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VW: Sechs Wege aus der Abgaskrise

11.01.2016 12:32 Uhr
VW: Sechs Wege aus der Abgaskrise
VW zeigt in Detroit mit dem Tiguan GTE Active Concept seinen ersten Plug-in-Hybrid mit Allrad.
© Foto: VW

Auf der größten Automesse Amerikas müssen die Wolfsburger mitten im Dieselskandal Zerknirschtheit zeigen – und gleichzeitig einen Hauch Aufbruchsstimmung vermitteln. Mit neuen Strategien wollen sie Vertrauen zurückgewinnen.

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Von Peter Weißenberg/SP-X

Eine noch größere Bühne, noch mehr Showstars und mittendrin Vorstände, die stolz glitzernde Auto-Premieren präsentieren – in den vergangenen Jahren hatten die Abendveranstaltungen des VW-Konzerns vor Messen oft schon bombastische Ausmaße angenommen. In Detroit ist das dieses Jahr anders. Da lädt Matthias Müller vor seinem ersten Messeauftritt als VW-Konzernchef in das Restaurant "Fishbones" – ein Lokal, das gern auch Familien mit überschaubar dicker Brieftasche besuchen.

Und die würde VW liebend gern als Kunden behalten. Doch die Mauscheleien mit den Diesel-Abgaswerten, der milliardenteure Rückruf und Schadenersatzklagen haben zu Absatzverlusten der Kernmarke VW in den USA geführt. Und auch in Russland, in Brasilien und selbst auf dem wichtigsten Markt China läuft der Motor nicht mehr rund. Leisere Töne sind also angesagt – und "Butter bei die Fische": Auf sechs Feldern muss Müller Gas geben, um "das Vertrauen wiederzugewinnen".

Mehr Antrieb: Der Diesel ist nicht tot – er ist bloß gerade nicht im Angebot. So etwa lässt sich im Moment die Situation von VW auf dem amerikanischen Markt beschreiben. Müller wird am Mittwoch der US-Umweltbehörde EPA nach Informationen aus dem Unternehmen einen neu entwickelten Stickoxid-Katalysator als Lösung vorstellen, mit dem sich die Probleme bei der Umrüstung der Dieselfahrzeuge in Amerika lösen ließen. Der Kat könnte in die 430.000 US-VW eingebaut werden, die mit der ersten Generation des Dieselmotors EA 189 fahren. Ob diese Lösung akzeptiert wird, ist noch nicht gewiss.

Vom Dieselmotor für US-Autos will sich in Wolfsburg dennoch niemand generell distanzieren. Aber nach dem rein elektrischen Bulli auf der CES in Las Vegas zeigt VW auch in Detroit lieber seinen ersten Plug-in-Hybrid mit Allrad: Im Tiguan GTE Active Concept werkelt ein TSI-Turbobenziner mit 110 kW / 150 PS, dazu kommen zwei Elektromotoren mit 40 kW / 55 PS (vorn) und 85 kW / 115 PS (hinten). Allrad schafft der Tiguan so rein elektrisch. "Bis 2020 werden wir 20 zusätzliche Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride bringen", verspricht Müller. Wenn der Ölpreis wieder steigt, soll VW schließlich den Teslas und Toyotas dieser Welt auch jenseits von "Clean Diesel" Paroli bieten können.

Mehr Orientierung: "Vernetzung ist eine große Chance für den VW-Konzern", meint Müller. Hier hat die Konzerntochter Audi mit dem milliardenteuren Kauf des Navigationsdatendienstes Here zusammen mit Daimler und BMW schon ein strategisches Investment getätigt. Die eigene Navi-Software soll zum universellen Dienstleister ausgebaut werden, der – vernetzt mit Daten aus dem Auto, anderen Verkehrsteilnehmern und der Infrastruktur für den Fahrer – sozusagen vorausdenken soll: den freien Parkplatz um die Ecke schon anzeigen, wenn dort gerade jemand wegfährt. Vor Glatteis hinter der übernächsten Kurve warnen. Die Route anhand des Kalenders im Handy vorplanen, den Wagen vor der Abfahrt temperieren und die Strecke optimieren. Mit solchen Diensten wollen sich die Wolfsburger von der Konkurrenz absetzen.

Mehr Komfort: Dieser eingebaute Butler wird modular auch in die Brot-und-Butter-Autos der Wolfsburger einziehen – ein echter Komfortgewinn. Aber auch bei der Bedienung im Innenraum wird die Revolution des Komforts auch in die Massenmodelle kommen. Die in Detroit gezeigte Studie verfügt bereits über die Kombination aus volldigitalem "Active Info Display" vor dem Fahrer und dem 9,2 Zoll großen Touchscreen in der Mitte des Armaturenbretts, der sogar Gesten versteht. Verfeinerte Sprachsteuerung und nahtlose Integration von Smartphones aller Marken kommen dazu – alles Teil der "Digitalisierungsoffensive", die Müller konzernweit ausgerufen hat.

Mehr Sicherheit: Die nächsten technologischen Sprünge stehen hier vor der Tür – müssen sie auch. Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn etwa hat gerade erst angekündigt, bis Ende des Jahrzehnts City-Assistenten in alle Autoklassen zu bringen, die sich autonom durch den Innenstadtverkehr wühlen. Hier wird Wolfsburg kontern und durch die Verquickung mit den Here-Services etwa beim Parken oder Navigieren noch etwas draufsetzen wollen. Der automatische Notruf E-Call und die City-Notbremse werden ebenfalls Standard. In den USA macht VW gerade massiv TV-Werbung für die automatische Notbremse im modellgepflegten Passat.

Mehr Platz: Gerade in den USA hat VW ein Problem mit dem bisherigen Tiguan, das SUV ist für amerikanische Verhältnisse einfach zu klein. Der Nachfolger wird deshalb speziell mit Blick auf diesen Markt eine XXL-Version mit bis zu sieben Sitzen erhalten. Dazu kommt ab 2017 noch ein fast fünf Meter langer Midsize-SUV mit sieben Sitzen exklusiv für die USA. Der lange Tiguan jedenfalls könnte auch in Deutschland Fans gewinnen, böte er doch fast so viel Raum wie der Touareg, wäre aber günstiger. Womit wir beim letzten Ansatz zur Krisenbewältigung wären.

Niedrigere Preise: Gegenwärtig ist VW nicht nur in den USA und Deutschland zu erheblichen Zugeständnissen bereit. Aber auch langfristig wollen die Wolfsburger bei der preissensiblen Klientel aggressiver mitmischen. Dafür gibt es spezielle US-Modelle, die einfacher und damit kostengünstiger sind. Sinkende Kosten durch das Streichen einiger Modelle und die konsequentere Nutzung der gemeinsamen Baukästen bei Karossen und Elektronik können aber generell günstigere Preise für die Kunden möglich machen, gerade wenn die Nachfrage mal schwächelt.

Mehr Volkswagen fürs Geld: So könnte ein Weg aus der Krise aussehen. Aber zunächst muss Matthias Müller erst mal sein Hauptziel für 2016 erreichen. Und das hört sich einfach an, ist aber eine Herkulesaufgabe: "Die Dinge in Ordnung bringen".

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