Von Benjamin Bessinger/SP-X
Wladimir Putin ist nicht nur Präsident, sondern auch Patriot – und macht dafür sogar persönlich so mache Einschränkung. Denn nachdem das russische Staatsoberhaupt jahrelang begeisterter Mercedes-Kunde war und sich im Pullman über den Roten Platz hatte chauffieren lassen, gibt er jetzt wieder einer Eigenmarke die Ehre. Und weil ZIL als Repräsentationsmanufaktur schon längst nicht mehr existiert, hat er einen neuen Autohersteller namens Aurus aus der Taufe heben und sich einen eigenen Luxusliner bauen lassen. Was US-Präsident Trump sein "Beast", das ist Putin deshalb der Aurus Senat: eine Trutzburg auf Rädern, die jede Menge Pomp bietet, eine kugelsichere Panzerung, reichlich Platz und allen Luxus dieser Welt.
Bis dahin ist das eine Geschichte, die bereits seit dem letzten Sommer bekannt ist und tatsächlich viele Parallelen zum Cadillac des Weißen Hauses hat. Schließlich lässt der Kreml keine Gelegenheit aus, sich mit seiner neuen Staatslimousine sehen zu lassen. Doch jetzt haben die Russen in Genf ein weiteres Kapitel dieser noch jungen Story geschrieben, das neu ist, das ungewöhnlich ist und fast schon kommunistische Züge hat. Denn Putin will den Aurus nicht für sich alleine und für seine Kader. Und auch nicht nur für andere russische Oligarchen. Sondern auf dem Genfer Salon haben die Russen verkündet, dass es Aurus auch ins Ausland zieht.
Aurus-Chef war früher bei Daimler
Der Mann, der die phonetisch aus Aurum für Gold und Rus für Russland komponierte Marke groß machen soll, ist einer, der sich mit Premium genauso auskennt wie mit Putins Reich. Denn der neue Chef Franz Gerhard Hilgert hat erst für Daimler in Russland gearbeitet und danach als Berater. Statt in Rente zu gehen, will es Hilgert jetzt noch einmal wissen und sagt Maybach, Bentley und Rolls-Royce den Kampf an.
Zwar weiß auch Hilgert, dass das große Namen mit einer langen Tradition sind, aber genau darin sieht er für Aurus die Chance. “Denn Exklusivität ist alles in diesem Geschäft. Und deshalb haben sich viele an den üblichen Autos satt gesehen”, ist er überzeugt. "Wenn es in einer Straße schon 14 Bentleys gibt, dann sind die nächsten zwei Autos vielleicht welche von uns", gibt er den Optimisten.
Am Produkt jedenfalls soll es nicht liegen. Der Senat sieht schließlich nicht nur aus wie eine Mischung aus dem alten Chrysler 300 und Rolls-Royce Phantom, sondern ist auch ganz ähnlich positioniert: Nur wenig teurer als eine Mercedes-S-Klasse will er tatsächlich den Luxus bieten, den man sonst nur von den edlen Engländern kennt – handvernähtes Leder, digitale Instrumente, vielfach verstellbare Massageliegen im Fond, die obligatorische Trennscheibe zum Fahrer und große Bildschirme fürs Infotainment inklusive.
Angeboten wird der Senat als 600er im Format der langen S-Klasse oder als 700er mit Pullman-Dimensionen und serienmäßiger Sonderschutzausstattung. Dann ist der Luxusliner 6,63 Meter lang und bietet bei 4,30 Metern Radstand hinter armdickem Panzerglas in zentnerschweren Türen Platz für zwei Liegesessel wie im First-Class-Flieger sowie zwei kleine Sessel für dienstbare Geister, die entgegen der Fahrtrichtung reisen.
Unter der Haube steckt dabei ein von Porsche für die Russen entwickelter V8-Hybrid, der aus 4,4 Litern Hubraum auf eine Systemleistung von 441 kW / 600 PS kommt und mit bis zu 880 Newtonmetern zu Werke geht – genug, um den Koloss in bestenfalls sechs Sekunden auf Tempo 100 zu beschleunigen und standesgemäß mit 250 Sachen über die linke Spur zu fliegen.
Knapp über Mercedes, aber weit unter Rolls-Royce
Für Preise ist es freilich noch viel zu früh, doch gibt Hilgert zumindest schon mal einen Anhaltspunkt: Knapp über Mercedes, aber weit unter Rolls-Royce werde der Senat rangieren. Wobei es nach oben natürlich keine Grenzen gibt und die voll ausgestattete Langversion mit serienmäßiger Panzerung, Barfach, Massagesesseln und Flachbildschirmen gut und gerne eine Million kosten wird. Aber beim Stufenheck will er es nicht belassen: Wie es sich auch für eine Marke im Oberhaus mittlerweile gehört, wird es zeitgleich ein Super-SUV geben und wer nicht gerne alleine unterwegs ist, bekommt von Aurus auch einen Luxus-Van. Außerdem sinniert Hilgert fürs Image über ein Cabrio und ein Coupé.
Bis es soweit ist, wird es allerdings noch ein wenig dauern. Zwar hat Aurus gerade ein paar hundert Millionen von einem Fond aus Abu Dhabi eingesammelt. Aber davon muss Hilgert jetzt erst einmal eine Fabrik aus dem Boden stampfen, die im fernen Tatarstan entsteht und pro Schicht und Jahr 5.000 Autos ausstoßen soll. Weil Hilgert nicht mehr als zwei Schichten fahren will, rechnet er mittelfristig mit maximal 10.000 Autos und würde sich damit irgendwo zwischen Bentley und Rolls-Royce einpendeln.
Fürs erste allerdings muss Hilgert mit seinem großen Autos noch kleine Brötchen backen: Zwar schreiben seine Vertreter schon kräftig Aufträge, doch die Produktion ist noch arg limitiert, Putins Auto wurde weitgehend von Hand gefertigt und bislang wird fast ausschließlich der Kreml beliefert. Der hat das Projekt schließlich initiiert.