Kurzfassung
Toyota setzt beim Antrieb auf einen Dreiklang aus Wasserstoff, Hybridfahrzeugen und Elektromobilität. Warum der Hersteller nicht nur auf E-Autos setzt, hat uns Technik-Pressesprecher Ralph Müller erklärt.
asp: Herr Müller, Toyota hat mit dem Mirai einen Serien-Pkw mit Brennstoffzelle im Angebot. Warum setzt Toyota auf Wasserstoff?
Ralph Müller: Toyota glaubt an Wasserstoff als Energieträger. Wir sehen in Zukunft eine wasserstoffbasierte Gesellschaft. Das betrifft dann nicht nur die Mobilität, sondern auch die Energieversorgung in Privathaushalten oder die Industrie. Wir reden hier von einem Zeithorizont von 30 bis 40 Jahren, bis das Realität wird. Ein Schritt dorthin sind Fahrzeuge mit Brennstoffzelle. Wir wollen neben dem Mirai auch den Hilux als ein weiteres Fahrzeug mit Brennstoffzelle auf den Markt bringen. Die Entwicklung eines Prototyps ist in Europa angelaufen. Auch ein neues Modell mit Wasserstoff-Verbrennungsmotor ist in der Erprobung. Toyota hat zudem Tausende Patente im Bereich Brennstoffzellen und Elektrifizierung freigegeben, um die Bereitschaft anderer Hersteller in die Pkw-Entwicklung einzusteigen, zu beschleunigen.
asp: Die meisten Autohersteller in Europa setzen inzwischen auf die batterieelektrische Mobilität …
R. Müller: Jeder Hersteller muss den besten Weg für ihn und vor allem für seine Kunden finden. Die batterieelektrische Mobilität ist in Europa stark im Fokus, aber wir reden hier von einem Markt mit zehn Prozent Anteil für Toyota. Weltweit ist der Fokus oft ein anderer. Hier sind weiterhin hocheffiziente Verbrennerantriebe, wie etwa Hybridfahrzeuge, gefragt. Deswegen wird Toyota seine Wasserstoff-Bestrebungen in Europa weiter fortsetzen. Aufgrund unserer sehr effizienten Hybridfahrzeuge sind wir in einer anderen Situation als andere Anbieter. Der CO2-Ausstoß unserer Flotte gehört in Europa nach wie vor zu den niedrigsten. Auch Toyota bringt batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt. Das wird aber nicht die alleinige Lösung sein. Elektromobilität ist aufgrund der hohen Kosten auch nicht für jedermann geeignet. Wir setzen weiterhin auf einen Dreiklang aus Hybridfahrzeugen, batterieelektrischen Fahrzeugen und zunehmend auch Wasserstoff-Mobilität. Wir werden uns diversifiziert für die jeweiligen Märkte aufstellen.
asp: Wie relevant ist der deutsche Markt für Toyota?
R. Müller: Der Anteil an verkauften Autos ist in Deutschland unter Berücksichtigung der starken deutschen Hersteller beachtlich, in absoluten Zahlen gegenüber dem Weltmarkt allerdings relativ klein. Toyota hat im gesamten Jahr 2021 mehr als zehn Millionen Fahrzeuge weltweit mit verschiedenen Antriebsarten verkauft. Davon wurden rund zehn Prozent, also etwas mehr als eine Million Fahrzeuge, in Europa verkauft. In Deutschland wurden in diesem Zeitraum rund 71.000 Fahrzeuge abgesetzt. Das sind weniger als ein Prozent aller produzierten Fahrzeuge von Toyota. Deutschland ist nach wie vor ein sehr wichtiger Referenzmarkt, und dies nicht nur wegen der Autobahnen ohne Tempolimit.
asp: Kritiker monieren an Wasserstoff-Fahrzeugen den geringen Wirkungsgrad im Vergleich zu reinen Elektroautos. Teilen Sie diese Ansicht?
R. Müller: Die Diskussion um den Wirkungsgrad wird aus unserer Sicht zu eindimensional geführt. Es ist sicherlich richtig, dass der rein elektrische Antrieb im Wirkungsgrad Vorteile hat. Dieses Thema wird aber an Bedeutung verlieren, wenn zunehmend "Grüner Wasserstoff", also gewonnen aus regenerativen Energiequellen wie Sonne, Wind, Wasser und Biomasse, zur Anwendung kommt.
asp: Und wie soll der grüne Wasserstoff in größeren Mengen für die Mobilität produziert werden?
