Von Dietmar Winkler
Vielen Autofahrern entlockt der mittlerweile fast inflationäre Gebrauch des Begriffs "Premium" nur noch ein müdes Lächeln. Insbesondere der Dieselskandal mit nahezu wöchentlichen neuen Negativmeldungen, aber auch durch technische Probleme genervte Fahrzeughalter, die noch dazu vom teilweise arroganten Kulanzverhalten ihres "Premium"-Herstellers abgestraft werden, lassen die Frage zu, was Premium eigentlich noch wert ist. Was nützen die engsten Spaltmaße, die schönsten Ziernähte oder die beste Konnektivität, wenn die Technik unter dem Blech nach wenigen Jahren mehr Kosten als Freude verursacht?
Kein Wunder also, dass die Kunden mit Ablauf der Garantie zunehmend in den freien Markt wechseln. Dort finden sie neben meist günstigeren Stundenverrechnungssätzen auch preiswerte Alternativen bei Zubehör und immer häufiger auch bei Ersatzteilen, die als sogenannte Zweit- oder Eigenmarken eine preiswerte Alternative sowohl zu teureren Originalteilen als auch zu Billigteilen aus dem Internet mit zweifelhafter Qualität bieten.
20 Jahre Eigenmarke
Aber auch für die Werkstätten selbst hat der freie Teilemarkt alternative Produkte für den Werkstattbedarf oder die Werkstattausrüstung im Angebot, die durch ihr Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen, ohne bei der Qualität zu sparen. Als erste Großhandelskooperation kam Carat schon 1997 mit einer Eigenmarke unter dem Label "ad" auf den Markt. Vor allem Verbrauchsmaterialien, Chemieprodukte und Batterien sowie einige Endverbraucherprodukte wurden über die angeschlossenen Großhändler bzw. im Facheinzelhandel angeboten. Bis heute wurde das Programm kontinuierlich ausgebaut und wird aktuell um weitere Sortimente erweitert.
So wird zur Carat-Leistungsmesse im Oktober die neue Produktlinie ad GL-Chemie vorgestellt, ein laut Carat qualitativ hochwertiges Additivprogramm zur Reinigung von Kraftstoff-, Öl- und Abgassystemen. Die ad-Produkte sind dabei nicht im Low-Budget-, sondern eher im mittleren Preissegment angesiedelt mit einem hohen Qualitätsanspruch. Sie bieten ein interessantes Differenzierungspotential, welches sich laut Carat als wirkungsvolles Kundenbindungsinstrument etabliert hat und als ausgleichender Faktor im Sortiment zu verstehen ist. Da die Carat auch im Ausland vertreten ist und die Produkte, auch im Endverbraucherbereich, stets in der gleichen CI auftreten, haben Autofahrer auch auf Auslandfahrten die Möglichkeit, auf gewohnte Produkte zugreifen zu können. Die Eigenmarke hat mittlerweile einen Anteil von 40 Prozent am Gesamtumsatz mit der klassischen Chemie erreicht.
Ersatzteile immer wichtiger
Eine ganz andere Richtung beschreitet Carat mit den Men@Work-Produkten. Die Eigenmarke startete 2010 mit einem Werkzeugwagen im typischen Design in Schwarz und Silber. Heute ist die Marke so breit aufgestellt, dass vom Ein-Mann-Betrieb bis zur Großwerkstatt alle mit einer nahezu kompletten Produktlinie an Werkstattausrüstung bedient werden können. Die Produkte aus der Men@Work-Serie werden zwar zu den üblichen Marktpreisen angeboten, enthalten aber Zusatzausstattungen ohne Aufpreis. Es werden nur Markenprodukte in das Men@Work-Portfolio aufgenommen, deren Qualität sich langfristig bewährt hat, um dem Kunden eine entsprechende Nutzungsdauer zu ermöglichen. Doch mit diesen zwei Eigenmarken gab sich die Carat nicht zufrieden. Mit der neuen Marke Corexx stieg das Unternehmen 2015 in den Bereich der Ersatzteile ein. Nachdem sowohl die Automobilhersteller als auch die IAM-Markenhersteller immer häufiger eigene Zweitmarken etablieren, um Kundenabwanderung einzudämmen, hat auch Carat eine eigene Ersatzteilmarke eingeführt. "Corexx ist für unsere Gesellschafter und die Werkstätten ein wichtiger Erfolgsbaustein für die künftige Positionierung in einem immer komplexeren und transparenteren Wettbewerbsumfeld", so Marketingleiter Thomas Wolpert. Um die Marktfähigkeit konstant zu gewährleisten, ist die Auswahl der Vorlieferanten vielschichtig. Dies kann ein namhafter Markenhersteller sein oder aber auch der Vorlieferant eines Markenlieferanten in Fernost. Bei der Lieferantenauswahl ist die Thematik "gleichbleibende Qualität der Produkte" eines der wichtigsten Auswahlkriterien. "Es werden ausschließlich Lieferanten ausgewählt, die über entsprechende Zertifizierungen verfügen und eine gleichwertige Qualität zu Erstausrüstungsartikeln liefern können", so Wolpert. Bis Oktober sollen 15.000 Artikel für Pkw, 165 für Nkw sowie 85 Universalartikel auch für Endverbraucher verfügbar sein. Der Anteil am Gesamtumsatz liegt derzeit bei rund zehn Prozent.
