Die aktuelle Krise wird sich wie eine Art Katalysator auf die Prozesse der Kfz-Branche auswirken. Werkstätten brauchen eine Neustart-Strategie - zur Bestimmung der aktuellen Situation, zum Investitionsbedarf und zur geänderten Mobilitätsanforderungen der Kunden, erklärt Bert Lembens, Head of Sales Service bei Continental Aftermarket, gegenüber asp AUTO SERVICE PRAXIS .
asp: Wie gehen Sie bei Conti im Aftersales-Bereich mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie um?
Bert Lembens: Die Covid-19-Pandemie hat uns wie alle anderen überrascht und von einem Tag auf den anderen haben sich die Bedingungen komplett geändert. Bereits am 10. März haben wir entschieden, die Trainings für Werkstätten einzustellen. Daraus ergab sich die Fragestellung, wie wir trotz der Einschränkungen mit unseren Kunden in Kontakt bleiben können. Gleichzeitig stand die Frage im Raum: Was passiert mit den Werkstätten in der Krise? Die Situation hat sich stündlich geändert und das Angebot an staatlichen Hilfsangeboten und Informationen zu Sofortmaßnahmen war für die Werkstätten ja kaum zu überblicken. Daher haben wir uns sehr schnell entschieden, auf der Continental-Plattform morecontinental.com ein Hilfeportal anzubieten.
asp: Wer kann das nutzen?
B. Lembens: Das steht grundsätzlich allen Werkstäten offen. Dort finden sie unter anderem ein FAQ für Kfz-Betriebe in der Coronakrise, mit allen Regelungen zu Förderkrediten und Soforthilfen, die teilweise landesspezifisch unterschiedlich gehandhabt werden. Speziell für unsere rund 1.600 Werkstattpartner bieten wir außerdem die Möglichkeit einer individuellen kostenlosen Beratung mit unseren Experten an. Das Angebot wird sehr gut angenommen.
asp: Was treibt die Werkstätten am meisten um?
B. Lembens: Sehr viele Fragen kommen zu den Themen Finanzierung und Liquidität in den Betrieben, in vielen Werkstätten blieben die Kunden zunächst einmal aus. Zudem gibt es Fragen zu Sicherheitsauflagen und Hygienemaßnahmen sowie Checklisten für die Werkstattorganisation. Da wir derzeit kein Face-to-Face-Training mehr anbieten können, haben wir massiv das Thema Onlineschulung hochgefahren.
asp: Welche Trainings umfasst das Angebot?
B. Lembens: Anfangs waren das die Standard-Webtrainings, bei denen der Nutzer ein Thema am Computer durcharbeitet und dann ein Zertifikat erhält. Jetzt bieten wir auch richtige Webinare online an. Wir hatten in dem Bereich schon vor Corona sehr viele Ideen und waren für die Onlineschiene gut vorbereitet, so dass wir jetzt relativ schnell viele Themen im sogenannten Wissenscenter anbieten können.
asp: Die Digitalen Instrumente waren vorbereitet und kommen jetzt zum Einsatz. Wie sind die Erfahrungen?
B. Lembens: Ich bin sehr positiv überrascht, wie gut das bei vielen Themen funktioniert. Auch beim Thema Homeoffice in den Unternehmen erleben jetzt viele ein Aha-Erlebnis, was mit Digitalen Instrumenten alles möglich ist. Ich glaube, wir können daraus für die Zukunft etwas lernen. Denn ich persönlich bezweifle, dass wir einfach per Knopfdruck ganz schnell wieder zum ursprünglichen Normalzustand zurückkehren werden, wir müssen einen Neustart leisten.
asp: Was meinen Sie konkret mit Neustart?
B. Lembens: Wir planen eine Neustart-Strategie für die Werkstatt und haben uns Gedanken gemacht, wie das weitergehen kann. Ich glaube, dass die Krise wie eine Art Katalysator auf viele Prozesse in der Branche wirkt.
