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Fahrbericht VW Golf Variant Alltrack TDI: Heute mal anders

08.12.2021 10:00 Uhr | Lesezeit: 6 min
Für den Alltrack-Aufpreis von etwa 2.000 Euro gibt es dann aber nicht nur den Allradantrieb, sondern noch 50 Extra-PS sowie die Alltrack-Merkmale.
© Foto: Michael Blumenstein / Autoflotte

Deutschland liebte den Golf. Er war über Dekaden die unangefochtene Nummer eins, meist auch in Flotten. Das ändert sich derzeit, obwohl er noch nah am Optimum dran ist – nicht nur in der Kompaktklasse.

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Den Golf (er)kennt jeder – zumindest in Europa und in Deutschland. Wolfsburgs Bestseller hat sich über fast 50 Jahre seinen eigenen Charakter bewahrt – unbeeindruckt von Design-Kapriolen der Mitbewerber. Das ist gut. Und langweilig zugleich. Aber eben auch beständig. Dennoch schwindet die Fangemeinde zusehends. Denn die Alternativen surren oft elektrisch, das kann der Golf bestenfalls teilweise.

Für fast alle was dabei

Zu bieten hat der Golf 8 dennoch viel. Für fast alle. Selbst für Individualisten, die etwas von der Norm abweichen möchten. Die entdecken eventuell eine Variante des Variant, wie Kombi-Gölfe seit jeher genannt werden. Der Zusatz Alltrack verspricht das Besondere. Dargeboten wird es in Form von robust erscheinenden Anbauteilen rundherum und mehr Bodenfreiheit. Plus 15 Millimeter lautet die Formel. Somit ist die Spanne zwischen tiefergelegtem GTI (minus 15 Millimeter), Normalversionen und Alltrack nicht sonderlich groß. Doch 1,5 Zentimeter nach oben machen oft den Unterschied. Sei es beim Parken frontal zum Bordstein, beim Fahren auf den Duplex-Parkplatz oder eben für die, die den Golf Variant Alltrack wirklich benötigen könnten: Projektierer. Denn da gibt es tatsächlich ganze Fuhrparks, die ein geländegängiges Fahrzeug für die Mitarbeiter benötigen. Diese kümmern sich häufig um Anlagenbau wie Windräder, Photovoltaik- oder Geothermieanlagen oder andere Projekte, die auf weiter Flur entstehen und regelmäßig angefahren werden müssen.

Doch wenn auch die Wege nicht immer asphaltiert sind, ist der Griff zum SUV zwar naheliegend, jedoch nicht immer nötig. Denn auch ein Golf Alltrack mit erhöhter Bodenfreiheit kann das Vorwärtskommen sichern und ist auf der Autobahn dennoch ein komfortabler Kilometerfresser mit geringem Spritzuschlag – und zwei Tonnen dürfen auch hier an den Haken. Zurück zu den Geländeeigenschaften, bei denen Allradantrieb alleine hin und wieder nicht die Wege ebnet. Nämlich dann, wenn die Spurrillen zu tief oder der Schnee zu hoch sind. Aber einen guten Allradantrieb an Bord zu haben ist eben nicht nur beim Ziehen von Anhängern und miesen Straßenverhältnissen eine sichere Bank. Er kann auch im Trockenen dazu beitragen, dass der Wagen sicherer seine Bahnen zieht.

Souverän zu fahren

Der Golf tut das per se mit einer stoischen Ruhe. Egal, ob auf kurvenreichen Strecken oder auf der Autobahn-Langstrecke. Es gibt wohl nach wie vor kaum ein Fahrzeug in der Kompaktklasse, das souveräner zu fahren ist. Woran das liegt? Am nahezu perfekten Gesamt-Setup. Das Fahrwerk des Testwagens war zwar mit 880 Euro teuren Adaptiv-Dämpfern ausgestattet. Diese Geld ist dort aber besser investiert als die 550 Euro in die 18-Zoll-Bereifung (Testwagen). Ab Werk sind 17-Zöller montiert, auch das steht dem Alltrack. Die Stoßdämpfer bieten eine tolle Spreizung zwischen wirklich komfortabel und recht sportiv. Wir haben den Slider unter dem Infobildschirm – der die Dämpferanpassung übernimmt – meist nach ganz links gestrichen; dort ist übers Menü der Komfortmodus zu finden. So justiert schwebt der Alltrack über Unebenheiten und liegt dennoch satt und sicher. Schön ergänzt wird die stoische Gelassenheit von einer Lenkung die sauber und direkt agiert und gleichzeitig Ruhe auch beim Schnellfahren bringt.


