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E-Fahrzeuge: Teile- und Reparaturkosten noch deutlich zu hoch

26.02.2024 11:00 Uhr | Lesezeit: 3 min
"Für die Instandsetzung von E-Fahrzeugen und deren Akkus müssen wir dringend Lösungen finden, um E-Mobilität und Reparaturen bezahlbar zu erhalten", fordert Allianz Schadenvorständin Lucie Bakker.
© Foto: Walter K. Pfauntsch

Selbst nur leicht beschädigte Batterien von E-Fahrzeugen müssen oftmals komplett getauscht werden – mit Kosten im schnell fünfstelligen Bereich bis teilweise sogar zum Fahrzeugneuwert. Erste Autovermieter nehmen E-Mobile aus ihren Fuhrparks und setzen wieder auf Verbrenner. Und auch in der Kfz-Assekuranz sieht man längst einen "gefährlichen Trend".

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Torsten Stüting, Geschäftsführer des alt eingessenen Fahrzeug-Reparaturzentrums Bollwinkel GmbH in Bremen mit ZKF-Zertifizierung u.a. als Fachbetrieb für E-Mobilität, brachte es vergangene Woche auf den Punkt: In einem fachlich fundierten Beitrag auf LinkedIn zitierte er nicht nur den Präsidenten des Bundesverbandes der Autovermieter Deutschlands e.V. (BAV), Jens Hilgerloh, mit der Aussage, dass das Handling von E-Fahrzeugen für eine Autovermietung "wirtschaftlich nicht sinnvoll" sei. Er geht ferner auf eine aktuelle ZKF-Information ein, nach der Reparaturen an China-E-Autos möglich seien – "wenn es denn Reparaturdaten und Ersatzteile des jeweiligen Herstellers gibt".

Totalschaden "dank" 50.000-Euro-Ersatzbatterie

Schließlich kam er noch auf mehrere verunfallte Fahrzeuge eines bestimmten, von ihm namentlich genannten Herstellers zu sprechen, die bei ihm aktuell auf dem Hof stehen und bei denen eine beschädigte Batteriezelle 6.500 Euro und das zugehörige Batteriegehäuse 4.500 Euro kostet. Stüting wörtlich: "Dann wird jetzt auch keiner überrascht sein, dass die komplette Batterie derzeit bei 50.000 Euro liegt und bei einem Schaden diese Summe das defekte Fahrzeug zum Totalschaden werden lässt! Brutal, wo doch alle Fürsprecher der E-Mobilität von einer noch nie dagewesenen Nachhaltigkeit sprechen, gemessen an den Verbrennern."

"Freuen uns auf die handwerkliche Zukunft..."

Zugegeben entbehrt es nicht einer gewissen Ironie Torsten Stüting‘s, wenn er abschließend ergänzt: "Da wähnt man sich doch als Tesla-Besitzer im besseren Fahrwasser, weil bei Tesla soll der Batterieblock nur 26.000 Euro kosten. Wir freuen uns auf die handwerkliche Zukunft, wenn es wieder mehr um Reparaturen geht, anstatt alles zu entsorgen!"

Autovermieter kehren zurück zu Verbrennern

Dazu passt auch ein Spiegel-Beitrag, in dem Autovermieter Hertz ankündigte, aktuell 20.000 Elektroautos verschiedener Hersteller in den USA verkaufen zu wollen, um den Erlös zum Teil in den Kauf von Verbrennern zu stecken. Als Gründe werden genannt: "Zu hohe Haltungskosten, geringe Nachfrage und auch die Preispolitik von Tesla." Wiederholte Preissenkungen von Tesla hätten auch den Wiederverkaufswert von Flottenfahrzeugen gesenkt. Zudem seien Schadenreparaturen von E-Autos "in etwa doppelt so teuer wie bei Verbrennern".

Ähnliche Gedankenspiele bei Sixt: Auch der Münchner Vermieter wolle laut Spiegel "vorerst keine weiteren Tesla-Modelle mehr anschaffen", den vorhandenen Bestand baue man aktuell ab.

Stundensätze von 400 bis 500 Euro

Wie sehen es jetzt die Autoversicherer, welche insbesondere bei Verkehrsunfällen die Schadenlast zu tragen haben? 2023 hatten sie branchenübergreifend fast 3 Milliarden Euro Defizit in der Kraftfahrt-Sparte eingefahren (wir berichteten). Beklagt wurden dabei generell aus Sicht der Kfz-Assekuranz "deutlich zu teure Ersatzteilkosten" – auch bei Verbrennern. Die Rede war bei den großen Autoversicherern aber unisono auch von Stundenverrechnungssätzen im Bereich von 400 bis sogar 500 Euro, wenn Reparaturen bei E-Fahrzeugen zu regulieren waren.

