HU-Adapter 21
Die Entwicklung von Sicherheitssystemen in Fahrzeugen ist in den letzten Jahren rasant fortgeschritten. Zudem nimmt die Verbreitung von Elektro- und Hybridfahrzeugen stark zu. Damit steigen auch die Anforderungen an die periodische Fahrzeugüberwachung.
Am 1. Juli 2012, mit dem Inkrafttreten der 47. Änderungsverordnung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften (insbesondere der StVZO), wurde die Nutzung der elektronischen Fahrzeugschnittstelle zentraler Bestandteil für die Hauptuntersuchung (HU). Um hierauf zu reagieren, wurde für die moderne HU von der Fahrzeugsystemdaten GmbH (FSD) in Dresden, einem Non-Profit-Unternehmen aller Prüforganisationen unter Aufsicht des Bundesverkehrsministeriums, der so genannte HU-Adapter 21 entwickelt.
Mit den ersten Prototypen kann bereits jetzt die Prüfung aller in der StVZO neu verankerten Untersuchungskriterien für elektronische Sicherheitsfunktionen effizient durchgeführt werden.
Stufenweise Einführung
„Die Einführung des HU-Adapters 21 erfolgt stufenweise“, erklärt Wolfgang Eichler, Mitglied der Geschäftsleitung der TÜV SÜD Auto Service GmbH. „Auch wenn die Übergangsvorschriften der StVZO seine Nutzung für Fahrzeuge der Klassen M1 und N1 mit Zulassungsdatum ab dem 1. Juli 2012 schon zulässt – zum breiten Einsatz kommt das Prüfgerät erst, wenn diese Fahrzeuge in ausreichender Anzahl zur HU vorgestellt werden.“
Dies könnte ab dem 1. Juli 2015 der Fall sein. Dann wird in Stufe 1, wenn jeder Prüfer mit einem HU-Adapter 21 ausgestattet ist, das Gerät bei der Verbauprüfung von sicherheitsrelevanten Systemen Verwendung finden. Gleichzeitig wird auf Grundlage der ebenfalls zum 1. Juli 2012 wirksam gewordenen Bremsenrichtlinie, die Bremswirkungsprüfung anhand von Bezugswerten durchgeführt. Danach werden in mehreren Stufen die Funktionsprüfung der lichttechnischen Einrichtungen und die Zustandsprüfung aller Systeme bei der HU umgesetzt. „Der Einsatz des HU-Adapters 21 erfolgt zudem für die verschiedenen Fahrzeugklassen zeitlich versetzt“, ergänzt Wolfgang Eichler. Gestartet wird mit den Pkw-Klassen und davon abgeleitete Kleinst-Lkw. Dann folgen die Nutzfahrzeuge der Klassen M2, M3 und N2 und N3. Den Abschluss bildet die Klasse O der Anhänger.
HU-Adapter 21 im Praxistest
Derzeit läuft aber noch ein umfangreicher Praxistest bei allen Überwachungsinstitutionen, um Erfahrungen mit dem neuen Prüfgerät zu sammeln. Der Verordnungsgeber wird im Anschluss hieran dann einen verbindlichen Termin für seine Einführung festlegen. Für die Prüforganisationen bedeutet dies, dass noch Zeit ist, den HU-Adapter 21 optimal in die HU zu integrieren, bevor er zur Pflicht wird. Auch wurde und wird sie genutzt, die Technik intensiv zu testen, zu optimieren und die Bedienung des HU-Adapters 21 möglichst praxisgerecht zu gestalten. Viele seiner Funktionen stehen jedoch heute schon fest und sind einsatzbereit.
So kann das Prüfgerät sofort nach dem Einschalten an die OBD-Steckdose des Fahrzeugs angeschlossen werden. Falls nötig, gibt das geräteeigene Informationssystem fsd.HU21 die genaue Verbausituation der Steckdose für alle Fahrzeuge an. Selbst an schlechte Lichtverhältnisse, zum Beispiel bei im Fußraum verbauten OBD-Steckdosen, wurde gedacht und der Stecker des HU-Adapters 21 mit einer zuschaltbaren LED-Beleuchtung ausgestattet.
