... Jürgen Wolz, Leiter Technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr in Bayern
Wie weit ist man bei TÜV SÜD mit der Umsetzung der neuen Richtlinie in den eigenen Prüfanlagen?
Wir recherchieren derzeit in unseren Prüfanlagen, um festzustellen, ob und inwieweit wir unsere Systeme nachrüsten müssen. Die meisten unserer Anlagen erfüllen bereits die neuen Anforderungen.
Was sind die größten Herausforderungen?
Die größten Herausforderungen liegen in den Vorgaben an die Ebenheit der Aufstellfläche für das Scheinwerfereinstell-Prüfgerät. Dort ist eine maximale Unebenheit von +/- 1mm auf 1 m vorgegeben. Hier müssen wir sicherlich manche Flächen nacharbeiten. Ähnliches gilt für die Fahrspuren der Kraftfahrzeuge, auch wenn hier größere Unebenheiten zulässig sind.
Bedeutet der Stichtag 1.1.2017, Werkstätten können sich mit der Umsetzung der Richtlinienanforderungen Zeit lassen?
Vom Gesetzgeber wurde die Übergangsfrist gewährt, um eine angemessene Zeit für die erforderliche Umrüstung bzw. Investition zur Verfügung zu stellen. Spätestens zum 01.01.2017 muss das „System zur Einstellung und Überprüfung der Scheinwerfer“ der neuen Richtlinie entsprechen. Andernfalls ist ab dem Zeitpunkt in diesem Prüfstützpunkt keine HU-Durchführung mehr möglich.
Neue Lichtprüfungsvorschriften
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die am 20. Februar 2014 beschlossene Richtlinie 44 für die Einstellung der Scheinwerfer von Kraftfahrzeugen bei der Hauptuntersuchung nach §29 StVZO veröffentlicht. Die Richtlinie ist zweigeteilt und enthält im ersten Teil die so genannte Scheinwerfer-Prüfrichtlinie, die die technischen Inhalte der Scheinwerferprüfung regelt. Im zweiten Teil ist ausführlich die Beschaffenheit der Messplätze geregelt, die ein Scheinwerferprüf- und -einstellplatz in Werkstatt oder Autohaus künftig aufweisen muss. Erste Details der neuen Richtlinie haben wir bereits in asp 3-2014 („Licht und Schatten“, S.32) veröffentlicht. Ziel der neuen Scheinwerferrichtlinie ist die Anpassung der gesetzlichen Vorschriften an den technischen Fortschritt. Denn die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge mit LED-Scheinwerfern, adaptiven Lichtsystemen etc. steigt kontinuierlich. Mit konventionellen analogen Scheinwerfereinstell- und -prüfgeräten (SEP) sind die modernen Lichtsysteme nicht mehr exakt zu messen und einzustellen. Beispielsweise sind aktuelle Lichtgenerationen viel zu grell, um in einem analogen Gerät die exakte Hell-Dunkel-Grenze oder den genauen Knickpunkt eines Lichtkegels zu bestimmen.
Die heute übliche hohe Lichtausbeute und die Präzision in der Lichtführung bedürfen darum der gesetzgeberischen Anpassung in den Prüfungsvorschriften zur Hauptuntersuchung (§ 29 StVZO).
Für viele Werkstattunternehmer ist die neue Richtlinie mit Investitionen verbunden. Zum einen sind manche alten, analogen Messgeräte wegen fehlender Kalibrierfähigkeit oder Genauigkeit längstens noch bis zum 31.12.2016 nutzbar. Besondere Anforderungen stellt die neue Richtlinie auch an den erforderlichen Lichtmessplatz. Er muss eben sein und darf ein maximales Gefälle von 1,5 Prozent aufweisen. Darüber hinaus sind gewisse Unebenheiten in der Fläche zulässig, deren Grenzmaße sich an der Funktion der Fläche orientieren. So sind für die Fahrspuren größere Unebenheiten zulässig als für die Stellfläche des SEP. Zur Prüfung vorgestellte Fahrzeuge müssen zudem entsprechend vorbereitet werden. Zur Vorbereitung gehört unter anderem, dass sich die Fahrwerksfedern im Normalzustand befinden. Eine Überprüfung direkt nach dem Anheben des Fahrzeuges führt also zur Falscheinstellung. Hier sollte erst eine kurze Probefahrt durchgeführt werden, um den Normalzustand wieder herzustellen. Darüber hinaus sind die Einstellung des korrekten Luftdrucks sowie der Tankinhalt und die Beladung des Kofferraumes zu berücksichtigen.