Was können Versicherer leisten?

Aus gegebenem Anlass wollte es unsere Redaktion von einer der beiden führenden Autoversicherungen Deutschlands genauer wissen. Dazu fragten wir Lucie Bakker, Schadenvorständin der Allianz Versicherungs-AG, den neuen Geschäftsführer des Fahrzeug-Forschungsinstitites Allianz Zentrum für Technik, Christian Sahr und Christoph Lauterwasser, der das AZT mehr als 16 Jahre lang bis Ende 2023 geleitet hatte und Ende April 2024 in Ruhestand gehen wird.

Es sind vielfältige Themen, die Bakker und das AZT derzeit umtreiben. Dazu gehören Fragestellungen, wie man Akkus grundsätzlich besser gegen Beschädigungen schützen und für den Fall, dass sie in einen Schaden verwickelt waren, prüfen und auch wieder instandsetzen könne. Konkret gehe es dabei um nicht weniger als die Bezahlbarkeit von Mobilität und im Besonderen der Zukunft von E-Mobilität.

"Inflationären Entwicklungen" gegensteuern

Als hoch poblematisch erachtete Lucie Bakker die aus ihrer Sicht "inflationäre Entwicklung" bei E-Fahrzeugen, sowohl was Material-, als auch Werkstatt-Lohnkosten bei Instandsetzungsarbeiten betreffe. Christian Sahr seinerseits verwies darauf, dass E-Mobilität derzeit gerademal "drei Prozent im Gesamtbestand" aller zugelassenen Pkw ausmache.

Gerade deshalb aber müsse jetzt gemeinsam mit den Fahrzeugherstellern an wirksamen Lösungen gearbeitet werden, um die aktuell zu hohen Reparaturkosten in den Griff zu bekommen: "Hierzu müssen wir dringend Hinweise geben, wo wir einen jeweils konkreten Handlungsbedarf sehen, beispielsweise eben bei Reparaturlösungen für Batterien, damit nicht weiterhin schon bei einfachen Unterbodenkratzern der gesamte Akkublock getauscht werden muss. Und das, obwohl aus unserer Sicht eine Instandsetzungslösung möglich wäre, eine solche oftmals aber seitens der Hersteller noch nicht entwickelt wurde."

Angesprochen von unserer Redaktion auf die im Markt nicht unüblichen – und auch von Torsten Stüting konkret benannten – Kosten in der Größenordnung von bis zu 50.000 Euro für einen neuen Akkublock, sprach die Allianz-Schadenvorständin von einem "gefährlichen Trend". Die Stundenverrechnungssatz-Preisspannen bei Reparaturen an E-Fahrzeugen von "aktuell bis über 400 Euro" führte sie in diesem Zusammenhang ebenfalls mit auf.

FAS ein gewisser "Gegentrend" zu hohen Schadenkosten

Man sehe dennoch einen gegenläufigen Trend dergestalt, dass E-Fahrzeuge "sehr gut mit Fahrerassistenzsystemen ausgestattet sind und wir darauf hoffen dürfen, dass die Schadenfrequenz dadurch nach unten gehen wird". Trotz der Trends in beide Richtungen brauche man aber Lösungen von Seiten des AZT, das "alle Seiten beleuchtet und durch ihre Optimierungsansätze E-Mobilität weiterhin bezahlbar erhält", so Bakker.

Batterie-Wertschöpfungskette wichtig

Christian Sahr sprach offen davon, dass es aktuell Hersteller gibt, die "derzeit keine ausreichenden Reparaturlösungen für Akkus anbieten – und andere, die das schon sehr gut tun". Für ihn gehören da beispielsweise die Befestigungspunkte der Batterie dazu, womit ein einfacher Gehäuseausbau und ggf. -tausch ermöglicht werde.

Wichtig wäre indes auch, einzelne Module eines Akkublocks ersetzen zu können, um eine Reparatur insgesamt kostengünstig zu gestalten. Selbst das Angebot einer Gebrauchtbatterie gehört für ihn mit zu einer kompletten Batterie-Wertschöpfungskette. "Manche Hersteller beschäftigen sich bereits heute genau mit dieser Thematik, aber eben längst noch nicht alle."

