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Weltpremiere Elektro-SUV Mercedes EQC: Spannung in Serie

05.09.2018 10:06 Uhr
Der erste Elektro-Mercedes kommt im späten Frühjahr nächsten Jahres auf den Markt.
© Foto: Mercedes-Benz

Der erste Elektro-Mercedes kommt im späten Frühjahr nächsten Jahres auf den Markt. Der EQC hat das Format der Mittelklasse zum Oberklassenpreis, macht vieles anders als herkömmliche SUV und doch gibt es große Ähnlichkeiten – unter anderem beim Verbrauch.

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Von Peter Maahn/SP-X

Noch nie war ein Mercedes so spektakulär unspektakulär. Anstatt den neuen EQC mit einer eher futuristischen Karosse auf die Reise zu schicken, wählten die Stuttgarter bei ihrem ersten ernstzunehmenden Elektroauto den konservativen Weg. Die Außenhaut verzichtet fast völlig auf die üblichen Falze und Sicken, gleitet aalglatt durch den Fahrtwind. "Mit seinem nahtlosen, klaren Design ist der EQC ein Vorreiter einer avantgardistischen Elektro-Ästhetik", sagt Design-Chef Gorden Wagener. Pfiffige Akzente an Bug und Heck nennt er "wegweisende Designdetails". Letztere sorgen dafür, dass der Betrachter zwar merkt, dass da etwas anders am neuen SUV ist, das Ungewöhnliche aber erst auf den zweiten Blick benennen kann.

Ein sicher kluger Schachzug der 130 Jahre alten Traditionsfirma, die jetzt die Zukunft zur Gegenwart macht. Der Stromer mit Stern wird nämlich nicht unter 70.000 Euro zu haben sein. Und in dieser Preisklasse sind nun mal betuchte Zeitgenossen unterwegs, deren Auto eher lautlos gediegen anstatt im marktschreierischem Öko-Look durch den Verkehr rollen soll. Für ein Auto der C-Klasse-Familie fast schon den Preis einer S-Klasse ins Schwabenland zu überweisen, diese Bereitschaft muss da sein.

Technisch basiert der EQC auf dem GLC, dem erfolgreichsten Mercedes-SUV, er läuft in Bremen sogar die meiste Zeit auf dem gleichen Band. Der Rundgang um den 4,76 Meter langen Neuling (zehn Zentimeter weniger als der GLC) wäre recht flott absolviert, wenn da nicht die Hoppla-Stopps wäre. Zur Beispiel die Frontpartie mit ihrer pechschwarzen Fläche, die sich rund um Scheinwerfer und Kühlergrill zieht. Ihren oberen Anschluss bildet ein Leuchtenband, das die beiden Tagfahrlichter miteinander verbindet. Es darf jedoch tagsüber in Deutschland ebenso wenig verwendet werde wie die Beleuchtung des Marken-Sterns. Die serienmäßigen LED-Scheinwerfer stecken in schwarzen Gehäusen, durch die sich blaue Streifen ziehen, die an Adern erinnern. Blau ist die Symbolfarbe der neuen Elektromarke EQ von Mercedes, deren Erstgeborener eben der EQC ist.

Abfalllende Dachpartie sirgt für Dynamik

In der recht schmucklosen Seitenpartie fällt die nach hinten abfallende Dachpartie auf, die für optische Dynamik und die Unterscheidung zum vertrauten Bild eines GLC sorgen soll. Das Heck glänzt wie sein Pendant am vorderen Ende mit LED-Spielen. Die beiden schmalen Rückleuchten sind durch eine filigrane rote Lichtleiste miteinander verbunden, was als EQC-Erkennungszeichen bei Nacht dienen soll. Allerdings hat sich Mercedes dabei ein wenig am Stuttgarter Nachbarn Porsche und dessen Macan orientiert.

Ein Blick nach innen macht letztlich aber doch klar, dass es sich um ein besonderes Auto handelt. Obwohl der Breitwand-Monitor in ähnlicher Art schon in der A-Klasse Dienst tut, zeigt er im EQC in besonderer Form die gewünschte Wirkung des Neuartigen. Alles digital, mit wechselnden Farben zum Beispiel beim Beschleunigen, mit gestochen scharfem Bild und allerlei Touchscreen-Funktionen. Darunter dann die analoge Welt mit neu gestalteten, schmalen Luftauslässen und einer zweireihigen, klassischen Sammlung von Tasten (zum Beispiel für Heizung und Klima) und Knöpfen zum Schnellaufruf von Telefon, Radio oder Warnblinker. In Summe sieht Letzteres nicht nur fein und teuer aus, sondern liefert künftigen Kunden auch jahrelang Vertrautes.

