Bei Smartphones und Computern sind Software-Updates schon lange eine Selbstverständlichkeit: Sobald eine Verbindung zum Internet besteht, laden sich die Geräte Aktualisierungen, Fehlerbehebungen und neue Funktionen herunter. Und das meistens über die Lebensdauer des Produkts.
Besser bremsen mit Software-Update
Bei Autos ist die Sache komplizierter. Es gibt zwar auch hier Software-Updates (meistens für die Steuergeräte), jedoch lassen sich diese momentan nur in der Werkstatt aufspielen. Eine löbliche Ausnahme stellt der Elektroauto-Pionier Tesla dar: Hier lassen sich Updates ohne Werkstattbesuch "over the air" (OTA) aus dem Internet herunterladen und selbst auf dem Fahrzeug installieren. Nutzer werden auf ihrem Smartphone über ein bestehendes Update informiert und können direkt über das Touchscreen-Display des Autos die Aktualisierung vornehmen, die dann, je nach Größe des Datenpaketes, von wenigen Minuten bis Stunden dauern kann. Das Update kann überall dort eingespielt werden, wo eine Internetverbindung per WLAN oder Mobilfunk besteht. Während des Aktualisierungsvorgangs kann das Auto jedoch nicht genutzt werden und sollte sich in der Parkposition befinden - am besten in der heimischen Garage.
Bei Tesla lässt sich mit den OTA-Updates die Software verbessern und mit neuen Funktionen versehen. Auch Sicherheitslücken lassen sich schließen, was aufgrund der autonomen Fahrfunktionen des Stromers essentiell ist. Die Besonderheit ist jedoch, dass sich die grundsätzlichen Eigenschaften des Autos verändern lassen. So gab es in der Vergangenheit für verschiedene Tesla-Modelle Updates, nach denen das Beschleunigungs- und Bremsverhalten des Autos verbessert oder auch die Reichweite erhöht wurde. Das Fahrzeug hat wie ein Smartphone sozusagen einen lebenslangen Support mit Funktionsverbesserungen. Sicher ein Grund, warum Tesla seine Serviceintervalle abgeschafft hat und einen Großteil der Probleme über Software-Updates lösen kann.
Bald in jedem neuen Auto
Was bei Tesla möglich ist, soll demnächst auch bei deutschen Autoherstellern funktionieren. "In wenigen Jahren wird sich die Software in jedem neuen Auto automatisch aktualisieren lassen", prognostiziert Markus Heyn, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH. Laut Heyn sollen Autos künftig über die gesamte Lebensdauer von typischerweise 15 Jahren Nutzung mit Updates auf dem neuesten Stand gehalten werden, ohne eine Werkstatt besuchen zu müssen. Bislang halten sich die Automobilhersteller noch bedeckt, jedoch ließen Mercedes-Benz, Audi und Ford in Ankündigungen durchblicken, dass ein Software-Update bald möglich sein werde. Auch mit VWs neuer Elektroauto-Plattform "ID" sollen Software-Updates funktionieren.
Technisch sind OTA-Updates kein Hexenwerk, jedoch gelten in der Autowelt ein paar Besonderheiten, die sich von der Smartphone-Welt unterscheiden. So setzt die aktuelle Autogeneration noch auf zahlreiche unterschiedliche Steuergeräte (in Fahrzeugen sind heute bis zu 100 Steuergeräte verbaut), was das Update verkompliziert und fehleranfällig macht, wenn es nicht in der Werkstatt geschieht. Hier spielt die Elektromobilität der Update-Funktion in die Karten, denn mit Stromern ändert sich auch die IT-Architektur in den Fahrzeugen weg von vielen einzelnen Steuergeräten hin zu wenigen performanten Controllern, die für Software-Updates prädestiniert ist. Auch die zunehmenden Software-Funktionen im Auto und die Vernetzung sprechen für eine Update-Funktionalität.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sicherheit, die bei Autos höher gewichtet wird als bei einem Smartphone. Schließlich ist es nicht unerheblich, wenn ein Update schiefläuft und die Fahrzeugfunktionen beeinträchtigt. Zulieferer Bosch setzt bei seinen OTA-Updates auf neueste Verschlüsselungstechnologien, die mit der Tochtergesellschaft Escrypt entwickelt werden. Eine komplexe Sicherheitsarchitektur mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll die Datenübertragung vor unautorisiertem Zugriff schützen. An den Schnittstellen zwischen Auto und der "Daten-Cloud", aus der die Daten in das Fahrzeug eingespielt werden, sollen sichere Protokolle und Filter wie eine Firewall funktionieren und Angriffe von außen verhindern. Eine weitere Sicherheitsfunktion ist das Aufspielen in Sequenzen. Wenn Probleme beim Update auftreten, kann der Prozess gestoppt werden.
Neben der Sicherheit ist bei OTA-Updates für Autos auch entscheidend, dass sich die Datengröße in Grenzen hält. Bosch möchte dafür sogenannte Fast-Update-Technologien wie Delta- und Kompressionsmechanismen einsetzen. Ersteres bedeutet, dass bei einem OTA-Update nicht der gesamt Datensatz für die Software installiert werden muss, sondern nur die Bereiche, für die Änderungen verfügbar sind. So lässt sich die Größe des Updates reduzieren und durch effiziente Kompressionsmechanismen nochmals verkleinern.
Die schöne neue Update-Welt hat jedoch auch eine Kehrseite, und die zeigt Tesla schon heute auf: Wenn sich die meisten Fahrzeugprobleme über ein Update lösen lassen und das in Zukunft auch bei den Herstellern hierzulande funktioniert, werden die Autos seltener in die Werkstatt kommen. Was gut für den Kunden ist, bedeutet aber für Kfz-Betriebe schlichtweg weniger verkaufte Arbeitsstunden und weniger Folgeaufträge durch Besichtigen des Fahrzeugs - so wie beim Reifenwechsel auch.
Kurzfassung
Die Rolle von Software-Updates "over the air" (OTA) wird in Zukunft zunehmen. Bei Tesla lassen sich jetzt schon Funktionen des Autos verbessern oder hinzufügen. Die Werkstattbesuche werden dadurch tendenziell abnehmen.
Vor- und Nachteile von OTA-Updates
Vorteile
- Schnelles Beheben von Software-Problemen
- Schließen von Sicherheitslücken
- Neue Funktionen nachrüsten ("Software as a Service")
- Kein Besuch in Werkstatt notwendig
- Per WLAN und Mobilfunk möglich
- Ideal für Elektrofahrzeug-Architektur
- Support über Lebensdauer des Fahrzeugs
Nachteile
- Sicherheit muss gewährleistet sein
- Auto kann während des Updates nicht genutzt werden
- Es können große Datenmengen anfallen
- Ausgabe 05/2019 Seite 18 (141.2 KB, PDF)