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Werkstattkonzepte: Alles ist in Bewegung

19.12.2019 11:00 Uhr

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Die Digitalisierung aller Werkstattprozesse von der Terminannahme bis zur Rechnungstellung ist eines der wichtigsten Themen in den Systemzentralen der Werkstattkonzepte. Die digitalen Tools werden immer ausgefeilter und lassen beispielsweise bei der Teilebestellung kaum noch Wünsche offen. Der nächste logische Schritt wäre die digitale Anbindung der Fahrzeuge selbst durch das Auslesen von Fahrzeugdaten über OBD-Stecker oder - sobald politisch geregelt und definiert - über eine Telematikschnittstelle im Fahrzeug.

Experimente mit Telematik

Ein wichtiges Thema für die Bosch-Service Partner wird 2020 die Schaffung der Endkundenplattform "MyBoschCarService" für Werkstattkunden. Damit sollen laut Bosch die Werkstätten zukünftig auch im Online-Geschäft stärker präsent sein und online-affine Kunden bedienen können. Geplant sei ein interaktives Buchungs- und Kommunikationskanal-Widget auf den Bosch-Car-Service-Homepages der Partner. Der Rollout einer OBD-Stecker-Lösung in Kombination mit einer Autofahrer-App, die in den Beneluxländern nur mäßig erfolgreich pilotiert wurde, ist vorerst allerdings nicht geplant.

Die Handelskooperation Carat will beim Thema Telematik dagegen ein großes Rad drehen: Man will die Mobilitätsplattform Drivemotive, die von Carat über das Tochterunternehmen Mecanto GmbH entwickelt wird, zum Branchenstandard ausbauen. Carat-Geschäftsführer Thomas Vollmar will dafür Kooperationspartner aus dem Teilehandel finden. "Hier ist aber noch viel Überzeugungsarbeit notwendig", räumte Vollmar anlässlich einer Pressekonferenz auf der Carat-Messe im Oktober ein. Man halte an dem Ziel fest, mit Drivemotive eine digitale Antwort auf die zunehmende Digitalisierung der Fahrzeuge und Fahrzeugservices zu schaffen und den Aktivitäten der Automobilhersteller ein Angebot des IAM entgegenzuhalten.

Drivemotive soll zu einer Mobilitätsplattform für Autofahrer entwickelt werden, die zahlreiche Mobilitätsdienste, angefangen von der Parkplatzsuche über Versicherungs- und Pannendienstleistungen bis hin zur Terminvereinbarung in der Werkstatt, biete. Auf der Messe in Essen wurden an interessierte Werkstätten Starterpakete verteilt. Enthalten waren zehn OBD-Stecker, die an Werkstattkunden kostenlos weitergegeben werden konnten. Zusammen mit einer Smartphone-App könne der Kunde auf diese Weise Informationen zum Fahrzeug über die OBD-Diagnoseschnittstelle abrufen.

Gleichzeitig erhält die Werkstatt eine Rückmeldung im Falle eines Servicebedarfs in den Fahrzeugen und kann Kunden proaktiv über eine Nachricht in der App kontaktieren. Möglich ist auch eine Terminerinnerung bei der HU oder dem Reifenwechsel. Gleichzeitig können Kunden über die App einen Werkstatttermin bei ihrer Werkstatt buchen.

Auch der Teilegroßhändler Coparts will seinen Werkstätten Konnektivität bieten. Das neue IT-Tool Coparts Online in der Version "Dolphin" werde laut Coparts neue Maßstäbe im Bereich der Digitalisierung in der Werkstatt setzen. Hier werden auch Fahrzeug-Daten für die Werkstatt abrufbar sein. Somit sei auch die freie Werkstatt in der Lage, die Reparatur im Vorfeld noch effektiver zu planen.

