Wir verkaufen Träume" - Marco Hebecker ist in der glücklichen Lage, dies mit Fug und Recht behaupten zu können. Er ist Leiter des ClassicCenters beim Autohaus Kunzmann. Den Mercedes-Händler in Aschaffenburg kann man kaum verfehlen, das Firmenschild begrüßt jeden Besucher, der die Autobahn verlässt und Richtung Stadtzentrum fährt.
Seine Aufgabe ist der Ausbau des immer noch recht jungen Geschäfts mit Oldund Youngtimern der Marke Mercedes- Benz bei Kunzmann. Erst vor vier Jahren hat man im Betrieb entschieden, sich in dem Feld stärker zu engagieren: "Aus Liebe zu den Fahrzeugen und weil das ein interessanter Markt mit steigender Nachfrage ist", erklärt Thomas Averhage, Serviceleiter Pkw. Mittlerweile hat Kunzmann einen hervorragenden Ruf in der Oldtimer-Szene und gilt als Spezialist für Fahrzeuge ab Baujahr 1965, darunter die Baureihen 123, 107 und natürlich die legendären Mercedes-Benz W115/8-Baureihe. Es sind allesamt gefragte Modelle unter Liebhabern klassischer Fahrzeuge. Hebecker, der erst vor gut einem Jahr zu Kunzmann gestoßen ist und sein Hobby zum Beruf gemacht hat, baut den professionellen Vertrieb der Oldtimer aus. "Derzeit haben wir 13 Fahrzeuge im Bestand, die zum Verkauf stehen."
Zu seinen Aufgaben zählt auch der Einkauf geeigneter Fahrzeuge, die in der eigenen Werkstatt überarbeitet werden und dann als Top-Fahrzeuge mit der Zustandsnote 2 oder 2 + einen neuen Besitzer finden. Um diese Klassifizierung zu erhalten, müssen die Fahrzeuge entweder in einem guten unrestaurierten Zustand sein oder - was häufiger der Fall ist - fachgerecht restauriert sein. Genau hier liegt die Stärke des Oldtimer-Teams bei Kunzmann. An insgesamt fünf Arbeitsplätzen in der Werkstatt, die nur für das Thema Klassik reserviert sind, arbeiten drei Monteure sowie zwei Karosseriebauer und Lackierer ausschließlich an den historischen Fahrzeugen. "Diese Arbeit kann ein Monteur nicht nebenher machen, daher haben wir eine Klassik-Mannschaft, die speziell geschult ist und bei uns ausschließlich an den Klassik-Fahrzeugen arbeitet", erklärt Averhage. In dem hellen und weitläufigen Werkstattbetrieb sind die Arbeitsbühnen für die Oldtimer etwas abgesetzt von den "normalen" Arbeitsplätzen des Tagesgeschäfts.
Zertifizierung von TÜV SÜD
Den eigenen hohen Qualitätsanspruch bei der Restaurierung alter Fahrzeuge will Kunzmann auch nach außen demonstrieren. Daher hat der Betrieb vor zwei Jahren die angestrebte Zertifizierung als geprüfter Fachbetrieb für historische Fahrzeuge von TÜV SÜD bestanden.
Die Experten von TÜV SÜD ClassiC prüfen im Rahmen der Zertifizierung unter anderem die Qualität der Arbeitsplätze, die Qualifikation der Mitarbeiter, die Lagerprozesse, aber auch das Qualitätsmanagement in der Zusammenarbeit mit Unterauftragnehmern.
Dass Arbeiten von Dritten erledigt werden, ist bei Kunzmann eher die Ausnahme und betrifft vor allem Sattlerarbeiten und Arbeiten mit Holz. "Alle anderen Arbeiten können wir in der Werkstatt selbst abbilden", erklärt Averhage nicht ohne Stolz. Ein Beispiel: Nicht selten müssen Teile der Karosserie instand gesetzt oder ausgetauscht werden. Auf der Hebebühne steht ein kürzlich gekauftes taubenblaues Mercedes-Benz SL Cabriolet. An den Innenkotflügeln haben die Monteure Roststellen entdeckt. Die Teile müssen jetzt ersetzt werden. Anschließend wird neu lackiert.
