Die Zeiten von Reichweitenangst und großen Lücken in der Ladeinfrastruktur gehören für E-Fahrer in Deutschland längst der Vergangenheit an. Zum einen haben reichweitenstarke und schnell aufladbare E-Autos den Weg in die Komfortzone geebnet. Zum anderen ist die nächste Ladesäule meist nicht weit und dank mobilem Internet auch in unbekannten Gegenden schnell gefunden.
Und doch häufen sich, unter anderem in den sozialen Medien, Erfahrungsberichte, in denen dem erfolgreichen Ladevorgang ein nerviger Spießrutenlauf vorausgegangen ist. Die Lust am Laden, die der technische Fortschritt und der Ausbau der Infrastruktur eigentlich mit sich bringen, mündet in der Praxis immer wieder in Ladefrust. Vor allem aus Sicht der Laternenparker und Vielfahrer ist die E-Mobilität noch lange nicht da, wo sie sein sollte. Das liegt unter anderem an einer wachsenden Zahl technischer Probleme und teilweise auch an mangelnder Kooperationsbereitschaft.
Ausbau der Elektromobilitäts-Infrastruktur: Positive Entwicklung
Dabei hat sich in Deutschland der Ausbau der Elektromobilitäts-Infrastruktur positiv entwickelt. Vor allem entlang der Autobahnen wächst die Zahl der Ladeparks in flottem Tempo. Größter Treiber dieser Entwicklung ist derzeit der Energieversorger EnBW, der sein Angebot seit einigen Jahren bundesweit massiv ausbaut. Allein zwischen August und September 2024 ist die Zahl der von EnBW betriebenen CCS-Ladepunkte laut schnellladepark.app um fast 200 auf über 5.300 Ladepunkte gestiegen. Auch andere Anbieter bauen derzeit stark aus. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) berichtete Ende September, dass allein im ersten Halbjahr 2024 bundesweit mehr als 16.000 neue öffentliche Ladepunkte ans Netz gegangen sind und die Gesamtzahl um 14 Prozent auf über 134.000 gestiegen ist.
Auch das Ladeerlebnis in den oft großzügig und schick gestalteten Ladeparks ist in der Regel angenehm. Einige Anlagen haben sich bereits als soziale Treffpunkte etabliert, nicht zuletzt, weil es WLAN, Überdachungen, Sitzgelegenheiten, Snack-Automaten und Toiletten gibt und Restaurants und Supermärkte oft in der Nähe sind. Zudem bieten Ladeparks in größerer Zahl Ladepunkte mit hoher Ladeleistung. Der Verkehrsclub ACE bestätigte jüngst in einem groß angelegten Test von Schnellladestationen das positive Bild: "Die Ladesäulen sind besser als ihr Ruf - nur 3 [von 189] Anlagen sind bundesweit durchgefallen."
Doch was nützt dem E-Fahrer die schöne neue Ladewelt, wenn er spät abends auf einer längeren Autobahnfahrt feststellt, dass eine weitere Ladepause unumgänglich ist, diese aber mehrere Anläufe benötigt. Häufiger kann der spontane Besuch von Autobahnraststätten für Frust sorgen. Laut einem im September veröffentlichten ADAC-Autobahnraststätten-Test bieten diese über oft nur wenige Ladesäulen mit oft nur niedriger Leistung. An einigen wenigen Raststätten gibt es überhaupt kein Ladeangebot. An anderen sind die Säulen in von Lkws verstellten Ecken versteckt. Kommt man an die Säule heran, ist diese aus irgendeinem unerfindlichen Grund dennoch nicht bereit, das angeschlossene Auto zu laden.
Moderne Ladeparks hoch im Kurs
Viele E-Fahrer weichen daher lieber auf moderne Ladeparks in der Nähe von Autohöfen und Gewerbegebieten aus, die allerdings auch keine Erfolgsgarantie bieten. In einigen Fällen befinden sich die Ladesäulen beispielsweise auf Supermarktparkplätzen, die nur während der Öffnungszeiten zugänglich sind. Es kann auch vorkommen, dass alle Ladepunkte belegt sind. Auch technische Probleme sind keine Seltenheit.
Diese sollen sich sogar häufen, wie Jörg Heuer, Geschäftsführer des Ladesäulen-Softwareanbieters EcoG, kürzlich in einem Interview auf Merkur.de berichtete. Er spricht von einer Zunahme sogenannter „Ladeleichen“, bei denen es sich häufig um Ladesäulen aus dem Altbestand handelt. In der frühen Aufbauphase der Ladeinfrastruktur seien viele Säulen mit nicht standardisierter Technik aufgestellt worden, die auch aufgrund der sich dynamisch entwickelnden Technik auf der Fahrzeugseite oft nicht mehr kompatibel seien und nicht mehr zeitgemäß funktionierten. Laut Heuer handelt es sich dabei nicht mehr um Einzelfälle, sondern um ein wachsendes Phänomen.