Als Gründungsmitglied von Carmunication setzt sich die Hess-Gruppe, Konzeptgeber des Systems Motoo, nach eigenem Bekunden dafür ein, dass Auto-Live-Daten auch für freie Werkstätten abrufbar sind. Carmunication sammelt relevante Fahrzeugdaten und stellt diese auf der Carmunication-Plattform für alle Mitglieder bereit. Zum Verständnis: Der gemeinnützige Verein Carmunication will Autodaten für den Independent Aftermarket nutzbar machen und so ein Gegengewicht zu den Digitalisierungsplänen der Automobilhersteller schaffen. Der Verein wurde federführend von dem österreichischen Teilehändler Birner bereits vor vier Jahren gegründet. Mitglieder sind neben der Hess-Gruppe unter anderem die internatinale Handelsgruppe Autodistribution International (ADI) sowie die Groupauto International. Da die Hess-Gruppe zudem Aktionär der Select AG ist, profitierten die Motoo-Partner laut Hess von der Zusammenarbeit der Einkaufskooperation Select mit der Telekom. Select stattet im ersten Schritt Kundenersatzfahrzeuge für die angeschlossenen freien Werkstätten ihrer Gesellschafter mit der Telematik-Nachrüstlösung der Telekom aus. Die Kfz-Werkstätten erhielten so den direkten Zugang zu Fahrzeugdaten, auf deren Basis sie ihr Serviceangebot optimieren könnten.

Die Frage nach Telematik beantwortet das Handelsunternehmen PV Automotive diplomatisch und hält sich alle Möglichkeiten offen: "Diesbezüglich arbeiten wir eng mit dem GVA in Sachen Caruso, der Industrie und Werkstätten zusammen, um freien Werkstätten und deren Kunden Lösungen anbieten zu können." Man konzentriere sich derzeit auf die digitale Strategie der Partner. "Gemeinsam mit Werkstattpartnern haben wir neue Systeme zur Unterstützung bei der digitalen Abwicklung von Serviceprozessen mit PV:Kompass 4.0 und im Umgang mit digitalen Medien und digitalem Marketing entwickelt", schreibt PV auf Anfrage. Aktuell gehe es darum, die Werkstattpartner mit den entwickelten Tools Websitebaukasten, Online-Terminvereinbarung, Social-Media-Service-Tool, Online-Verzeichnismanager und Autofahrer-App vertraut zu machen und diese zu implementieren.

Die Optimierung des IT-Service-Portfolios "Select Connect" steht für die Kooperation Select im Vordergrund. "Um das Tagesgeschäft für Werkstätten zu vereinfachen, treiben wir aktuell die Verschmelzung von WerkstattAbrechnungsPilot (WAP) und AutoTeilePilot (ATP) weiter voran", verkündet Select. Zudem habe man zu Beginn des Jahres erstmals eine Lösung auf den Markt gebracht, bei der Werkstattbetreiber sich Leistungen und IT-Services nach Bedarf via Baukastensystem zusammenstellen können. Beim Select Concept entfällt eine allgemeine Systemgebühr, stattdessen zahlt jeder Werkstattbetreiber jeweils nur die Leistungsbausteine, die er benötigt.

Die in den letzten Jahren stark gewachsene Teilehandelsgruppe Alliance Automotive Group - Germany (AAGG) gibt derzeit kräftig Gas bei den Werkstattsystemen. Dazu sollen die Aktivitäten ab dem 1. Januar 2020 in einem neu geschaffenen "AAG Concept Center" gebündelt werden. Fabian Roberg, Managing Director der AAGG, erklärte: "Wir haben uns entschlossen, aus jeder Welt das Beste zu nehmen und eine neue unabhängige Konzeptwelt zu etablieren, die wir ohne Abhängigkeiten von anderen weiterentwickeln können." Mit OK Car Service, Bosch Car Service, 1a Autoservice und mit AutoCrew werden heute bereits vier Full-Service-Werkstattkonzepte vermarktet. OK Car Service wurde als erste eigene Marke von AAGG entwickelt und verfügt derzeit über 150 Partnerbetriebe. Ergänzt wird das künftige Angebot durch das Einstiegskonzept AAG Technikpartner. "Im Gegensatz zu den eher traditionellen Ansätzen bestehender Handels- und Werkstattkonzepte beinhaltet unser Concept Center neue Ansätze zu den Fragen 'Wie lenke ich Fahrzeuge in meine Werkstatt?' und 'Wie repariere ich die Fahrzeuge von morgen?'", erläutert Roberg die Zielsetzung. Dabei greife man nicht nur auf das Know-how bestehender Strukturen zurück, sondern profitiere auch vom internationalen Netzwerk innerhalb der Alliance Automotive Group (AAG) und der Genuine Parts Company (GPC).

