Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental will sich mit einem weitreichenden Umbauprogramm gegen die aufziehende Branchenkrise stemmen. Mit tausenden Stellenstreichungen in weniger zukunftsträchtigen Bereichen, möglichen Verkäufen und dem Ausbau von Elektromobilität und Software will Konzernchef Elmar Degenhart gegensteuern und die Kosten senken. Weltweit dürften bis 2023 rund 15.000 Jobs von Veränderungen betroffen sein, davon 5.000 in Deutschland, teilte der Dax-Konzern am Mittwoch nach einer Aufsichtsratssitzung in Hannover mit.
Bis 2029 dürften sogar 20.000 Stellen betroffen sein, davon 7.000 in Deutschland. Mit dem Abbau in einigen Bereichen und über mögliche Teilverkäufe will Conti die jährlichen Bruttokosten ab 2023 um rund 500 Millionen Euro senken. Der Umbau dürfte insgesamt rund 1,1 Milliarden Euro kosten, der Großteil davon in den Jahren 2019 bis 2022.
Widerstand kommt von den Gewerkschaften. "Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von Continental haben einer Schließung von Standorten in Deutschland nicht zugestimmt, sondern lediglich einer ergebnisoffenen Prüfung", sagte die stellvertretende Aufsichtsratschefin Christiane Benner von der IG Metall. "Den vom Vorstand geplanten gravierenden Stellenabbau werden sie nicht akzeptieren." Allein die Beschäftigten sollten hier für Managementfehler zahlen. "Wir erwarten von Continental zukunftweisende Konzepte."
Conti hatte mit dem Gewinneinbruch zum zweiten Quartal weitere Spar- und Umbaumaßnahmen angekündigt. Neben dem angestrebten Teilbörsengang steht mittlerweile auch ein Komplettverkauf der Antriebstechnik im Raum.
Die Hannoveraner haben mit dem Abschwung der weltweiten Automärkte zu kämpfen. Im vergangenen Jahr wartete der Autozulieferer, der direkt vom Produktionsvolumen in der Autoindustrie abhängig ist, zweimal mit Gewinnwarnungen auf. Auch in diesem Jahr enttäuschte der Konzern seine Anleger schon, indem er die ohnehin schon vorsichtigen Ziele zusammenstrich. Denn laut Finanzchef Wolfgang Schäfer sollte der Gegenwind auch in der zweiten Jahreshälfte anhalten.
Der Wandel der Branche treffe die Arbeitsplätze in vielfältiger Weise, hieß es bei dem Unternehmen. Auch schwächere Märkte und auslaufende Geschäfte träfen den Konzern. Daneben würden Arbeitsplätze an andere Standorte verlagert, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.
Für den Abbau von Arbeitsplätzen will der Konzern vor allem die natürliche Fluktuation und altersbedingtes Ausscheiden nutzen. Auch betriebsbedingte Kündigungen wollte Degenhart nicht ausschließen, sie seien aber das "allerletzte Mittel". Continental beschäftigte zuletzt gut 244.000 Mitarbeiter.
Zudem sollen Arbeitnehmer für andere Bereiche weiterqualifiziert werden. Im Gegenzug sollen in der Softwareentwicklung und weiteren Feldern neue Arbeitsplätze "in hoher Zahl" entstehen. Zu diesen Bereichen gehören auch die Vernetzung von Autos sowie das automatisierte Fahren. Auch der traditionelle Gewinnbringer im Konzern, das Reifengeschäft, sowie die Geschäfte mit Industriekunden sollen in den nächsten zehn Jahren wachsen.
Gut vorbereitet auf den Wandel in der Branche
Mit dem Strukturumbau und der Strategie für das Jahr 2030 sei Conti gut vorbereitet auf den Wandel in der Branche, sagte Vorstandschef Elmar Degenhart. "Wir gehen darüber hinaus mit unserem Strukturprogramm die sich abzeichnende Krise in der Autoindustrie offensiv an und werden wie vor zehn Jahren aus ihr ein weiteres Mal gestärkt hervorgehen."
Konkret beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat bereits, Anpassungen am Standort Babenhausen zu prüfen, an dem rund 2.200 Arbeitsplätze betroffen wären. Bis Ende 2021 sollen Forschung und Entwicklung von dort an andere Standorte verlagert werden, bis 2025 will sich Conti schrittweise aus der Serienproduktion von Steuerungsinstrumenten im Fahrzeug zurückziehen.
Der Umschwung zur Elektromobilität betreffe insbesondere die deutschen Standorte in Roding und Limbach-Oberfrohna, weil der Konzern wie bereits bekannt die Geschäfte mit Hochdruckpumpen und Injektoren für Verbrennermotoren insgesamt zurückfahren will. Auch in Italien und den USA stehen Werke auf dem Prüfstand. Zwei Werke in den USA und Malaysia sollen darüber hinaus dichtgemacht werden. (dpa)