Volkswagen kommt im Abgas-Skandal nicht aus der Krise. Kurz vor einem Spitzentreffen von VW-Chef Matthias Müller mit dem mächtigen US-Umweltamt EPA ließen die US-Behörden Pläne des Autobauers zur Beseitigung der Manipulationen durchfallen. Müller wollte am späten Mittwochvormittag (Ortszeit) in Washington mit der EPA-Chefin Gina McCarthy zusammenkommen. Unklar war, ob die Öffentlichkeit von den Ergebnissen des Treffens unterrichtet wird. Müller will im Anschluss nach Angaben aus Konzernkreisen außerdem in Washington noch Gespräche mit Kongressabgeordneten führen.
Die kalifornische Umweltbehörde CARB lehnte einen älteren von VW eingereichten Vorschlag zur Beseitigung von Manipulations-Programmen in Hunderttausenden Dieselfahrzeugen ab. Zugleich geht aus der Mitteilung der Behörde hervor, dass Volkswagen die Chance habe, bei den Lösungsvorschlägen für die betroffenen knapp 500.000 Wagen mit 2,0-Litermotoren nachzubessern. Auch die EPA, die den Skandal Mitte September ans Licht gebracht hatte, erklärte noch vor dem Treffen mit Müller, Volkswagen habe noch immer keinen genehmigungsfähigen Rückrufplan vorgelegt.
Volkswagen erklärte zur Entscheidung aus Kalifornien: "Die heutige Mitteilung bezieht sich auf die anfänglichen Rückrufpläne Volkswagens, die CARB im Dezember übermittelt wurden. Seither hatte Volkswagen konstruktive Gespräche mit CARB." VW will nun versuchen, die Behörden mit einem neuen Lösungspaket zu überzeugen. Dazu könnte auch ein teurer Rückkauf von mehr als 100.000 Autos zählen.
Scharfe Kritik an VW
Die US-Umweltbehörde äußerte erneut scharfe Kritik an VW. "Volkswagen hat die Entscheidung getroffen, bei Abgas-Tests zu schummeln und hat dann versucht, das zu verstecken", betonte CARB-Chefin Mary Nichols. "Sie haben weitergemacht und haben die Lüge noch verschlimmert und als sie erwischt wurden, haben sie versucht, es zu leugnen."
Insgesamt geht es um etwa 580.000 Diesel-Autos in den USA, da auch größere Modelle mit 3,0-Litermotoren betroffen sind. Wie das Lösungspaket, das den Aufsehern präsentiert werden soll, genau aussieht, ist noch unklar. Nach einem unbestätigten Bericht der "Bild am Sonntag" könnte es sich dabei unter anderem um einen neuen Katalysator handeln, der in rund 430.000 Fahrzeuge eingebaut werden solle und so die Einhaltung der Grenzwerte möglich machen soll.
Interview sorgte für Irritationen
VW-Vorstandschef Müller hatte zuvor mit einem verunglückten Radio-Interview für große Irritationen gesorgt. In dem Gespräch mit dem US-Sender NPR am Rande der Automesse in Detroit stellte Müller den Abgas-Skandal zunächst lediglich als "technisches Problem" dar - anschließend wollte der Konzern das Interview noch einmal neu aufzeichnen. In der zweiten Version ruderte Müller dann zurück. VW lege großen Wert auf die Feststellung, dass der Konzern die Verstöße einräume. "Daran gibt es keinen Zweifel."
Im mächtigen VW-Aufsichtsrat hatten die Aussagen Müllers für Verwunderung gesorgt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur will sich das dem Aufsichtsrat vorgeschaltete Präsidium noch im Januar treffen, um gemeinsam mit Müller über die jüngsten Entwicklungen zu beraten. Erst danach solle es eine Bewertung geben. Maßgeblich sei dabei auch, welche Ergebnisse Müller von dem Treffen mit der EPA mitbringe. Die große Hoffnung auf eine baldige Lösung hätten aber in den vergangenen Tagen einen Dämpfer erhalten, hieß es aus Aufsichtsratskreisen.
"Wir haben die Erwartung, dass vieles von dem, was noch nicht gut ist, gut wird", sagte ein Sprecher des niedersächsischen Wirtschaftsministers und VW-Aufsichtsrates, Olaf Lies (SPD), am Mittwoch in Hannover mit Blick auf das Treffen in Washington. Auch aus Sicht von Branchenexperten hat VW bei der Aufarbeitung des Skandals in den USA große Fehler gemacht. "Der Grundsatzfehler ist, dass Volkswagen die Besorgnisse der Amerikaner nicht ernst genommen hat", sagte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. "Es wurde viel Porzellan zerschlagen." (dpa)