Mit dem künftig flächendeckenden Werkstattnetz wolle man insbesondere für Flotten und Mobilitätsdienstleister neue Serviceansätze bieten. Man habe ein Tool entwickelt, das die Flotten in die Werkstätten steuert. Zudem sollen Werkstattpartner von der Expertise im Verkauf von OE-Teilen profitieren. Roberg verwies auf entsprechende Verträge mit Volkswagen und anderen Automobilherstellern.

Kurzfassung

Besonders das Thema Telematik treibt die Anbieter von Werkstattkonzepten im Großhandel derzeit um. Die Branche ist auf der Suche nach einem einheitlichen Standard für den freien Markt. Insellösungen machen keinen Sinn.

Stephan Bens Stellvertretender Vorstand für Marketing und Digitalisierung bei der ATR International AG

asp: Sind Full-Service- Werkstattkonzepte noch zeitgemäß und eine Hilfe für Werkstattbetreiber?
S. Behns: Die unterschiedlichen Werkstattkonzepte sind auch künftig ein wichtiger Baustein für erfolgreiche Werkstätten. Die Anbindung an ein System erleichtert viele Aufgaben, die ein Unternehmer alleine nur mit sehr viel mehr Aufwand bewältigen könnte. Neben den klassischen Themen wie Teilekataloge, Teilebelieferung, Marketingbausteine, IT-Ausstattung oder Schulungsthemen wird die Unterstützung bei der Digitalisierung immer wichtiger.

asp: Was verstehen Sie darunter konkret?
S. Behns: Auch für Werkstätten ist das Thema Sichtbarkeit im Internet eine zentrale Herausforderung. Wir als Konzeptgeber haben uns daher sehr stark darauf fokussiert, den Digital-Auftritt der Werkstattpartner zu verbessern. Wir helfen dabei, dass Betriebe über eine SEO-optimierte Webseite im Netz gefunden werden, unterstützen bei Social-Media-Aktivitäten, helfen mit Google-My-Business und verfolgen als Teilebranche insgesamt das Ziel, Werkstätten stärker in die digitale Wertschöpfung einzubinden.

asp: Künftig werden Daten aus dem Fahrzeug wichtiger - welche Aktivitäten verfolgt ATR?
S. Behns: Wir haben das Thema auf dem Schirm und sind unter anderem Gesellschafter des Datenmarktplatzes Caruso. Wir arbeiten zusammen mit anderen Kooperationspartnern an einem Branchenstandard für den freien Teilemarkt. Sinnvolle Geschäftsmodelle auf Basis von Fahrzeugdaten kann kein Marktteilnehmer alleine konzipieren, Insellösungen machen keinen Sinn. Entscheidend wird sein, dass entsprechende Angebote dem Autofahrer tatsächlich einen Mehrwert bieten, sonst fehlt die Akzeptanz.

asp: ATR hat für die eigenen Werkstattsysteme eine Qualitätsoffensive gestartet - was hat das gebracht?
S. Behns: Wir machen regelmäßig anonyme Werkstatt-Tests in unseren Partnerbetrieben. Es zeigt sich, dass die Ergebnisse tatsächlich über die Zeit deutlich besser geworden sind. Dass wir entsprechende Schulungsangebote gemacht haben und in der ATR-Akademie unsere Werkstätten durch Trainings immer auf den neuesten Stand der Technik bringen, macht sich auf jeden Fall bezahlt.

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