VW Golf Variant Alltrack TDI

VW Golf Variant Alltrack TDI Bildergalerie

Ergonomiesitze nicht erhältlich

Damit der Fahrer alles unter Kontrolle hat, hat VW einen Arbeitsplatz arrangiert, der sich vielfach justieren lässt und somit für jeden eine gute Sitzposition finden lassen müsste. "Komfortsitze" nennen sich die einzig erhältlichen, recht weichen Sitze im Alltrack. Hierbei ist leider weder die Schenkelauflage verlängerbar noch ist diese in der Neigung verstellbar. Auch die Lordosenstütze steht eher einem Dacia gut zu Gesicht als einem 40.000-Euro-Golf, denn diese ist lediglich mittels Hebel manuell in den Rücken rammbar. Also rein oder raus. Da bietet VW eigentlich mehr – auch im Golf.

Doch die zertifizierten Ergo-Active-Sitze sind im Alltrack nicht lieferbar. VW lässt auf Nachfrage folgendes verlauten: "Diese Sitze sind Bestandteil des Alltrack-Pakets und geben dem Fahrzeug seinen individuellen Charakter innerhalb der Golf-Variant-Modellreihe. Deshalb werden für den Alltrack keine Ergo-Active-Sitze angeboten." Ein Manko für Vielfahrer.

Immerhin werden die sich irgendwann an die Bedienung des Infotainmentsystems gewöhnen, über das stets umständlich auch die Temperatur geregelt wird. Shortcuts – beispielsweise für die Sitzheizung (Doppeltipp auf die Temperaturfläche) –, helfen zwar, doch nachts sind die Slider unbeleuchtet und allzu oft wischt man an der falschen Stelle und verändert versehentlich die Temperatur oder Lautstärke der Musikbeschallung. Sie merken es, die Bedienung ist nach wie vor ein Kritikpunkt und Pool- und Leihwagen-Nutzende werden meist nicht verstehen, wie sich etwas einstellen lässt. Eilige werden oft doppelt gedrückt haben, bevor sich etwas tut. Denn das System ist sehr träge und eine haptische Rückmeldung, dass gedrückt wurde, fehlt. Die Sprachbedienung ist auch nur manchmal eine Hilfe, sie hört einfach nicht gut zu.

Gut zuhören müssen Fondinsassen auch, wenn sie mit "vorne" kommunizieren möchten. Nicht wegen der hohen Innengeräusche während der Fahrt als vielmehr aufgrund des Abstands, was für das Platzangebot im Golf spricht. Der Radstand wächst gegenüber der Fünftürer-Version um satte sechs Zentimeter und bringt Platz wie in der Mittelklasse. In den Kofferraum passen etwas mehr als 600 Liter, das ist guter Durchschnitt.

Ausschließlich Diesel

Mehr als Durchschnitt bietet VW beim Antrieb. Im Alltrack-Golf gibt es zwar keine Wahl, es agiert stets der eine Diesel, der hat es aber in sich. 200 PS und 400 Newtonmeter lauten die Kennziffern, die in der Verbrenner-Welt noch immer aufhorchen lassen. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ist obligatorisch und zusammen ergibt das einen sehr souveränen Antrieb, der untenrum zwar etwas mau antritt und obenrum laut wird, aber im am meisten genutzten Drehzahlbereich laufruhig und superstark ist. Und volle Leistung muss nur selten abgerufen werden. 55 Liter Diesel und zwölf Liter Adblue passen in die Tanks und ergeben im ersten Fall eine Reichweite von gut 800 Kilometern.

Auf der Langstrecke laufen wohl meist gut sechs Liter durch, einen Liter weniger schafft man beim entspannten Landstraßen-Bummeln. Adblue muss in jedem Fall zwischen den Wartungsintervallen aufgefüllt werden, hier wäre ein größerer Tank sinnvoll. Denn aufgrund des höheren Aufbaus, des Allradantriebs – der nach dem Haldex-Prinzip arbeitet – und dem damit verbundenen Mehrgewicht von rund 80 Kilogramm nippt der Alltrack ein paar Zehntel mehr Sprit als der normale Kombi, den es jedoch gar nicht in dieser Leistungsstufe gibt. All das macht sich auch in der Endgeschwindigkeit bemerkbar, die mit 229 km/h (nur) sechs km/h über der des frontgetriebenen 150-PS-Diesels liegt.

Der Preis ist heiß

Erstaunliches kommt beim Preis zum Vorschein. Den Alltrack gibt es ab 34.454 Euro. Was auf den ersten Blick nach viel aussieht, relativiert sich bei näherer Betrachtung. Ein Golf Variant 2.0 TDI mit 150 PS und DSG in der Ausstattungslinie Life oder Style kostet ausstattungsbereinigt (sofern möglich) nämlich bereits rund 32.500 Euro. Für den Alltrack-Aufpreis von etwa 2.000 Euro gibt es dann aber nicht nur den Allradantrieb, sondern noch 50 Extra-PS sowie die Alltrack-Merkmale. Hallo VW, wer hat sich denn da verrechnet?

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