Doch all das bietet nur die Ouvertüre für den wichtigsten Auftritt am EQC. Die Batterie mit ihren 364 Zellen ist im Souterrain der Karosserie zu Hause, crashsicher umrahmt von einem stählernen Kragen. Die beiden Motoren sind jeweils über den Achsen montiert, die sie auch exklusiv versorgen. So geht Allradantrieb heute. Zum komplizierten Ganzen gehören Steuerelektronik, Kühlung und Heizung für die Akkus und diverse Sicherheitssysteme wie eine Sofortabschaltung der Hochspannung im Falle eines Unfalls.


Mercedes-Benz EQC (2020)

Mercedes-Benz EQC (2020) Bildergalerie

80 Kilowattstunden stecken im Stromspeicher. Sie ermöglichen den Motoren eine Gesamtleistung von 300 kW / 408 PS und entsprechende Fahrleistungen. Allerdings ist mit Rücksicht auf die Reichweite bei 180 km/h Schluss. Denn auch im EQC gilt das Gesetz allen Energieverbrauchs: Ein schwerer Gasfuß kostet wie in einem klassischen Verbrenner wertvolle Kilometer. Da der Mercedes laut Konzernchef Dieter Zetsche erst im "späten Frühjahr" 2019 zum Kunden stromern soll, ist er noch nicht nach der seit 1. September geltenden WLTP-Norm gemessen. Nach altem Standard NEFZ kommt er etwa 450 Kilometer weit, ehe er ans Kabel muss. Da die neue Testregel deutlich strenger ist, werden beim EQC wohl um die 400 Kilometer herauskommen.

Ein guter Wert, dessen Erreichung aber die Behutsamkeit und Voraussicht des Fahrers erfordert. Um ihn zu unterstützen, gibt es zahlreiche Betriebsmodi. So kann der Grad der Energierückgewinnung (Rekuperation) selbst bestimmt werden. Im extremsten Fall kann auf die normale Bremse außer im Notfall fast völlig verzichtet werden. Runter vom Gas und der SUV verzögert schlagartig sogar bis zum Stand. Dazu arbeitet der Bordcomputer auch mit dem Navi zusammen. Überlässt der Fahrer dem Abstandsradar die Kontrolle, erkennt das Navigationssystem Topographie wie Steigungen oder abschüssige Passagen, Kurven und Verkehrsschilder. So wird das jeweils stromsparendste Tempo errechnet.

Bei wenig Strom schaltet sich "Notprogramm" ein

Droht die Gefahr, dass das gewünschte Ziel nicht erreicht werden kann, verfällt der EQC in eine Art Notprogramm, regelt alle Systeme auf Sparflamme runter und sucht nach der nächsten Stromtankstelle, die noch sicher angesteuert werden kann. Da dies alles online per Internetanbindung läuft, ist natürlich in weiten Gegenden Deutschlands mit chronischer Unterversorgung vorausschauendes Fahren geboten. Findet man eine der bis zu 110 kW starken Gleichstromsäulen, dauert das Aufladen von zehn Prozent Restenergie auf 80 Prozent rund 40 Minuten. Zu Hause kann die Mercedes-eigene Wallbox montiert werden. Sie liefert rund 7,5 kW pro Stunde. Noch nennt Mercedes keine Zahlen. Das komplette Aufladen, zum Beispiel über Nacht, dürfte aber etwa neun Stunden dauern. An der normalen Haushaltssteckdose muss mit der dreifachen Zeit gerechnet werden.

Der EQC und ein Blick in seine noch unvollständigen Daten macht wieder einmal klar: Das elektrische Fahren fordert Umdenken. Weg vom Tempowahn auf der linken Spur, hin zur Gelassenheit, die aber nicht zwangsläufig in permanenter Schleichfahrt münden muss. Eine andere Art von Fahrspaß als in den letzten 100 Jahren. Garniert ist als alles mit neuen Ideen und elektronischen Leckerbissen. So steuert eine Funktion des Tempomat den Mercedes bei einem Autobahn-Stau automatisch an den Rand, um eine Rettungsgasse frei zu lassen. Eine App vereint die meisten Stromanbieter und erspart an den Ladesäulen das langwierige Einloggen oder Registrieren. Einmal hin, alle drin. Und die Steuerung per App bekommt immer mehr Funktionen. "Hallo Mercedes" heißt das Sprachkommando und wartet dann auf Befehle oder Fragen.

Bei aller Euphorie im Hause Mercedes: Der EQC, immerhin 2,4 Tonnen schwer, bleibt ein Kompromiss, da er sich die Basis schließlich mit einem konventionellen Brüderchen, dem GLC, teilt. So zum Beispiel braucht er eigentlich keinen Mitteltunnel, hat ihn aber trotzdem, was unnötig Platz kostet. Auch der klassische Motorraum vorne könnte in einem als reines E-Auto konzipierten Modell deutlich kleiner ausfallen. Der erste EQ ist aber ein Anfang. Eine ganze Modellfamilie in allen Segmenten, von Anfang an nur auf Elektroantrieb ausgelegt, wird folgen. Zetsche bei der Stockholmer Premiere: "Wir investieren zehn Milliarden Euro in den nächsten Jahren".


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