Gottlieb Daimler, Carl Benz oder Henry Ford kennt jedes Kind. Alles große Protagonisten der Automobilgeschichte, alles Männer. Kluge Köpfe, die sich mit ausgeprägtem Pioniergeist und reichlich Innovationskraft durchgesetzt haben. Die PS-Branche war seit jeher eine Männerdomäne. Doch im Schatten des "starken Geschlechts" gab es auch selbstbewusste Frauen, die der Automobilgeschichte gegen viele Widerstände ihren Stempel aufdrückten. Wer weiß schon, dass der Scheibenwischer von einer Amazone erfunden wurde, oder die Heizung im Auto? Bei der ersten Weltumrundung auf vier Rädern saß nicht etwa ein Mann am Steuer, sondern eine Tochter aus gutem Hause. Wir stellen fünf erstaunliche Frauen vor, die auf unseren Straßen Spuren hinterließen.
Margret Wilcox (1838 – 1912): Erfindung der Wohlfühloase
Über die Kindheit von Margret Wilcox ist wenig bekannt. Aufgewachsen in Chicago, Illinois, soll sie sich schon früh für alles Technische interessiert haben und wird später eine der ersten weiblichen Maschinenbauingenieure in den USA. Ihre Leidenschaft an Dingen rumzubasteln, führt schließlich zu ihrer ersten Erfindung: einer Kombination aus Waschmaschine und Geschirrspüler. Patentiert wird diese noch unter dem Namen ihres Mannes – Frauen ist es damals noch verboten, Patente anzumelden. Das ändert sich später. So kann Wilcox ihre nächste clevere Idee unter eigenem Namen patentieren lassen: Das weltweit erste Heizsystem für Autos. Die Vorrichtung, die ein Fahrzeug nun auch zur kalten Jahreszeit behaglich macht, wird am 28. November 1893 als Patent angemeldet. Es handelt sich um eine Art Brennkammer im Unterboden. Über ein Rohrsystem wird erhitztes Wasser unter den Fahrgastraum geleitet und tritt oben über Luftdüsen wieder heraus. Das Auto als Wohlfühloase ist erfunden.
Suzanne E. Vanderbilt (1933 – 1988): Fräulein Formschön
Suzanne Vanderbilt gilt als erste weibliche Pionierin des Automobildesigns. Geboren 1933 in Vernon, New York, schließt sie 1955 ihr Studium in Industriedesign ab. Danach beginnt Vanderbilt bei GM als Junior-Automobildesignerin zu arbeiten. Als "Damsels of Desgin" (Fräuleins der Formsprache) gehört sie später einer Gruppe an, die Autos speziell für Frauen entwickeln. Sie entwirft unter anderem Chevrolets legendäres Eldorado Seville Coupé und das Cadillac Saxony Cabrio. Später entwickelt Suzanne an der Spitze ihres Team Komponenten, die wir heute in Autos als Selbstverständlichkeit ansehen: Handschuhfächer, aufrollbare Sicherheitsgurte, kindersichere Türschlösser oder Schminkspiegel. Auch das Patent für eine aufblasbare Rückenlehne, aus der später Lenden- und Rückenstützen hervorgehen, ist auf sie zurückzuführen. 23 Jahre arbeitet Vanderbilt für General Motors und wird als erste Frau zur Chevrolet Chefdesignerin für Innenräume ernannt.
