so hoch sein muss. Der Benziner mit akustisch unauffälligen drei Töpfen und variabler Verdichtung plus Turboaufladung erreicht seine Spitzenleistung von 116 kW / 158 PS bei gerade einmal 4.600 Umdrehungen.
Von Anfahrschwäche keine Spur
In der Praxis reagiert die e-Power-Variante spontan auf Fahrpedalbefehle — von Anfahrschwäche überhaupt keine Spur. Sie zieht stramm durch aus jeder Lebenslage, das verleiht ihr eine angenehme Souveränität. Dass der Allradler selbst für Menschen interessant sein könnte, die nicht nur auf Schotter oder Waldwegen unterwegs sind, zeigen die Beschleunigungswerte: Der in puncto Leistungsgewicht schlechter abschneidende 4x4 beschleunigt mit sieben Sekunden eine glatte Sekunde schneller von null auf 100 km/h — ein klarer Indikator dafür, dass die frontgetriebene Version wohl deutlich mehr um Traktion kämpft. Wer das ultimative Elektroauto-Fahrgefühl möchte, darf das "E-Pedal" aktivieren. Dann rekuperiert der X-Trail so stark, dass man das Bremspedal nur noch für Notfälle benötigt.
Wer sich den X-Trail anschaut, wird auf die Praxistauglichkeit schauen. Hier punktet der Japaner sogar mit einer dritten Sitzreihe gegen moderate 800 Euro Aufpreis. Bloß warum nicht für den e-Power mit Frontantrieb? Und das maximale Gepäckraumvolumen könnte, das eine oder andere Literchen mehr vertragen als die 1.396 Liter. Ein kleiner Trost mag sein, dass die Fondtüren quasi rechtwinklig öffnen, so dass man selbst mit Taschen bepackt, recht bequem einsteigen kann.
Am Ende des Tages ist der X-Trail eben ein auch bisschen Lifestyler, bei dem die Form noch vor der Funktion steht. Der angedeutete Unterfahrschutz lassen einen Hauch von Trekkingcharakter mitschwingen.
Sicherheit serienmäßig
Nicht lumpen lässt sich Nissan bei der Sicherheitsausrüstung, die sämtliche heute übliche Schmankerl bereithält — und das serienmäßig. So verfügt die Basis über einen adaptiven Tempomat, der das Auto assistiert im fließenden Verkehr mitschwimmen lässt und bis zum Stillstand abbremst, wenn der Vordermann das auch tut. Zudem gehören diverse Szenarien der autonomen Notbremsung, Querverkehrswarner sowie Totwinkel-Assistent zu den Selbstverständlichkeiten. Doch aufgepasst, Infotainment-Fans! Eine Smartphone-Integration, mit deren Hilfe sich die gewohnte Oberfläche des persönlichen Endgeräts (per Apple CarPlay oder Android Auto) auf den Fahrzeugmonitor übertragen und auch bedienen lässt, gibt es erst ab "Acenta" — macht knapp 4.000 Euro extra. Allerdings wandern dann auch automatisch abblendender Innenspiegel, Parkpiepser, Rückfahrkamera und schlüsselloses Schließsystem an Bord.
Fast schon luxuriös sind die Topvarianten (bis zu 55.730 Euro) mit Head-up-Display, LED-Matrixscheinwerfern, Panorama-Glasdach, elektrisch verstellbaren Sitzen. Auch eine verschiebbare Rücksitzbank ist mit von der Partie. Da soll doch mal jemand sagen, der X-Trail sei nicht praxistauglich genug.
D.Buschhorn