Von Martina Herzog und Teresa Dapp/dpa
Die gute Nachricht zuerst: Die Luft in deutschen Städten wird sauberer, die Belastung etwa durch Dieselabgase geht zurück. Zu den am Dienstag präsentierten Befunden des Umweltbundesamts (UBA) gehört aber auch, dass der seit vielen Jahren verbindliche EU-Grenzwert für gesundheitsschädliches Stickstoffdioxid (NO2) in einigen Städten weiterhin gerissen wird, die höchsten Jahresmittelwerte wurden erneut in München und Stuttgart gemessen.
Dennoch ist der Trend eindeutig: "Die Luftqualität 2019 hat sich verbessert", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze in Berlin. Und das mit denselben Messstellen, die so häufig kritisiert wurden. Man könne die Probleme eben nicht wegmessen, sondern müsse sie angehen, sagte die SPD-Politikerin.
Der UBA-Auswertung zufolge wurde der NO2-Grenzwert im vergangenen Jahr noch an einer von fünf verkehrsnahen Messstationen überschritten – im Vorjahr war der Anteil mehr als doppelt so hoch. Allerdings wird der zulässige Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft weiterhin in mindestens 19 deutschen Städten gerissen. Bisher wurden fast nur automatisch messende Stationen berücksichtigt. Wenn im Mai Daten weiterer Stationen vorliegen, könnte die Zahl auf 25 bis 30 Städte steigen, sagte UBA-Chef Dirk Messner. 2018 war der Jahresmittelwert allerdings noch in 57 deutschen Städten zu hoch.
Gründe für den Rückgang sind den UBA-Experten zufolge unter anderem Tempolimits, Fahrverbote, umweltfreundlichere Busse und das Wetter, aber auch Updates der Software für die Abgasreinigung und vor allem der Austausch älterer Autos durch neuere. Beim Feinstaub gab es 2019 erstmals keine Überschreitungen des derzeit geltenden Grenzwertes – auch das ist eine gute Nachricht für die Gesundheit von Stadtbewohnern.
Die NO2-Belastung ist der Grund, warum es etwa in Stuttgart, Hamburg und Berlin auf bestimmten Strecken Fahrverbote für ältere Dieselautos gibt. Diese sind laut UBA in Städten die Hauptursache für zu viel gesundheitsschädliches NO2.
München mit roter Laterne
Noch fehlen die Daten aus etwa 130 Messstationen, die nicht automatisch Daten schicken, sogenannten Passivsammlern. Der höchste Jahresmittelwert wurde 2019 in München mit 63 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft registriert, gefolgt von Stuttgart (53), Kiel (49), Berlin (48) und Hamburg (48). Der zu hohe Wert muss nur an einer einzigen Station gemessen werden, er ist kein stadtweiter Durchschnitt – allerdings stellt der Wert auch keinen Spitzenwert dar, sondern das Jahresmittel.
Vor allem auf Betreiben der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die vor Gericht zog, gibt es in mehreren Städten schon Fahrverbote. Zuletzt hatten sich Bundesländer aber auch immer wieder mit der DUH auf andere Maßnahmen geeinigt, um Fahrverbote zu vermeiden. Es laufen noch Gespräche. "Wir freuen uns über die teilweise gesunkenen Werte", sagte DUH-Chef Jürgen Resch. Allerdings hätten gerade die noch nicht ausgewerteten Messstationen bisher hohe Belastungen angezeigt. Zudem sei die Belastung etwa im Innenstadtbereich von Frankfurt am Main, wo der Wind keine so große Rolle spiele, gleich geblieben.
Die Umweltorganisation BUND mahnte ebenfalls, die Luftqualität bleibe weiter ein gravierendes Problem. "Auch eine regelmäßigere Einhaltung der Grenzwerte heißt nicht, dass keine nennenswerten Belastungen mehr vorliegen." Beim ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub VCD hieß es: "Städte können jetzt keineswegs aufatmen, sondern müssen den begonnenen Umbau der Mobilität fortsetzen." Auch der milde Winter habe dazu beigetragen, dass die Werte so positiv aussähen. Grünen-Fraktionschef Oliver Krischer warnte: "Nächstes Jahr können die Werte wetterbedingt wieder anders aussehen."
Aus Sicht der Wirtschaft verlieren Diesel-Fahrverbote angesichts der neuen Daten an Bedeutung. "Die Grenzwerte können durch nachhaltigere Mittel unterschritten werden", teilte die Industrie- und Handelskammer mit. Jetzt könnten sich die Städte auf die drängenden Aufgaben für eine nachhaltige Mobilitätswende konzentrieren. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta forderte, Schulze müsse sich nun "die Frage stellen, ob die Gängelung der Bürger durch Fahrverbote die richtige Antwort ist".