Seit der Verbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) hat die Desinfektion von Kundenfahrzeugen eine besondere Bedeutung erlangt. Zum Schutz des Kunden und der Mitarbeiter vor einer Infektion durch das Coronavirus und zur Eindämmung der Pandemie sieht es die Schadenbranche überwiegend als "zwingend notwendig", bei der Fahrzeugannahme und vor Rückgabe an den Kunden die Fahrzeuge zu desinfizieren. Gleiches gelte auch für Fahrzeuge, die als Unfallersatzfahrzeug an Kunden verliehen werden.
Divergente Auffassungen
Seit Beginn der Pandemie gab es aber auch immer wieder Diskussionen darüber, welche Maßnahmen zur Desinfektion von Kundenfahrzeugen sinnvoll sind und – besonders bei der Unfallschadenabwicklung über zahlungspflichtige Versicherer – wer die Kosten hierfür trägt. Auf Basis von Informationen der Berufsgenossenschaften und den Veröffentlichungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) haben sich im Wesentlichen zwei Arten der Fahrzeugdesinfektion in der Unfallreparaturbranche durchgesetzt. Dies sind die reine Wischdesinfektion mit handelsüblichen Reinigern und die Fahrzeugdesinfektion durch Kaltvernebelung von Natriumhypochlorid im Fahrzeuginneren.
Strittig war bisher der Punkt, welcher Material- und Zeitaufwand für eine Fahrzeugdesinfektion anfällt und in Rechnung gestellt werden kann. Um hier Klarheit für die Branche zu schaffen, haben das Allianz-Zentrum für Technik (AZT), der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) und die Interessengemeinschaft Fahrzeugtechnik und Lackierung (IFL e. V.) gemeinsam eine Zeit- und Materialstudie durchgeführt. Somit erhalten jetzt alle interessierten Kreise eine Empfehlung, welche Fahrzeugbereiche desinfiziert werden sollten und welcher zeitliche Umfang für die Desinfektionsmaßnahmen realistisch ist.
Ergebnis der Zeitstudie
Die Zeitstudie wurde im AZT in Ismaning durchgeführt. Gemessen wurde an einem 5-Türer Mittelklasse-Kombi und zum Vergleich an einem 2-Türer Mittelkasse-Fließheck. Die ermittelten Zeiten unterschieden sich bei den Fahrzeugen nicht signifikant, so dass davon auszugehen ist, dass die erforderlichen Zeiten über alle Fahrzeugklassen hinweg annähernd gleich sind.
Im Ergebnis wurde für die Wischdesinfektion und die Kaltvernebelung mit Natriumhypochlorid ein Arbeitswert von 3 AW = 18 Minuten ermittelt. Dieser Wert ist laut Studie als einmalige Arbeitsposition pro Werkstattauftrag zu sehen und beinhaltet alle Desinfektionsarbeiten für Annahme und Rückgabe des Fahrzeugs. Als Verbrauchsmaterial können zusätzlich einmalig 7,50 Euro (Stand: Oktober 2020) berechnet werden.
Fazit
Zusammenfassend heißt es für die Studie: "Eine Fahrzeugdesinfektion ist ein auftragsbezogener Aufwand und kann somit für den Auftrag als eigene Arbeitsposition in Rechnung gestellt werden und ist nicht, wie vielfach von Versicherern und deren Prüforganen behauptet wird, bereits in den Stundenverrechnungssätzen inkludiert. Auch ist die Meinung, wie sie von einigen Versicherern propagiert wird, dass durch Corona keine Unfälle verursacht werden und die Desinfektion somit nicht Bestandteil des Reparaturauftrags ist, irreführend. Die Desinfektion dient dem Schutz aller und hilft wirkungsvoll, Infektionsketten zu unterbrechen. Somit ist diese Maßnahme selbstverständlich ein notwendiger Bestandteil eines Reparaturauftrags, solange offizielle Stellen die Pandemie als nicht beendet ansehen." (bs)