Über dieses berichtete Anfang 2024 auch die Mittelbayerische Zeitung am Beispiel der Stadt Regensburg, die über hunderte öffentliche Ladepunkte verfügt. Inzwischen gibt es dort vor allem Probleme mit den von der Eon-Tochter Bayernwerk betriebenen Säulen, die, wie ein Sprecher des Betreibers einräumt, "häufig defekt" seien. Betroffen sind demnach Ladesäulen der ersten Generation. Aufgrund der bei alten Ladesäulen sich häufenden technischen Probleme stehen viele Ladesäulenbetreiber nun vor der Frage, diese zu modernisieren oder durch neue Säulentypen zu ersetzen. Auch das Bayernwerk hat in dem Bericht eine Modernisierung angekündigt.
Alte Ladesäulentechnik
Ärgerlich für Elektroautofahrer kann die alte Ladesäulentechnik auch in Bezug auf die Ladeleistung sein, denn unter den inzwischen zahlreichen DC-Ladesäulen gibt es immer noch eine größere Zahl mit Ladeleistungen von 50 bis 150 kW. Wer auf der Durchreise kurz auftanken will, kann mit einem entsprechend schnell ladenden Auto an 300 kW-Säulen in wenigen Minuten volltanken. Bei 50 kW kann sich der kurze Ladestopp dagegen auf eine Stunde ausdehnen. Häufiger anzutreffen sind auch 150-kW-Ladesäulen mit zwei Ladepunkten. Sind beide Ladepunkte belegt, halbiert sich die verfügbare Leistung pro Fahrzeug und die Ladezeit verdoppelt sich.
Für die Ladesäulenbetreiber stellt sich jedoch immer die Frage, ob sich die Investition in neue und bessere Ladesäulen lohnt. Auch der BDEW weist in seinem aktuellen Ladeinfrastrukturbericht auf eine insgesamt „problematisch“ niedrige Auslastung hin, die je nach Region zwischen 3 und 23 Prozent liegt. Im bundesweiten Durchschnitt waren nur 14,5 Prozent der Ladepunkte gleichzeitig belegt - mit sinkender Tendenz. Das dürfte auch daran liegen, dass die Infrastruktur schneller wächst als die Zahl der Elektroautos. Der erhoffte Elektroauto-Boom lässt weiter auf sich warten.
Early Adopter und viele Hausbesitzer mit Solardach haben ihr E-Auto längst. Die vielen Laternen- und Tiefgaragenparker, die auf öffentliche Ladepunkte angewiesen sind, haben dagegen viel Grund zur E-Auto-Skepsis. Das liegt auch an den meist viel zu hohen Preisen für den Fahrstrom an öffentlichen Ladesäulen, die den Umstieg auf E-Mobilität finanziell unattraktiv machen. Ganz zu schweigen von den mitunter happigen Blockiergebühren.
Die prognostizierten großen Zuwächse an Elektroautos im Fahrzeugbestand bleiben auch deshalb aus und damit wiederum der von den Ladesäulenbetreibern erhoffte Business Case. Dies wiederum führt zu einem weiterhin zögerlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur, insbesondere im urbanen Umfeld, ohne den es schwierig bleiben wird, einen großen Kreis potenzieller Fahrzeugnutzer von den vorhandenen Vorteilen der E-Mobilität zu überzeugen. Das Henne-Ei-Problem der E-Mobilität ist hier noch lange nicht gelöst. Wer nicht über eine eigene Garage mit Wallbox verfügt, hat derzeit in Deutschland gute Gründe, den Umstieg auf ein Elektrofahrzeug aufzuschieben.
Dicht besiedelte Stadtquartiere in Deutschland
In den dicht besiedelten Stadtquartieren in Deutschland fehlt es noch fast überall an einer für alle Akteure auskömmlichen Ladeinfrastruktur. Wo sie vorhanden ist, kann sie aber auch zum Problem werden, wie das Beispiel Antwerpen zeigt. Die belgische Hafenstadt hat in ihren dicht besiedelten Wohnquartieren bereits vor Jahren für einen massiven Ausbau von AC-Ladesäulen auf öffentlichen Parkplätzen gesorgt. Mittlerweile gibt es laut Chargemap rund 1.350 davon. Aus Sicht von Elektroautonutzern ohne eigene Wallbox mag das nach paradiesischen Zuständen klingen. In der Praxis zeigt sich aber auch hier ein Problem: Da Parkplätze generell knapp sind, werden viele für E-Autos vorgesehene Ladeplätze von Autos belegt, die gar nicht laden. Darunter finden sich immer wieder auch E-Autos.
Die Crux: Die eigentlich einfache Ladesäulensuche per App kann nicht zwischen zugänglichen und unzugänglichen Ladesäulen unterscheiden, denn Falschparker laden nicht, weshalb die Ladesäule in der App als frei angezeigt wird. In Antwerpen kann die Suche nach einer wirklich freien Ladesäule, die dann oft weiter vom Zielort entfernt ist, dauern.
Das Phänomen der regelwidrig genutzten und damit blockierten Ladeparkplätze ist auch in Deutschland zu beobachten, wenn auch nicht so massiv wie in Antwerpen. Insbesondere wenn freie Parkplätze vor Ort knapp werden, werden auch hier Ladeparkplätze belegt. Häufiger auch durch Elektroautos, die nicht laden, sich aber für nutzungsberechtigt halten.