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Crashkurs

19.11.2010 12:02 Uhr

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Karosseriereparaturen

Der Fortschritt im Karosseriebau, der zu immer sichereren und leichteren Karosserien führt, bringt grundlegende Veränderungen für die Praxis der Unfallinstandsetzung in den Werkstätten mit sich.

Seit Jahrzehnten ist die Instandsetzung von Unfallschäden eine der wesentlichen Ertragssäulen in Werkstätten. Doch dieses Geschäftsfeld ist auf dem besten Wege selbst massiv Schaden zu nehmen. Ausgerechnet der Fortschritt im Automobilbau, besser gesagt im Karosseriebau, stellt die Fortführung der heutigen Praxis der Unfallschadensentwicklung in Frage. Doch ist dies nur ein Problem für die Branche. Zusätzlich versuchen die Versicherungsgesellschaften, für die Autoversicherungen nach Lebensversicherungen das zweitgrößte Geschäftsfeld sind, die Unfallschadensinstandsetzung immer weiter zu optimieren. Für Werkstätten wird es in diesem Spannungsfeld immer schwieriger mit der Unfallsinstandsetzung Renditen zu erwirtschaften.

Wandel vollzogen

Der technologische Wandel im Karosseriebau hat verstärkt in den vergangenen 15 Jahren eingesetzt. So kamen seit der Einführung der selbsttragenden Karosserie für Volumenfahrzeuge über Jahrzehnte fast ausschließlich normale Stahlbleche zum Einsatz. Seit den Neunzigerjahren wurden aus Gründen der Gewichtsoptimierung und zur Verbesserung der passiven Sicherheit der Fahrzeuge zunehmend alternative Karosseriematerialien eingesetzt. So kamen die ersten Automobile mit Aluminium Spaceframe auf den Markt und wurden zunehmend hochfeste Stahlbleche eingesetzt. Zu jener Zeit wurden durch Unfälle entstandene Strukturschäden am Auto auf Richtbänken instand gesetzt. Für Aluminium-Karosserien wurden spezielle Arbeitsplätze angelegt. Mit fast jedem neuen Automodell wurden weitere Neuheiten im Karosseriebau eingeführt. Das seit Jahrzehnten vertraute Thema der Karosseriereparatur nahm in relativ kurzer Zeit erheblich an Komplexität zu. Wer eine Karosserie reparieren wollte, musste sich erstmals vorher genau informieren, wo welche Materialien verarbeitet waren.

Neue Schweißgeräte wurden in den Werkstätten benötigt, denn die alten Autogen-Schweißgeräte hatten für die Karosseriereparatur ausgedient. Auch die Punktschweißzangen, damals extrem schwer und klobig, kamen mit den neuen Anforderungen nicht mehr mit. So wurden immer höhere Anpressdrücke gefordert. Die Präzision bei der Schweißung nahm zu, die Geräte mussten leistungsfähiger sein. Es wurde noch ernsthaft darüber diskutiert, ob eine luftgekühlte Punktschweißzange nicht der wassergekühlten vorzuziehen sei. Heute sind die Punktschweißgeräte so leistungsfähig, dass sie nur noch mit Wasserkühlung arbeiten können. Gleichzeitig verfügen sie über Computer-Steuerungen, welche sämtliche Schweißparameter wie Anpressdruck, Schweißstrom, Schweißlänge und vieles mehr automatisch einstellen und Protokoll über jeden Schweißpunkt führen. Opel war einer der Hersteller, welche diese programmierten Schweißarbeiten stark mit voran trieb. Ein beliebtes Diskussionsthema seiner Zeit unter Fachleuten war die Frage, ob nun Richtwinkel oder Messsysteme die bessere Lösung für die Karosserieinstandsetzung waren. Damals hatten die deutschen Premium-Automarken jeweils drei bis vier Modellreihen im Angebot, die Entscheidung für einen Richtwinkel fiel also leicht. Heute haben die gleichen Marken zehn und mehr Modelllinien, was für das Messsystem spricht. Allerdings landen heute die wenigsten Unfallfahrzeuge tatsächlich auf einer ausgewachsenen Richtbank. Schließlich hat der massive Einsatz der neuen Karosseriewerkstoffe zu technisch völlig neuen Karosserien geführt.

Günstige Einstufung erzielen

Weil die meisten Automobilhersteller viel Wert darauf legen, dass ihre Fahrzeuge in eine günstige Versicherungsklasse eingestuft werden, sind die Crashzonen aufwändiger konstruiert. So sitzen hinter den Stoßfängern oft verschraubte Crashboxen, welche sich einfach schrauben lassen. Auch Kühlerbefestigungen und Verkleidungen sind oft schon ab Werk so gestaltet, dass sie im Falle eines Falles nachgeben. Auf diese Weise wird bei den weniger schweren Unfällen die Struktur der Karosserie geschont.