Am Ende spiegele sich der tatsächliche Reparaturaufwand – z.B. über die Typklassen – in den Kosten für den Kunden wider. Sahr zeigte sich deshalb auch überzeugt davon, dass sich "am Ende jeder Hersteller um dieses Thema kümmern" werde. Wir werden dafür gemeinsam mit den Herstellern die entsprechenden Standards erarbeiten."

AZT als "Check-Labor" für E-Autos aus China

Dass diese schlussendlich von allen Herstellern umgesetzt werden, davon ist auch Christoph Lauterwasser überzeugt. Noch in seiner letzten Phase als AZT-Geschäftsführer seien viele neuen Fahrzeughersteller nach Ismaning gekommen, um im AZT ihre Fahrzeuge crashen zu lassen. 2023 sei das Allianz-Forschungsinstitut "voll gestanden mit E-Fahrzeugen aus China, und wir konnten allen über unsere Daten den Spiegel vorhalten und ihnen aufzeigen, wo sie wirklich stehen bzw. wo ihre Probleme sind".

Das habe durchaus Wirkung gezeigt, so Lauterwasser weiter, denn letztlich sei es für einen Hersteller "ein echtes Problem, wenn er ein wettbewerbsunverträgliches Fahrzeug auf den Markt bringt". Hier besitze die Versicherungswirtschaft einen "großen Hebel", der letztlich aber allen helfe: Den Herstellern ebenso wie den Kunden und den Versicherern im Sinne einer auch zukünftig bezahlbaren E-Mobilität.

"Koppelung mit Airbagauslösung ungünstig"

Was er aktuell als problematisch erachtet, betrifft den an eine Airbagauslösung gekoppelten  Tausch der Fahrzeugbatterie, "weil die Zahl der Unfälle mit Airbag-Auslösung viel zu hoch und der Preis für die Batterie auch viel zu teuer ist". Um von diesen quasi automatisierten Zusatzkosten wegzukommen, bedürfe es erneut klaren Prüfbedingungen für den tatsächlichen Zustand des Akkus und in Folge davon auch adäquater Reparaturlösungen statt eines pauschalen Kompletttauschs.

"Reparaturlösungen gehören mit zur Produktentwicklung"

Nicht zuletzt mit Blick auf die geschichtliche Entwicklung des Automobilbaues zeigte Lauterwasser sogar ein gewisses Verständnis für die derzeitigen Kosten-Unverträglichkeiten in der E-Mobilität: "Eine komplett neue Fahrzeugtechnologie ist zunächst ein einziger Zielkonflikt für einen Hersteller. Die erste Frage bei der Entwicklung von E-Fahrzeugen war die möglichst kostengünstige Produktion des Gesamtfahrzeugs. Dann folgte die Suche nach immer mehr Reichweite. Die Reparaturkosten bemerkt man in der Regel erst später, wie jetzt bei den erreichten drei Prozent im Gesamtbestand. Dennoch sind die Kostenaspekte inzwischen so wichtig, dass sie kein Hersteller vernachlässigen darf."

Als AZT sei man daher auch "gehalten, den einzelnen Abteilungen bei den Herstellern den Rücken zu stärken und klar zu sagen, dass Werkstatt-Reparaturlösungen bereits in die Produktentwicklung zwingend mit einfließen müssen".

Typklasse – wichtiges Kosten- und Kaufkriterium

Auf die Frage unserer Redaktion, wie stark denn die E-Auto-Hersteller aktuell voneinander abweichen, gab Christoph Lauterwasser ebenfalls eine klare Antwort: "Die Fahrzeuge bewegen sich bis zum Doppelten der Typklasse im Vergleich zum jeweiligen Benchmark-Modell". Alleine von daher sei es heute für jeden Käufer eines E-Fahrzeuges wichtig, vorab darauf zu achten, welche Vollkasko-Typklasse das von ihm favorisierte Modell hat. Um es deutlicher zu machen, gestattete sich Lauterwasser noch den Hinweis darauf, dass die Versicherungsprämie bei einzelnen Fahrzeugen "bis zu 45 Prozent der gesamten Unterhaltskosten" betragen könne.

Unbenommen aller aktuellen Brennpunkte waren sich Lauterwasser, sein Nachfolger Sahr und Schaden-Vorständin Lucie Bakker darin einig, dass sich E-Mobilität weiter durchsetzen werde und das Allianz Zentrum für Technik alle notwendigen Lösungsansätze mit und für alle Beteiligten weiter begleiten sowie auf einen zukunftsfähigen Weg bringen werde.


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