Unsere Neustart-Strategie umfasst verschiedene Bausteine, die jetzt für die Werkstätten relevant sind unter anderem eine Bestimmung der aktuellen Situation in einem Betrieb, den aktuellen Investitionsbedarf auch vor dem Hintergrund geänderter Mobilitätsanforderungen der Kunden. Es geht dabei auch um das Thema Werkstattorganisation, beispielsweise ob es ratsam ist, derzeit Schichtbetrieb zu fahren um die Arbeitssituation zu entzerren. Besonders wichtig ist es zudem, sich das Kundenverhalten genauer anzuschauen, vor allem deren verändertes Werteverhalten. Werkstätten müssen sich so aufstellen, dass sie unter diesen Umständen weiterarbeiten können und zwar so, dass es langfristig funktioniert.
asp: Wird sich der Werkstatt-Alltag dauerhaft verändern?
B. Lembens: Hier Vorhersagen zu treffen ist schwierig, aber wenn man sich die Zahlen anschaut, dann glaube ich, dass wir uns eine Zeit mit den Einschränkungen leben müssen. Fakt ist, dass die Fahrzeuge auf der Straße sind und gewartet werden müssen. Maßnahmen zu Hygiene müssen jetzt vernünftig an den Kunden kommuniziert werden, damit diese verstehen, warum es die ein oder andere Vorsichtsmaßnahme gibt.
asp: Welche Investitionen in der Werkstatt stehen jetzt an?
B. Lembens: Wir haben schon im vergangenen Jahr begonnen, ein Kennzahlen-Tool zu entwickeln. Das macht es für Betriebe sehr einfach auf einen Blick zu sehen, wo man steht. Darin enthalten ist auch ein Baustein zur Ermittlung des Investitionsbedarfes. Man kann sehen, welche Geschäftsfelder bediene ich heute schon und welche möchte ich vielleicht künftig bedienen und was muss ich dafür investieren. Und man hat einen Benchmark zu meinen Vergleichsbetrieben.
asp: Kommt es zu einer Bereinigung im Werkstattbereich?
B. Lembens: Ich glaube, dass eine Werkstatt, die in der Vergangenheit schon gut aufgestellt war, auch künftig gute Chancen hat. Betriebe, die jetzt schon finanzschwach waren und keine Substanz haben, spüren jetzt die Probleme umso stärker. Und ich sehe große Veränderungen im Autohausgeschäft. Der gesamte Vertrieb wird künftig anders aufgestellt sein. Man wird hier eine beschleunigte Veränderung im digitalen Vertrieb sehen, die Pläne dazu liegen längst in der Schublade.
asp: Wie sieht es mit der Lieferfähigkeit aus?
B. Lembens: Wir haben uns das Thema angeschaut und können sagen, dass die Ersatzteilversorgung zu den Werkstätten jederzeit gegeben war. Wir sind lieferfähig für alle VDO- und ATE-Produkte sowie für viele Continental-Produkte wie Scheibenwischer, Batterien oder Filter.
asp: Wie stark sind die Einbußen in der Betrieben derzeit noch?
B. Lembens: Viele Werkstätten, mit denen wir in Kontakt sind, haben nach wie vor Kunden und noch einen Vorlauf. Letztlich sind es eher die veränderten Prozesse in den Werkstätten, die sich am Ende in der Produktivität niederschlagen. So müssen die Taktzeiten beim Radwechsel verlängert werden, um Wartezeiten für die Kunden zu vermeiden. In den Werkstätten selbst versucht man die Mannschaft zu entzerren und teilt das Personal anders ein. Für viele Aufgaben benötigt man einfach länger. Wir sehen aber wenig Unterschied bei den Ersatzteilen. Die werden weiterhin stark nachgefragt und offenbar auch gebraucht. (diwi)
Herzlichen Dank für das Gespräch!