Auch bei TÜV SÜD rüstet man derzeit die eigenen Prüfanlagen auf die neue Richtlinie um (siehe Kurzinterview). Jürgen Wolz von TÜV SÜD empfiehlt Werkstätten, sich frühzeitig um eine Aufrüstung ihres Equipments zur Lichteinstellung und -messung zu kümmern. „Der Einsatz der digitalen Scheinwerfereinstell- und Prüfgeräte ist auch heute schon absolut sinnvoll, denn diese Geräte liefern deutlich präzisere und bessere Ergebnisse als die meisten analogen Systeme.“
Glasreparatur-Service
70 Prozent aller Glasschäden erfordern einen Austausch der Scheibe, nur knapp ein Drittel kann tatsächlich repariert werden. Das geht aus einer Meldung von TÜV SÜD hervor. Häufig zeigen sich Schäden an der Frontscheibe nach dem Winter. Bei den ersten Sonnenstrahlen oder auch Regen wird deutlich, welche Spuren Salz und Split, gepaart mit häufigem Scheibenwischereinsatz, hinterlassen haben. Lassen sich Kratzer und Schleifspuren mit entsprechenden Glaspolituren bei fachkundiger Anwendung oft auspolieren, sind Steinschläge häufig nur durch den Einbau einer neuen Scheibe zu beseitigen. In 70 Prozent aller Fälle sind Steinschläge oder Risse zu groß und liegen zudem innerhalb des in der StVZO als irreparabel definierten Bereichs. Dieser so genannte Fernsichtbereich liegt bei Steinschlägen, deren Krater grundsätzlich nicht größer als fünf Millimeter sein darf, vertikal 14,5 Zentimeter rechts und links von der Lenkradmitte und wird horizontal durch das Scheibenwischerfeld nach oben und unten begrenzt. Irreparabel sind zudem Risse, die länger als fünf Zentimeter sind, im Randbereich liegen oder bis auf die Zwischenfolie der Verbundfrontscheibe reichen. Repariert werden Steinschläge mit maximal fünf Millimeter Durchmesser und außerhalb des Fernsichtfelds des Fahrers mit speziellen Kunstharzen, die unter Druck in den Steinschlagkrater eingebracht und mittels UV-Licht ausgehärtet werden.
„Wichtig ist, dass sich der Fahrzeughalter schnell an eine Fachwerkstatt wendet, um Steinschläge beseitigen zu lassen“, sagt Eberhard Lang von TÜV SÜD in München. Die Kosten für eine Steinschlagreparatur liegen im Bereich von 100 Euro. Es sei denn, die Versicherung des Fahrzeughalters honoriert die Reparatur der Scheibe und verzichtet auf die Geltendmachung des in der Teilkaskoversicherung üblicherweise fälligen Selbstbehalts.
Crashtech 2014
Werden Crashversuche und hohe Investitionen in die passive Fahrzeugsicherheit angesichts einer steigenden Zahl von Assistenzsystemen künftig überflüssig? Das war die provokante Einstiegsthese von Dr. Lothar Wech von TÜV SÜD bei der Tagung Crashtech 2014. Die Veranstaltung hat TÜV SÜD Anfang der 1990er Jahre aus der Taufe gehoben. Sie findet seitdem jährlich statt und ist zu einem Treffen hochkarätiger Experten geworden, die aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen stammen und sich einmal im Jahr zum Meinungsaustausch über neue Entwicklungen in der aktiven und passiven Fahrzeugsicherheit treffen. Auf der diesjährigen Tagung waren sich die Experten darin einig, dass Dummies auch künftig nicht arbeitslos werden. Zwar würden Crashtests heute bereits durch immer mehr Computersimulationen ergänzt. Gleichzeitig steige die Zahl der Tests insgesamt an. Neue Fahrzeugkonzepte, beispielsweise zur Elektromobilität, verlangen neue Sicherheitskonzepte. Eine Reduzierung der Unfallzahlen erhofften sich die 130 Experten auf der Crashtech 2014 auch vom autonomen Fahren. Unfallfrei werde aber auch das nicht abgehen. Sorgen bereitete den Experten das zweite Schwerpunktthema, die Sicherheit von Quads und Zweirädern. Viele Quad-Käufer seien von den Fahreigenschaften oft überfordert. Das Fahrverhalten von Quads sei weder mit dem eines Motorrades noch mit dem eines Autos vergleichbar. Das Risiko, mit einem Quad tödlich zu verunglücken, ist, bezogen auf die Kilometerleistung, zehn Mal höher als mit einem Pkw. Ähnlich hoch ist die Gefahr bei Motorrädern, die wie Quads auch künftig kaum Möglichkeiten für den Einbau passiver Sicherheitssysteme bieten.
TÜV SÜD Auto Service
Jürgen Wolz
Tel. 0 89/57 91-23 20, Fax -23 81
juergen.wolz@tuev-sued.de
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Weiterbildungsangebote im Netz:
TÜV SÜD Akademie www.tuev-sued.de/akademie
Arbeitssicherheit im Autohaus (Basis I)...
... ist der Titel einer Veranstaltungsreihe für Sicherheitsbeauftragte, Führungskräfte, Betriebsräte und Betriebsangehörige im Autohaus, die auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit tätig sind. Der erste Teil der Reihe, Basis I genannt, vermittelt unter anderem rechtliche Rahmenbedingungen, zeigt Anforderungen von Berufsgenossenschaften/Arbeitsschutzbehörden, bietet Unterstützung für die Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Betrieb, zeigt an Beispielen den Umgang mit Gefahrstoffen auf und informiert über Arbeitsplatzgefahren im Kfz-Betrieb. Das Seminar findet am
16.6. in Berlin, am 17.6. in Hamburg, am 24.6. in Nürnberg und am 30.6. in Essen statt. Weitere Termine auf Anfrage.
- Ausgabe 5/2014 Seite 52 (2.6 MB, PDF)