Deutliche Preisvorteile
Seit Anfang 2017 vertreibt Stahlgruber und PV Radlagersätze und Lenkungsteile unter dem Namen Audura. Ziel ist auch hier, ein qualitativ hochwertiges Sortiment für ältere Fahrzeuge anzubieten, mit dem neue Kunden gewonnen werden, die bislang nicht oder nur teilweise erreicht wurden. Der Preisvorteil gegenüber vergleichbaren Anbietern liegt zwischen 20 und 30 Prozent, wobei die Bruttopreise so gestaltet sind, dass die Werkstatt den Preisvorteil an den Kunden weitergeben kann, ohne den absoluten Rohertrag zu verlieren. Der Verkaufsanteil liegt bei rund 20 Prozent, dabei sind Kannibalisierungseffekte bei anderen Marken kaum zu verhindern. "Allerdings erhoffen wir uns durch Audura neue Märkte und Kunden zu erreichen, so dass Zusatzumsätze generiert und damit die Kannibalisierung der Erstmarken kompensiert werden kann", so Content-Manager Elmar Voltz von Stahlgruber. Selbstverständlich wird dabei auf das Angebot patentrechtlich geschützter Teile verzichtet. Die Teile werden bei namhaften Produzenten in ISO-zertifizierten Werken unter hohen Qualitätsstandards und permanenter Prozessüberwachung hergestellt. Nachteile gegenüber den Originalmarken sind keine bekannt, auf den Hausmessen gab es bislang durchweg ein positives Kundenfeedback. Auch der Auto-Teile-Ring hat für seine Konzeptwerkstätten und Großhandelskunden mit Cartechnic eine Eigenmarke im Programm. Man beschränkt sich allerdings auf Werkstattbedarf in den Bereichen Elektrik, Chemie und Schmierstoffe sowie Lackierbedarf. Teile aus dem Programm sind auch für Endverbraucher verfügbar. Das Ziel ist auch hier eine klare Differenzierung zum Wettbewerb durch Alleinstellungsmerkmale sowie die Erschließung und Versorgung von preisbewussten Kundengruppen.
Alleinstellungsmerkmal
Dabei will man andere Markenprodukte nicht kannibalisieren, sondern die Anforderungen und Bedürfnisse der verschiedenen Kundengruppen erfüllen. Einen Konflikt mit den Markenherstellern sieht man nicht, da diese mittlerweile selbst ihre Zweitmarken auf den Markt bringen. Die Produkte werden überwiegend in Deutschland oder im europäischen Ausland produziert.
Auch Coparts hat laut Michael Hesse, Bereichsleiter Einkauf, "zumindest bislang" noch keine Verschleißteile im Sortiment der Eigenmarke CAR1, mit Ausnahme von Innenraumfiltern eines führenden Herstellers der Erstausrüstung. Allerdings beobachtet man auch bei Coparts den Markt diesbezüglich sehr genau, eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen. Bis dahin umfasst das Sortiment etwa 1.000 Artikel aus den Bereichen Chemie, Schmierstoffe, Batterien und Werkstattbedarf sowie rund 250 Artikel der Werkstattausrüstung, jeweils für Pkw- und Nkw-Werkstätten. Laut Coparts ist man die erste und bislang einzige Kooperation, die die Produkte aus der Werkstattausrüstung über DVSE in den Tec-Doc-Katalog eingespeist hat. Der Service für die Maschinen und Geräte wird über die eigene Tochterfirma IWS sichergestellt, Schulungen dazu bietet man über die Industriepartner oder eigene Mitarbeiter an.
Schnell verfügbar
Die Teile und Produkte der Zweitmarken sind in der Regel über die Verkaufshäuser oder die Kataloge innerhalb eines Tages verfügbar. Verfügbarkeit und Auffindbarkeit sind gerade bei Zweitmarken sehr wichtig, sonst könnten Werkstätten schnell auf einfacher verfügbare Markenteile umschwenken. Im Idealfall sind die Kataloge so umfassend, dass neben Markenteilen auch die Zweitmarke fahrzeugspezifisch angezeigt wird.
Preisliche Alternative
Die Zweitmarken verstehen sich nicht als Low-Budget-Produkte, sondern als preisliche Alternative zu den Markenprodukten mit hoher Qualität. Da das durchschnittliche Fahrzeugalter kontinuierlich zunimmt und damit auch die Reparaturkosten steigen sowie vor allem Fahrzeuge ab sechs Jahren vermehrt in den freien Markt kommen, haben die Zweitmarken als Alternative eine wachsende Bedeutung. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ein schlagendes Argument und verhilft der Werkstatt zu mehr Umsatz und zufriedenen Kunden, ohne ein Risiko einzugehen. Die Qualität stimmt, auf Ersatzteile werden teilweise bis zu drei Jahre Garantie geboten. Somit haben Werkstätten mit einer Eigenmarke nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal, sondern können dem Kunden eine preislich interessante Alternative zu dubiosen Teilen unbekannter Herkunft aus dem Internet bieten.
Dieser Beitrag stammt aus dem Spezial "Freier Teilemarkt". Hier kommen Sie zum Heftarchiv.