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Interview: "Der Hype ist maßlos übertrieben"

13.10.2016 11:00 Uhr
Skandalmotor EA 189 VW
Schummel-Motor: der EA 189 von Volkswagen
© Foto: VW

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asp: Wie wir aus Branchenkreisen erfahren haben, erscheinen derzeit nur rund ein Viertel der angeschriebenen Kunden des VW-Diesel-Rückrufs zum Software-Update. Offenbar warten die meisten Kunden bis zum nächsten offiziellen Wartungstermin. Bleibt der Ansturm auch in Ihrem Betrieb aus?

H. Glasschröder: Das kann ich hundertprozentig bestätigen. Der ganze Hype um die VW-Abgasproblematik ist maßlos übertrieben. Den Großteil der Kunden interessiert das überhaupt nicht. Wenn die Kunden angeschrieben werden, fragen sie uns meistens, ob sie das Update beim nächsten Service oder Reifenwechsel mitmachen können. Fast keiner möchte sofort einen Termin. Das Update läuft auch meistens parallel mit, wenn wir irgendwelche Reparaturen durchführen.

asp: Das Kraftfahrt-Bundesamt hat damit kein Problem?

H. Glasschröder: Der Kunde wird zunächst von VW angeschrieben, das Update durchführen zu lassen. Wenn der Kunde nach einem halben Jahr immer noch nicht reagiert, lässt er sich anhand der Fahrgestellnummer herausfiltern, wenn diese noch nicht abgerechnet wurde. Er wird dann erneut schriftlich von VW aufgefordert, sein Fahrzeug updaten zu lassen. Kommt er auch dieser Aufforderung nicht nach, erhält er ein weiteres halbes Jahr später dann direkt ein Schreiben vom KBA, wo er darauf hingewiesen wird, dass er innerhalb einer bestimmten Frist das Update an seinem Fahrzeug durchführen muss. Ansonsten kann die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs erlöschen.

asp: VW wollte ja ursprünglich das Update bis Ende 2016 über die Bühne bringen und spricht laut neuester Information nun vom Herbst 2017.

H. Glasschröder: Bis Ende 2016 könnten wir das von der Stückzahl gar nicht schaffen. Dafür hätten die Updates für die verschiedenen Modelle so anlaufen müssen, wie es VW Anfang des Jahres angekündigt hat. Da war der Hersteller vielleicht etwas zu euphorisch und hat gedacht, dass die Fahrzeuge dann sofort in die Werkstätten fahren. Wir waren hier von Anfang an skeptisch und so ist es nun auch gekommen.

asp: Haben Sie keine Sorge, dass die Kunden irgendwann geballt zu Ihnen in die Werkstatt kommen?

H. Glasschröder: Nein, das ist ein fließender Prozess. Einen großen Ansturm könnte ich mir nur vorstellen, wenn Hersteller oder Gesetzgeber nun androhen, dass das Update zu einem bestimmten Zeitpunkt durchgeführt werden muss. Ansonsten läuft es die nächsten zwei Jahre lang einfach durch.

asp: Haben Sie genügend Kapazitäten, falls doch ein großer Kundenansturm kommt?

H. Glasschröder: Wir haben schon zu Beginn des Rückrufs Kapazitäten geschaffen, um auf einen Ansturm vorbereitet zu sein. Wir haben vier separate Flash-Plätze erstellt, um Updates parallel durchführen zu können. Auch im personellen Bereich haben wir uns eine Strategie zurechtgelegt. Bis dato haben wir das aber nicht gebraucht. Es könnte höchstens in der bevorstehenden Reifenwechselzeit, in der viele Termine dicht gedrängt abgearbeitet werden müssen, zu Engpässen kommen. Da haben wir dann aber schon eine entsprechende Strategie parat, um das Update mit dem Reifenwechsel zu kombinieren.

asp: Wie viele Ihrer Kunden sind bislang schon zum Update erschienen?

H. Glasschröder: Wir haben schon relativ viel gemacht, etwa 250 bis 300. Ich würde mir aber schon noch mehr wünschen.

asp: Ihr Autohaus führt neben der Marke VW auch Seat, Audi und Skoda. Gibt es da eine unterschiedliche Bereitschaft der Kunden zum Update?

H. Glasschröder: Da können wir keinen Trend feststellen.

asp: Bekommen Sie von VW eigentlich die Arbeitszeit für den Rückruf angemessen erstattet?

H. Glasschröder: VW ist dort relativ kulant. Wir können das frei durchlaufen lassen. An- und Abstempeln, was bei normalen Gewährleistungsfällen sehr strikt gehandhabt wird, wird speziell bei der Abgasthematik etwas lockerer gehandhabt.

Interview: Alexander Junk

Kurzfassung

Im Autohaus Ostermaier sind die Kunden laut Serviceleiter Helmut Glasschröder eher zurückhaltend, was den Rückruf der betroffenen VW-Dieselmodelle angeht.Dennoch ist der Betrieb vorbereitet, wenn der große Kundenansturm kommen sollte.

Näher an der Realität - WLTP und RDE

Voraussichtlich ab September 2017 wird ein international einheitlicher Prüfzyklus für die Emissionsmessung im Rahmen der Typgenehmigung eingeführt. Mit dem WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) streben die Vereinten Nationen (UN) einen verbindlichen Standard an, der den NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) ablöst. Dieser war in die Kritik geraten, weil Messergebnisse zwar vergleichbar, aber weit weg von der Realität sind.Ziel der globalen UN-Regelung ist die Bereitstellung eines weltweit harmonisierten Fahrzyklus, mit dem wiederholbare und reproduzierbare Messungen folgender Werte möglich sind:- Abgaskonzentration- Partikelmasse und Partikelzahl- CO2-Emissionen Kraftstoffverbrauch- Stromverbrauch- Elektrische ReichweiteDer neue Standard sieht eine Unterteilung nach verschiedenen Leistungsklassen vor, prüft bei höheren Geschwindigkeiten, auch über längere Zeit und berücksichtigt dynamische Fahrprofile sowie fahrzeugspezifische Schaltpunkte. Damit liegt der WLTP näher am realen Fahrverhalten als der NEFZ.Veränderter FahrzyklusFür die Verbrauchs- und Emissionsermittlung werden die Fahrzeuge anders als beim NEFZ in drei Gewichts-/Leistungsklassen eingeteilt. Außerdem sind die Geschwindigkeiten höher. Für den WLTP werden die Fahrzeuge auf über 130 km/h beschleunigt. Gemessen wird in vier Phasen: bis 60, bis 80, bis 100 und über 130 km/h. Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt mit knapp 47 km/h ein Drittel höher als beim NEFZ.Real Driving Emissions (RDE)Parallel zum neuen Prüfzyklus werden Realmessungen (Real Driving Emissions) im Fahrbetrieb eingeführt. Damit werden künftig neben der zyklusbasierten Zertifizierung am Prüfstand auch reale Straßenfahrten in die gesetzliche Abgasüberwachung von Pkw integriert. Die Europäische Union zieht mit der Einführung der RDE-Messungen die Konsequenz aus den großen Abweichungen zwischen Homologationsmessungen unter Laborbedingungen und Schadstoffmessungen im realen Fahrzeugbetrieb. Das stellt Motorenentwickler vor neue Herausforderungen. Der Grund: Einige Schadstoffe können nur unter realistischen Fahrbedingungen gemessen werden, wie etwa Stickoxide (NOx). Zum Einsatz kommen portable Emissionsmessgeräte, die am Fahrzeug installiert werden, um Abgasmessungen im realen Fahrbetrieb auf einer festgelegten Strecke durchzuführen.

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