Zur zuverlässigen Kommunikation mit dem Bedien- und Anzeigegerät oder den Sachverständigen-PC, verfügt der HU-Adapter 21 über eine Vielfalt an parametrierbaren Schnittstellen. Neben den kabelgebundenen Schnittstellen Ethernet und USB sind dies die Funkschnittstellen Bluetooth und WLAN.
Der Infrastrukturmodus des WLAN-Moduls ermöglicht es zudem, dass sich der HU-Adapter 21 in ein bestehendes WLAN-Netz, zum Beispiel in einer Prüfstelle, als gleichberechtigter Teilnehmer einwählt. Ist dies im mobilen Werkstatt-Einsatz nicht möglich, kann das Gerät auch als access point betrieben werden. Dann spannt der HU-Adapter 21 sein eigenes WLAN-Netz auf, in das sich der Sachverständigen-PC und das Bedien- und Anzeigegerät einwählen können. „Der Datenaustausch zwischen den Geräten ist verschlüsselt“, so Wolfgang Eichler, „und unbefugter Zugriff somit ausgeschlossen.“
Kommunikation mit BUS-System
Für den universellen Einsatz ausgelegt, konfiguriert sich der HU-Adapter 21 an jedem Fahrzeug selbständig. Die Routinen zur Kommunikation mit dem jeweiligen BUS-System sind auf das Prüfgerät manipulationssicher aufgespielt. Ausgelöst werden sie mittels eines über WLAN oder Bluetooth verbundenen Bediengerätes.
Einmal am Fahrzeug angeschlossen, startet der HU-Adapter 21 die Untersuchung der Ausführung und prüft mittels der im Gerät vorliegenden fahrzeugindividuellen Verbaudaten, ob die ursprünglichen Sicherheitssysteme und Funktionen noch unverändert vorhanden sind (so genannter „Sollverbau“). Dazu kommuniziert der HU-Adapter 21 mit den relevanten Steuergeräten im Fahrzeug. Auf diese Weise lässt sich zum Beispiel bei einem Gebrauchtwagen feststellen, ob nach einem Unfall beschädigte Sicherheitsfunktionen ausgebaut wurden.
Um die Fahrzeugdatenerfassung noch leichter zu machen, sieht die Neufassung der StVZO auch vor, QR-Codes zu verwenden. Der manipulationssichere Code, der per Scanner oder Kamera eingelesen werden kann, soll zukünftig alternativ beziehungsweise ergänzend zur VIN alle wichtigen Daten zum untersuchten Fahrzeug an den HU-Adapter 21 übermitteln. „Zurzeit wird noch überlegt, wo der QR-Code am Fahrzeug verbindlich angebracht werden soll“, so Wolfgang Eichler. „Wenn hierüber Klarheit besteht, wird auch er zum Einsatz kommen.“
Das HU-Reformpaket schreibt nun auch eine kurze Prüfungsfahrt mit über 8 km/h bei der HU vor. Der Prüfer kann so Auffälligkeiten am fahrenden Fahrzeug feststellen, um diese dann im Stand näher zu untersuchen. Sie ist aber auch notwendig für die Prüfung der Sicherheitsfunktionen, da während der Fahrt alle Sicherheitssysteme mit Eingriff auf die Bremsanlage, wie ABS, ESP oder ACC, eine Plausibilisierung ihrer Sensoren durchführen und diese Informationen an den HU-Adapter 21 weitergeben.
Anschließend erfolgt, wie bisher, die Bremswirkungsprüfung. Neben den Bremskräften werden jetzt aber auch die jeweiligen Bremsdrücke auf dem Bremsenprüfstand erfasst. Hierzu betätigt der Prüfer die Betriebsbremse mit einer frei wählbaren Kraft unterhalb der Blockiergrenze als Bezugsgröße. Dabei wird der Bremsdruck durch den im Hydroaggregat befindlichen Sensor gemessen und an den HU-Adapter 21 übermittelt. Sind die Bremskräfte in Bezug auf die ermittelten Bremsdrücke größer oder gleich der jeweiligen Vorgabewerte, die das Infosystem fsd.HU 21 bereitstellt, ist die geforderte Mindestabbremsung nachgewiesen. Zudem wird die Bremskraft-Verteilung auf die Achsen bewertet. Auch hier muss der jeweilige Bremskraftanteil der Achsen größer oder gleich der vom Infosystem fsd.HU 21 angegebenen Mindestanteile sein. Zusammen mit der visuellen Durchsicht kann der Prüfer dann eine Aussage treffen, ob die Bremsanlage verkehrssicher ist.
