Im Abgas-Skandal bei Volkswagen steht nach neuen schweren Vorwürfen der US-Umweltbehörde EPA Aussage gegen Aussage. Die EPA beschuldigt VW, bei weiteren Dieselmotoren eine Manipulations-Software eingesetzt zu haben. Volkswagen hält dagegen, kein Programm installiert zu haben, "um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu verändern". Die Fronten zwischen der EPA und VW scheinen verhärtet zu sein. An der Börse verlor die VW-Aktie am Dienstag rund drei Prozent und war der größte Verlierer im Dax.
Nach den neuen EPA-Vorwürfen wären erstmals auch Porsche-Fahrzeuge und jüngere Modellreihen betroffen. Wie die Behörde am Montagabend mitgeteilt hatte, wurden in bestimmten Diesel-Modellen der Marken VW, Audi und Porsche Drei-Liter-Diesel-Motoren verbaut, die bei Stickoxid-Emissionen die in den USA erlaubten Grenzwerte um das bis zu Neunfache überträfen. Dabei gehe es um die Geländelimousinen VW Touareg, Porsche Cayenne und Audi Q5 sowie die Limousinen Audi A6 Quattro, Audi A7 Quattro und den Audi A8 sowie dessen Langversion. Betroffen seien die Modelljahre von 2014 bis heute. Mit sportlichen Geländewagen wie dem Touareg und dem Cayenne verdient Europas größter Autokonzern viel Geld.
Wie viele Fahrzeuge in den USA und weltweit genau betroffen sind, ist bislang nicht bekannt. Die neuerliche Rüge der EPA beziehe sich auf ungefähr 10.000 Diesel, die seit dem Modelljahr 2014 in den USA verkauft worden seien. Zusätzlich sei eine bisher unbekannte Zahl aktueller Fahrzeuge betroffen.
Rund 3.000 Porsche-Fahrzeuge betroffen
Wie ein Sprecher des Sportwagenbauers Porsche mitteilte, sind wohl etwa 3.000 Dieselfahrzeuge der VW-Tochter betroffen. Die Vorwürfe würden noch geprüft. "Wir werden vollumfänglich mit der EPA kooperieren, um den Sachverhalt rückhaltlos aufzuklären." Bei den Autos handelt es sich um Diesel-Cayennes, die von Januar bis September in den USA ausgeliefert wurden. Das ist knapp ein Viertel aller 2015 an US-Kunden übergebenen Cayennes. Die beanstandeten Motoren sind nicht von Porsche selbst, vielmehr greift die Firma auf Vorarbeiten anderer VW-Konzernbereiche zurück.
"VW hat einmal mehr seine Verpflichtungen missachtet, sich an die Gesetze zu halten, welche saubere Luft für alle Amerikaner sichern", sagte EPA-Vertreterin Cynthia Giles einer Mitteilung zufolge. Die Software in diesen Fahrzeugen beinhalte ein oder mehrere Zusatz-Instrumente zur Abgas-Kontrolle, die der Konzern bei der Zulassung der Modelle nicht offengelegt, beschrieben und begründet habe. Nach Darstellung der EPA erkennt die Software, die der Behörde zunächst verborgen blieb, die Abgas-Testprozedur aus den USA und schaltet dann in einen Modus, der Stickoxide (NOx) gezielt mindert. Für NOx-Gase gelten in den Vereinigten Staaten besonders strikte Grenzen.
VW: Keine Manipulation der Abgaswerte
Der Autobauer dagegen teilte am Montagabend mit: "Die Volkswagen AG betont, dass keine Software bei den 3-Liter V6-Diesel-Aggregaten installiert wurde, um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu verändern." Zudem habe die EPA VW mitgeteilt, dass die Software "im Genehmigungsprozess nicht hinreichend beschrieben" worden sei.
Die US-Umweltbehörde hatte den Skandal um geschönte Abgaswerte bei Volkswagen Mitte September ins Rollen gebracht. Sie wies nach, dass Dieselwagen aus dem VW-Konzern über eine Software die Situation auf einem Prüfstand erkennen und in eine Art Abgas-Schonmodus schalten, um so strikte Emissionsvorgaben einzuhalten. Im Normalbetrieb auf der Straße soll der Schadstoffausstoß dagegen deutlich höher sein.
Bisher ging es nur um die kleineren Vierzylindermotoren, die bis 2,0 Liter Hubraum haben. Die EPA-Enthüllung erreichte auch Europa, wo der VW-Konzern vom nächsten Jahr an 8,5 Millionen Dieselfahrzeuge zurückrufen muss.
Der Vorwurf gegen Porsche ist auch deshalb pikant, weil der neue VW-Konzernchef Matthias Müller noch bis vor kurzem Chef des Stuttgarter Sport- und Geländewagenbauers war. Müller war im Strudel des Skandals auf den zurückgetretenen VW-Vorstandschef Martin Winterkorn gefolgt, der damit Verantwortung für die Affäre übernahm.
Am Absatzminus vorbei
Unterdessen schrammte VW im Oktober in den USA nur hauchdünn an einem Absatzminus vorbei. Die Verkäufe der Pkw-Kernmarke des Konzerns wuchsen im Jahresvergleich nur noch um 0,2 Prozent auf 30.387 Autos. Allerdings hatte der Oktober in diesem Jahr einen Verkaufstag mehr als 2014.
Auf dem deutschen Markt verkaufte Volkswagen entgegen dem Trend weniger Autos. Die Neuzulassungen von VW sanken im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,7 Prozent, wie das Kraftfahrt-Bundesamt mitteilte (wir berichteten). Eine Folge des Skandals um manipulierte Abgas-Werte ist das Minus aber vermutlich noch nicht: Bei privaten Käufen liegen nach Branchenangaben rund zwei Monate zwischen Bestellung und Auslieferung. Sollte die Dieselaffäre Auswirkungen haben, wären diese erst im November oder Dezember sichtbar. (dpa)