Clärenore Stinnes (1901 – 1990): Einmal um die ganze Welt
In Mülheim an der Ruhr kommt 1901 ein Baby zur Welt, das 28 Jahre später Automobilgeschichte schreiben wird. Clärenore Stinnes ist schon immer von Autos begeistert. Die Tochter eines Großindustriellen soll bereits mit 15 Jahren erste Runden auf dem Werksgelände des Vaters gedreht haben. Mit 18 macht sie den Führerschein, mit 24 fährt sie erste Autorennen, gewinnt 17 Titel und wird die erfolgreichste Rennfahrerin Europas. Anderen würde dieser Ruhm reichen. Clärenore nicht. Als sie von Charles Lindberghs Alleinflug über den Atlantik erfährt, steht für sie fest: Ich umrunde im Auto die Welt. Sie sammelt 100.000 Reichsmark an Spenden, unter anderem Aral, Bosch und Continental unterstützen die Rekordfahrt ebenso wie der Automobilhersteller Adler, der ihr die Limousine Standard 6 mit 45 PS mit der Sonderausstattung "Liegesitze" zur Verfügung stellt. Am 25. Mai 1927 geht es in Frankfurt los. Zwei Mechaniker sowie der Kameramann Carl-Axel Söderstrom begleiten sie. Nur Söderstrom hält durch und wird später Clärenores Ehemann. Nach abenteuerlichen Etappen, unter anderem über die Anden, und einem Empfang im Weißen Haus bei US-Präsident Herbert Hoover, erreicht Stinnes nach über zwei Jahren am 24. Juni 1929 Berlin. Auf dem Tacho stehen 46.758 Kilometer.

Bertha Benz (1849 – 1944): Marketing ist eben alles
Die Geschichte von Bertha Benz würden junge Menschen heute als "no brainer" bezeichnen. Na klar darf die selbstbewusste Frau Benz und ihre erste Überlandfahrt in dieser Sammlung nicht fehlen. Zwar hat ihr Gatte Carl 1886 den "Motorwagen mit Gasmotorenantrieb" erfunden – übrigens finanziert von der Mitgift Berthas – für den Erfolg der drei PS starken selbstfahrenden Kutsche aber sorgt seine Ehefrau. Da der pferdelose Wagen bei der Bevölkerung auf jede Menge Skepsis stößt, muss sich Bertha etwas einfallen lassen. Die Idee: Eine Fernfahrt von Mannheim zu ihrer Mutter nach Pforzheim und zurück. 106 Kilometer reines Marketing, über staubige Feldwege, holprige Dorfstraßen und unbefestigte Waldwege. Am frühen Morgen an einem sonnigen Augusttag des Jahres 1888 bricht Bertha mit ihren Söhnen Eugen und Richard auf. Der gute Carl wird nicht in die Pläne eingeweiht. Die Fahrt dauert mehr als zwölf Stunden. Sprit in Form einiger Liter Ligroin, einem Reinigungsmittel, gibt es aus der Apotheke. Mit der Hutnadel wird die verstopfte Benzinleitung gereinigt, die Zündung repariert Bertha mit ihrem Strumpfband, das Flicken der Kette übernimmt ein Dorfschmied. Der Rest ist Geschichte, der Stern des Automobils geht auf, dank des Einsatzes einer couragierten Frau. Carl Benz sagt später einmal: "Sie war wagemutiger als ich und hat eine für die Weiterentwicklung des Motorwagens entscheidende Fahrt unternommen." Eben ein no brainer.
Mary Elizabeth Anderson (1866 – 1953): Eine Frau mit Weitsicht
Wer heute bei Starkregen im Auto den Durchblick behält, hat das maßgeblich Mary Anderson zu verdanken. Sie gilt als Erfinderin der Scheibenwischanlage. Die Idee dazu, so wird erzählt, kommt der US-Amerikanerin im Winter 1902 bei einem Besuch in New York. Als sie in einer Straßenbahnfahrt sitzt, merkt sie, dass der Fahrer mit geöffneter Windschutzscheibe fährt. Einsetzender Eisregen macht den Blick durch die Scheibe unmöglich. Zurück im Heimartort Birmingham skizziert Mary Anderson eine handgetriebene Maschine mit einem in Lenkradnähe angebrachten Hebel. Über diesen kann der Fahrer bei Bedarf auf der Windschutzscheibe einen gefederten Schwingarm mit Gummiblatt in Bewegung setzen. Ihr mechanisches Wischblatt wird am 10. November 1903 beim US-Patentamt unter der Nummer 743,801 für die Dauer von 17 Jahren angemeldet. Zu Geld machen kann Anderson ihre "Fensterreinigungsvorrichtung für Autos und andere Fahrzeuge zur Entfernung von Schnee, Eis oder Graupel von der Scheibe" kaum. Firmen lehnen ab, weil das Gerät keinen praktischen Nutzen hätte. Ein bisschen mehr Weitsicht hätten wir dann doch erwartet.
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