Von Michael Gebhardt/SP-X
Mercedes ohne die G-Klasse? Daran können sich nur die über Fünfzigjährigen erinnern. Schließlich gehört der kantige Geländewagen seit Frühjahr 1979 zum Modellprogramm der Stuttgarter. Und spätestens seit Anfang der 80er dürfte der G auch allen Nicht-Automobilisten ein Begriff sein: Aus einem perlmuttfarbenen 230 G mit gläsernem Sonderaufbau winkte seinerzeit Papst Johannes Paul II. den Gläubigern zu. Ob als Papamobil, als raubeiniges Arbeitstier im schweren Gelände, als cooler Begleiter im City-Dschungel oder als High-End-Nobel-Cabriolet G 650 Landaulet mit Maybach-Insignien: Die G-Klasse scheint allen Aufgaben gewachsen sein. Und sie ist nicht kleinzukriegen: Im Sommer 2017, 38 Jahre nach dem Marktstart, rollte die dreihunderttausendste G-Klasse vom Band im österreichischen Graz, und nur wenige Monate später schlägt Mercedes das nächste Kapitel der Erfolgsgeschichte auf und zeigt auf der Auto Show in Detroit wie es mit dem Klassiker weiter geht.
Man sieht es dem 107.040 Euro teuren G 500, der im zum Parkhaus umfunktionierten Michigan-Theater in Downtown Detroit enthüllt wurde, nicht an, doch die jüngste Evolution war der größte Schritt in der Geschichte der G-Klasse – nur drei Bauteile wurden unverändert vom Vorgänger übernommen; unter anderem die Türgriffe. Natürlich haben die Stuttgarter den Geländegänger in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder auf den aktuellen Stand der Technik gebracht und nachgerüstet, was nachzurüsten war. Zuletzt aber hat der Benz ein wenig den Anschluss an die mit hoher Drehzahl gen Zukunft steuernde Pkw-Welt verloren.
Unberührt: G-typischen Details
Jetzt setzt er zu einem Riesensprung an, um wieder im Hier und Heute zu landen. Aber: All die neue Technik sollte in eine möglichst ursprüngliche Karosserie gepresst werden. Das kantige Design ist schließlich nicht nur Markenzeichen, sondern für auch alle, die nicht unbedingt ins harte Gelände ausreiten, Kaufgrund Nummer eins. Das zu bewahren, ist den Designern gelungen: Die Stoßfänger wurden ein wenig überarbeitet, die Flächen ein wenig gestrafft, doch die vielen G-typischen Details blieben unberührt: die klassischen Türgriffe und die außenliegenden Türschaniere, die runden Lichter (jetzt mit LED-Technik), die aufliegende Motorhaube mit den daneben aufgesetzten Blinkern und das Reserverad an der Hecktür.
Dass der Benz ordentlich gewachsen ist, sieht man ihm von außen kaum an. Spätestens nach dem Einsteigen aber findet man sich in einer komplett neuen Welt wieder. Um 5,3 Zentimeter hat die G-Klasse in der Länge zugelegt, satte 12,2 Zentimeter ist sie in die Breite gewachsen. Was nichts anderes bedeutet, als dass man endlich auf allen Plätzen bequem sitzen kann. Während sich die Fondgäste an ihrer neugewonnenen Beinfreiheit erfreuen (plus 15 Zentimeter), tauchen Fahrer und Beifahrer in ein zeitgemäßes Cockpit mit den beiden aus S- und E-Klasse bekannten 12,3-Zoll-Breitbildschirmen auf dem Armaturenbrett ein. Endlich hat auch die Suche nach einem Platz für das Smartphone, den Haustürschlüssel oder die Kinderschokolade-Riegel ein Ende: Der Automatikwählhebel ist vom Mitteltunnel ans Lenkrad gewandert und hat Platz gemacht für ein paar Ablagen.
Mercedes-Benz G-Klasse (2018)
BildergalerieIn die Trickkiste gegriffen
Damit man sich in der neuen Hightech-Welt trotzdem noch wie einer G-Klasse fühlt, haben die Interieur-Designer ein wenig in die Trickkiste gegriffen. Zum einen fährt der Benz auf Wunsch noch mit klassischen Rundinstrumenten statt volldigitalem Kombi-Display vor und die drei silbernen Schalter für die Differenzialsperren in der Mittelkonsole haben ebenso den Sprung in die Neuauflage geschafft, wie der Haltegriff für den Beifahrer. Zum anderen holten sie markante Teile des Exterieurs nach innen: Wer mit etwas Phantasie auf das Armaturenbrett schaut, erkennt in den runden Lüftungsdüsen links und rechts die Rundscheinwerfer wieder, und die silberfarbenen Lautsprecher symbolisieren die Blinker.
Keine Tricks durften sich dagegen die Ingenieure erlauben: Ihre Aufgabe war es, die G-Klasse sowohl onroad als auch offroad besser zu machen. Ersteres dürfte zweifelsohne der leichtere Job gewesen sein, war der G auf Asphalt schließlich bislang weder der bequemste, noch der verbindlichste Begleiter. Im Gelände dagegen hat ihm seit seiner Geburtsstunde kaum einer etwas vormachen können. Damit das so bleibt, standen der Leiterrahmen, die drei 100-Prozent-Sperren und die Geländeuntersetzung nicht zur Diskussion. Komplett neu dagegen ist das Fahrwerk, für dass sich die Geländejungs sogar Unterstützung bei den AMGlern geholt haben. Mit den Affalterbachen haben sie eine Kombination aus Einzelradaufhängung mit Doppelquerlenker-Vorderachse und starrer Hinterachse realisiert. Damit die Bodenfreiheit nicht unter dem neuen Unterbau leidet, wurden die Achsen höher gelegt, was wiederum der Stabilität nicht gut tut – also musste im Motorraum eine Domstrebe eingezogen werden.
Bessere Offroad-Fähigkeiten
In Summe sorgten die Maßnahmen für nochmal bessere Offroad-Fähigkeiten: Zwischen den Achsen sind jetzt 24,1 Zentimeter Luft zum Boden (plus sechs Millimeter), die Wattiefe steigt um zehn auf jetzt 70 Zentimeter und auch Böschungs- und Rampenwinkel legen jeweils zu. Neue, hochfeste und ultrahochfeste Stähle sowie Aluminium sorgen zudem nicht nur für eine um 50 Prozent gesteigerte Torsions-Steifigkeit, sondern auch für eine Gewichtsersparnis von rund 170 Kilogramm. Diese Diät, eine neue Lenkung, der verbindlichere Unterbau mit adaptiven Dämpfern und fünf verschiedene Fahrprogramme sollen auch den Komfort auf der Straße deutlich steigern. Und dank der neuen Neungang-Automatik soll der 310 kW / 422 PS starke Vierliter-Achtzylinder-Biturbo-Benziner im G 500 zukünftig nicht nur leiser, sondern auch sparsamer sein: Wobei man bei 11,1 Litern Normverbrauch nicht wirklich von sparsam reden kann. Und bis eine weniger durstige Version kommt, dauert es noch: Im Frühjahr will Mercedes eine AMG-Variante nachreichen, erst dann folgt der Sechszylinder-Diesel.