Fast alles im eigenen Haus
"Wir machen bei solchen Befunden keine Kompromisse und reparieren das ordentlich. Der Käufer bekommt ein Fahrzeug, das fachgerecht repariert wurde und sich in einwandfreiem Zustand befindet", versichert Averhage. Danach geht das Fahrzeug in die eigene Lackiererei, wo das Auto den Originallack erhält. Hohe Kompetenz hat Kunzmann bei der Teilebeschaffung aufgebaut. Innerhalb der Mercedes-BenzOrganisation gibt es insgesamt 25 auf Oldtimer spezialisierte Betriebe. "In diesem Netzwerk hilft man sich auch gegenseitig, wenn ein bestimmtes Teil nicht vorrätig oder schwer zu beschaffen ist", erklärt Hebecker. Verbaut werden ausschließlich Originalteile, keine Nachbauten. Die Beschaffung über das Internet bei spezialisierten Händlern im In- und Ausland spielt mittlerweile eine wichtige Rolle. Daneben finden sich ausgefallene Teile auch auf Tauschbörsen oder bei Sammlern.
Der gesamte Reparaturprozess wird bei Kunzmann bezogen auf die Auftragsnummer penibel dokumentiert und jeder Zwischenschritt mit Fotos festgehalten. Käufer erhalten diese wertvollen Daten auf USB-Stick oder auf Wunsch auch als Fotobuch, um die Verwandlung eines alten Autos in ein Schmuckstück auch im Bekanntenkreis zu zeigen. "Der Kauf eines Oldtimers ist immer eine Herzensangelegenheit und in manchen Fahrzeugen steckt nicht nur Herzblut, sondern auch eine Menge Geld", weiß Hebecker. Was für die meisten Kunden gilt, ist für die Mitarbeiter eine Voraussetzung. Averhage: "Die Mitarbeiter müssen für alte Fahrzeuge brennen, dafür kann man nicht einfach jemanden abstellen."
Kurzfassung
Derzeit konzentriert sich das Angebot im Kunzmann ClassicCenter auf historische Modelle der Marke Mercedes-Benz. In der Werkstatt werden Old- und Youngtimer in einem eigenen Classic-Bereich mit höchstem Qualitätsanspruch restauriert.
Das Zertifikat
TÜV SÜD ClassiC geprüfter Fachbetrieb für historische Fahrzeuge Die Prüforganisation TÜV SÜD bündelt alle Dienstleistungen rund um Old- und Youngtimer in dem Bereich TÜV SÜD ClassiC. Zum Dienstleistungsportfolio zählen Services für Autohäuser, Werkstätten und Liebhaber historischer Fahrzeuge. Auf Oldtimer spezialisierte Kfz-Betriebe haben die Möglichkeit, ein Zertifikat als geprüfter Fachbetrieb zu erhalten. Dabei gilt: Die Zertifizierung wird immer markenspezifisch und für einen bestimmten Standort erworben.Die Experten von TÜV SÜD ClassiC prüfen im Rahmen einer Zertifizierung im Einzelnen folgende Kriterien:1. AuftragsablaufGegenstand der Prüfung sind unter anderem Preisauszeichnung, Dokumentationsschema, Kalkulationsschema, Beratung, Angebotserstellung und Auftragsabwicklung.2. ArbeitsplätzeVerlangt wird mindestens ein spezialisierter Arbeitsplatz für Oldtimer mit Werkbank und entsprechendem Werkzeug.3. Qualifikation der MitarbeiterBetriebe müssen die Qualifikation der Mitarbeiter in Form zertifizierter Aus- und Weiterbildung und Arbeitszeugnisse nachweisen.4. WerkstattprozessDer geregelte Werkstattprozess muss auch in schriftlicher Form dargestellt werden; zudem muss der Betrieb kontinuierlich historische Fahrzeuge warten und instand setzen.5. LagerprozessDer Betrieb muss geeignete Lagermöglichkeiten nachweisen inklusive Ausweisung von Lagerorten für Ersatzteile, ausgebaute Teile in Kundeneigentum müssen zugewiesen und geschützt werden.6. UnterauftragsvergabeGewährleistung der Qualität der Unterauftragnehmer: Nachweise über Zusammenarbeit und Wareneingangs-Kontrollen.7. ArbeitsergebnisseArbeitsergebnisse der Werkstatt werden von den Experten der Prüforganisation geprüft.Bei Erfüllung der oben genannten Punkte wird eine Urkunde mit der Nennung der Marke(n) und/ oder der spezifischen Modelle, die vom Fachbetrieb betreut werden, durch TÜV SÜD erstellt. Die Gültigkeitsdauer dieser Urkunde beträgt 2 Jahre.Weiterer Infos unter www.tuev-sued.de/classic
- Ausgabe 02/2017 Seite 24 (209.3 KB, PDF)