R. Müller: Wenn sich die Diskussion nur um die Menge von grünem Wasserstoff dreht, werden wir nicht voranschreiten und uns nicht zu einer wasserstoffbasierten Gesellschaft entwickeln können. Fest steht: Eine rein batterieelektrische E-Mobilität ist auch nicht die Lösung. Ein Hemmnis ist das Stromnetz, das nicht ausgebaut ist, und die Fläche für die Schnelllader, die benötigt wird. Das stößt jetzt schon an Grenzen, wenn wir Fahrzeuge in großer Stückzahl elektrifizieren. Zudem produzieren Offshore-Windparks an Nord- und Ostsee ein Überangebot an Strom und müssen teilweise abgeschaltet werden, da die Menge an Strom nicht transportiert werden kann. Hier sehen wir große Potenziale, um die Produktion von grünem Wasserstoff voranzutreiben.
asp: Auch das Tankstellennetz für Wasserstoff ist noch lückenhaft. Hemmt das nicht die Durchdringung mit Fahrzeugen?
R. Müller: Das Wasserstofftankstellen-Netz ist in Deutschland nicht mehr so das große Thema, wir haben inzwischen rund 100 Tankstellen im gesamten Bundesgebiet – das reicht, um quer durch Deutschland fahren zu können. Das ist das zweitgrößte Tankstellenetz weltweit und noch größer als das in Kalifornien. Das größte Tankstellen-Netz hat allerdings Japan, da das Land komplett in Richtung Wasserstoff-Mobilität gehen möchte. In anderen Ländern ist die Wasserstoff-Infrastruktur aber noch ausbaufähig.
"Toyota glaubt an Wasserstoff als Energieträger und eine wasserstoffbasierte Gesellschaft."
Ralph Müller, Toyota
asp: Toyota hat gerade den neuen Prius als Plug-in-Hybrid angekündigt. Was spricht für Hybridfahrzeuge?
R. Müller: Aus unserer Sicht werden Hybridfahrzeuge und Plug-in-Hybride noch auf lange Zeit eine wichtige Rolle spielen. Als wir 1997 den ersten Prius auf den Markt gebracht haben, hat niemand damit gerechnet, dass wir 2022 über 20 Millionen Fahrzeuge mit Hybridantrieb im Markt haben werden. Toyota hat hier einen enormen Entwicklungsvorsprung bei Hybridfahrzeugen. Außerdem spricht vieles für die Technik: Große Batterien für Elektroautos erfordern viel Rohstoffeinsatz. Diese großen Batterien sind aber nur auf längeren Fahrtstrecken notwendig. Für den überwiegenden Teil der Pendler und für die meisten Alltagsstrecken sind sie überdimensioniert. Hier sieht Toyota effiziente Hybridmodelle im Vorteil. Die Batterie ist hier nur so groß ausgelegt wie nötig, damit sie ihre Aufgabe erfüllt. Hier reicht eine Batterie mit wenigen Kilowattstunden aus. Die ist bei Weitem nicht so groß wie in einem reinen Elektrofahrzeug. Es ist problemlos möglich, im Stadtverkehr bis zu 60 Prozent der Zeit rein elektrisch unterwegs zu sein.
asp: Dennoch stoßen auch Hybridfahrzeuge Abgase aus und sollen ab 2035 verboten werden. Wird das die letzte Prius-Generation in Deutschland sein?
R. Müller: Bei Lexus werden wir schon ab 2030 ausschließlich elektrifizierte Fahrzeuge anbieten, bei Toyota dann ab 2035. Unter Berücksichtigung der Langlebigkeit unserer Hybridfahrzeuge ist der Fahrbetrieb bis 2050 und darüber hinaus realistisch.
asp: Rechnen Sie damit, dass durch den Wegfall der Förderung für Plug-in-Hybridfahrzeuge die Nachfrage nach dem neuen Prius geringer ausfällt?
R. Müller: Förderungen sind lokale Entscheidungen, die das Kaufverhalten beeinflussen sollen. Das sind nationale Strategien. Ein globaler Hersteller wie Toyota nimmt auf einzelne Märkte natürlich Rücksicht, aber für eine globale Strategie, die langfristig angesetzt ist, haben kurzfristige Vergünstigungen keinen relevanten Einfluss auf die langfristige Ausrichtung. Je nach Nutzerprofil hat auch ein Plug-in-Hybrid Vorteile. Neue Technologien müssen mitunter am Beginn gefördert werden. Dauerhaft sollte aber die Produktion auch ohne lokale Förderung wirtschaftlich für den Hersteller sein.
asp: Warum hat es so lange gedauert, bis Toyota das erste batterieelektrische Fahrzeug auf den Markt gebracht hat?
R. Müller: In Europa ist die Entscheidung zur Elektromobilität noch nicht so alt. Bei Toyota sind wir der Überzeugung, dass nicht nur eine einzige Antriebsart die Antwort auf alle Mobilitätsfragen ist. Deswegen gehören wir hier nicht zu den Pionieren. Wir wollen unser Portfolio dennoch sukzessive ausbauen: Nach dem bZ4X werden wir bis 2030 weltweit 30 neue batterieelektrische Fahrzeuge auf den Markt bringen, davon mindestens fünf Modelle in Deutschland.