Der HU-Adapter 21 ist auch mit einem dreiachsigen Beschleunigungs- und einem Gierraten-Sensor ausgestattet. Sie ermöglichen es, fahrdynamische Zustände und Schwingungen des Fahrzeugs zu erfassen, aufzuzeichnen und auszuwerten. Anhand der Schwingungscharakteristik, zum Beispiel bei der Probefahrt über eine normierte Schwelle, können so Rückschlüsse zum Zustand der Achsdämpfung gezogen werden.
Hilfe bei den Kernbereichen der HU
Trotz elektronischem Helfer wird auch zukünftig die visuelle Untersuchung des Fahrzeugs wichtiger Bestandteil der HU bleiben. Um aber die rund 100 verschiedenen technischen Komponenten bis hin zum Warndreieck und Verbandkasten effizienter zu prüfen, kann der Prüfer auf die im Informationssystem fsd.HU 21 hinterlegten Fahrzeugdaten zurückgreifen und schnell Reifengrößen, Prüfhinweise für die Abgasuntersuchung oder andere technische Besonderheiten abfragen.
Auch die Prüfung der lichttechnischen Einrichtungen wird mit dem HU-Adapter 21 optimiert. Alle Leuchten können von jeder Position aus am Fahrzeug über das Bedienpanel aktiviert und überprüft werden. Dadurch ist eine schnelle Lokalisierung ausgefallener Systeme, wie zum Beispiel der Bremsleuchten, ohne Hilfe weiterer Mitarbeiter möglich.
„Selbst an die Prüfung von Elektrofahrzeugen wird gedacht“, sagt René Babick, Leiter des HU-Adapter-21-Projektes bei der Auto Service GmbH. „Mit dem HU-Adapter 21 können bereits heute sicherheitsrelevante Funktionen, wie der rekuperative Bremsvorgang, die korrekte Kühlung der Hochvolt-Batterien, der Zustand der so genannten galvanischen Entkopplung zwischen Hochvolt- und 12-Volt-Komponenten und die elektrische Zuheizung der Fahrgastzelle überprüft werden.“ An weiteren Prüfpunkten, wie dem Batteriemanagement, wird gearbeitet.
Die FSD arbeitet zurzeit auch an den Standards für den HU-Adapter 21. Bis 2015 sollen diese endgültig feststehen. Anschließend werden sie von den im ASA-Bundesverband organisierten Geräteherstellern übernommen. Voraussichtlich ab 2020 wird es dann weitere standardisierte HU-Adapter der nächsten Generation auf dem Markt geben.
Die HU-Adapter können auch zukünftig nicht die werkstatteigene Diagnosetechnik ersetzen. Zu unterschiedlich sind die Zielsetzungen. Konkret bedeutet dies, dass bei der HU das Vorhandensein der elektronischen Sicherheitssysteme (Sollzustand) überprüft und ihre vorschriftsmäßige Funktion untersucht wird (Ist-Zustand). Liegt ein Defekt vor, ist das ein Mangel. Der Grund hierfür wird nicht hinterfragt. Das ist auch zukünftig Sache der Werkstatt und muss im Rahmen der Werkstattdiagnose geklärt werden. „Wollen sich Kfz-Werkstätten und HU-Prüfstützpunkte auf die neue HU vorbereiten, sollten sie sich mit deren Kerninhalten vertraut machen“, empfiehlt Wolfgang Eichler. „Hierzu genügt es völlig, die werkstatteigenen Diagnosegeräte auf dem neuesten Stand zu halten und regelmäßig an Schulungen der Diagnosegerätehersteller teilzunehmen.“ Damit ist eines sicher: Aktuelle Kenntnisse zur Instandhaltung und Reparatur der Fahrzeugelektronik werden zukünftig ein noch wichtigerer Schlüssel sein als bisher, Fahrzeuge für eine mängelfreie HU vorzubereiten. Marcel Schoch
- Ausgabe 6/2013 Seite 32 (2.6 MB, PDF)