Während bei den früheren Stahlblechkarosserien große Karosserieteile wie zum Beispiel Seitenwände im Reparaturfall ausgetrennt und neu eingeschweißt wurden, wird Schweißen heute auch oft umgangen. Heute wird nach dem Austrennen das neue Bauteil eingeklebt und zusätzlich an definierten Punkten genietet, wie BMW das stark favorisiert. Nur so kann man vermeiden, dass die Teile erhitzt werden, wodurch hochfeste Stahlbleche ihre Eigenschaften ändern können. So sind Teile aus hochfesten Stahlblechen, wie Seitenpfosten, heute isoliert in Segmenten wärmebehandelt, um ihnen ein definiertes Verformungsverhalten im Crashfall zu geben. Würden diese Teile im Rahmen einer Karosseriereparatur erhitzt, würde sich dieses definierte Verhalten ändern.

Schneller Wandel

In jedem Fall hat sich die Arbeit der Spengler in den Werkstätten in den vergangenen Jahren schon erheblich gewandelt. Und das Auto wird sich in den kommenden Jahren weiter massiv wandeln. Die speziell für Elektroautos wie den BMW MCV konstruierten Karosserien werden extrem gewichtsoptimiert sein. Faserverstärkte Kunststoffe werden ist stärkerem Maße Einzug in den Karosseriebau halten. Mit diesen Fahrzeugen, von deren Karosserien man noch nicht genau weiß, wie und in welchem Umfang sie überhaupt instand gesetzt werden können, rollen in den kommenden Jahren die nächsten Herausforderungen auf die Werkstätten zu. So ist es denkbar die aus einem Stück bestehende Grundzelle der Karosserie nach einem Schaden im Bedarfsfall einfach zu tauschen.

Schon heute haben es die Karosseriebauer in den Werkstätten zusätzlich immer häufiger mit der Elektronik in den Fahrzeugen zu tun. In fast jedem Karosseriewinkel sind Sensoren und Aktoren verbaut. Diese gilt es vor der Demontage eventuell zu deaktivieren oder zumindest nach dem Einbau wieder zu aktivieren, neu anzulernen oder zu justieren.

Die Ausrüstung der Zukunft

Experten sind sich einig, dass die großen Richtbänke bisherigen Zuschnitts in Zukunft immer weniger ausgelastet sein werden. Man kann davon ausgehen, dass Geschwindigkeit in der Karosseriein-standsetzung künftig eine noch wichtigere Rolle spielen wird. Wenn ein verunfalltes Auto in die Werkstatt gebracht wird, muss schnell und zuverlässig festgestellt werden, welche Art und Schwere der Beschädigung vorliegt. Dann muss mit der Versicherung anhand der Übertragung der Daten, wie sie zum Beispiel elektronische Mess-Systeme liefern, eine Vereinbarung über die Reparatur des Fahrzeugs getroffen werden. Dabei kommen eventuelle Spezialisten zum Zuge, welche Strukturschäden an verunfallten Elektroautos beheben können. Kleine Richtbänke, auf welche Fahrzeuge schnell aufzuspannen sind, werden noch stärker als bisher die vollwerte Richtbank ersetzen. Gefragt sein werden elektronische Messsysteme, welche in kurzer Zeit eine aussagekräftige Karosserievermessung ausführen können. Das liegt im Interesse der Versicherer, welche aus Kostendruck, die Autoversicherung ist für sie schon länger ein Minusgeschäft, auf immer neue Ideen für die kostengünstigste Reparaturabwicklung kommen. Das wird auch künftig die Betriebe beschäftigen. In der Summe führen alle diese Entwicklungen zu einer weiteren Konzentration bei der Unfallschadensinstandsetzung. Nur für größere oder sehr spezialisierte Betriebe wird sich der Unterhalt einer Karosseriewerkstatt lohnen. Dieser Trend zeichnet sich schon seit Längerem ab und hat zu einer arbeitsteiligen Struktur in der Branche geführt.Wer auch künftig im Instandsetzungsgeschäft mitmachen will, braucht gut ausgebildete Mitarbeiter, eine moderne Ausstattung und muss gut vernetzt sein. Dabei geht es sowohl um den guten Draht zu Versicherungen, Schadenzentren und dergleichen, als auch um Kontakte zu anderen Werkstätten ohne eigene Karosserieinstandsetzung. So vorbereitet werden Werkstätten auch in Zukunft mit der Unfallinstandsetzung Renditen erwirtschaften können.

Bernd Reich

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