Der Mercedes-Benz 300 SL sieht nicht gesund aus. Der jüngst auf einer Auktion in Scottsdale, Arizona, verkaufte Flügeltürer ist einer von nur 1.400 zwischen 1954 und 1957 gebauten Exemplaren. Das DB40 Schwarz, in dem laut Auktionskatalog der Firma Gooding & Company nur 108 Exemplare lackiert wurden, ist matt, die eleganten Chromstoßstangen blind. Schwingen die Flügeltüren auf, lassen die Schmerzen mitnichten nach: Das feine, dunkelrote Leder ist zerknittert und löchrig, Verkleidung und Himmel hängen in Fetzen.
Wie der SL aussah, als er am 16. April 1957 auf ein Schiff mit Ziel Los Angeles verladen wurde, war auf der gleichen Auktion zu bestaunen und zwar an einem komplett restaurierten Flügeltürer in der Farbkombi schwarz und rot, ebenfalls Baujahr 1956. Der eine SL sieht aus wie der tadellose Zwilling des anderen: auf Hochglanz poliert, ein Sportwagen-Schmuckstück, das in jeder Sammlergarage einen Ehrenplatz bekäme. 1,4 Millionen Dollar zahlt ein Bieter für den glänzenden 300 SL. Doch auch sein angejahrter Bruder findet einen Liebhaber. Und der legt fast 500.000 Dollar mehr auf den Tisch als das restaurierte Exemplar gekostet hat. Der Hammer für den unrestaurierten Flügeltürer fällt bei märchenhaften 1.897.500 Dollar (ca. 1,4 Millionen Euro).
Wer nun vermutet, der Wagen habe vielleicht früher Sophia Loren oder Clark Gable gehört, beides prominente 300 SL-Besitzer, und deshalb einen so hohen Preis erzielt, irrt. Einen William "Ike" Eichelkraut, Ingenieur in der US-Rüstungsindustrie, weist der Auktionskatalog als ersten Besitzer aus. Nach einem Zwischenstopp in einer Sammlergarage kam das Coupé 1965 zu seinem bis dato letzten Besitzer, der ihn ungefähr eine Dekade fuhr – davon zeugt die Inspektionsplakette von 1975 auf der Windschutzscheibe – und dann in seiner Garage stehen ließ.
In dem 58 Jahre alten Sportwagen ist quasi alles noch original – wenn auch teilweise in keinem besonders guten Zustand, wie die Bilder zeigen. Aber genau das scheint den neuen Besitzer zu faszinieren. Denn hätte er ein funktionstüchtiges Exemplar im Top-Zustand gesucht, wäre er auf der gleichen Auktion ja günstiger davon gekommen. Der restaurierte Zwilling des schwarzen Flügeltürers wurde nach seinem Wiederaufbau 2007 nur rund 1.000 Meilen gefahren und wartet dementsprechend nur darauf, von entzückten Fans beim Vorbeifahren bewundert zu werden. Sein Bruder, der im Dornröschenschlaf lag, steht hingegen sogar noch im Originallack da.